Das Bundesheer steht vor der größten Beschaffungsoffensive seiner Geschichte. Es geht dabei um Investitionen auf allen Ebenen – von der Panzerflotte über Düsenjettrainer bis hin zu Drohnen und Drohnenabwehr. Ein Gespräch mit Rüstungschef Generalmajor Harald Vodosek.

Herr Generalmajor, beim Bundesheer werden nun die Investitionen hochgefahren. Kann der jahrzehntelang auf Sparzwang getrimmte Apparat die geplanten Beschaffungen überhaupt stemmen?
Das ist in der Tat eine Herausforderung. Die für Beschaffung, System- und Lebenslaufmanagement, Modifikationen und Verwertung zuständigen Strukturelemente meiner Direktion waren mit der Umsetzung eines Investitionsvolumens von zuletzt rund 300 Millionen Euro im Jahr beschäftigt. Jetzt steigern wir mit Blickrichtung 2032 auf ein Investitionsbudget von rund 2 Milliarden Euro – das bedeutet beinahe eine Versiebenfachung. Allerdings: Diese Anpassung erfolgt nicht über Nacht, sondern in einer zeitlich geplanten progressiven Kurve. Wir können daher mit den Ansprüchen mitwachsen und wir konnten auch bereits im Vorfeld der Budgeterhöhung wichtige Vorbereitungen treffen.

„Wir steigern jetzt mit blickrichtung 2032 auf ein investitionsbudget von rund 2 milliarden euro – das bedeutet beinahe eine versiebenfachung.“

Sie waren auf die Ankündigung der zusätzlichen Mittel gut vorbereitet?
Die Budgeterhöhung hat sich bereits in der 2. Jahreshälfte des Jahres 2022 abgezeichnet und wir haben uns daher schon in dieser Phase detailliert überlegt, wie wir vorgehen wollen, um unseren Systemeinführungsleistung zu steigern.

@Sebastian Freiler
Generalmajor Harald Vodosek ist Rüstungschef des Bundesheeres – bei ihm und in seiner Abteilung laufen alle Beschaffungsfäden zusammen.

Geben Sie uns bitte einen Einblick.
Es gibt prinzipiell zwei Ansätze, um eine deutliche Anhebung finanzieller Mittel zweckmäßig und sinnvoll für die Verteidigungsbereitschaft und somit für die Sicherheit Österreichs einzusetzen: Die eine besteht darin, Neubeschaffungen zu planen, die dafür notwendigen Unterlagen zu erstellen und neue Systeme einzuführen. Das ist ein zeitintensiver Prozess. Um gleichzeitig dazu auch kurzfristig die materielle Ausstattung unserer Verbände zunächst mengenmäßig zu verbessern, haben wir bei in Vorbereitung befindlichen Beschaffungen die Stückzahlen erhöht. Dies erfolgte zum Beispiel für die Nutzungsdauerverlängerung der Leopard-Kampfpanzer und der Kampfschützenpanzer Ulan. Aufgrund der Budgetmittel des Aufbauplanes konnten wir die zu modifizierende Stückzahl auf die gesamten Flotte ausdehnen. Wir haben noch im alten Jahr beschlossen, in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Krauss-Maffei Wegmann und der österreichischen Firma General Dynamics-Steyr die Nutzungsdauer für alle Fahrzeuge zu realisieren und nicht wie ursprünglich geplant nur für etwa ein Drittel der Fahrzeuge.

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Daher auch die Aufstockung von 18 Leonardo AW169 auf 36 Stück, oder?
Ganz genau. Wir hatten nach der Erstbeschaffung eine bis zum Ende des vergangenen Jahres gültige Option für weitere 18 Helikopter – und dank der Budget­aufstockung konnten wir diese dann ziehen. Wir sind also definitiv in der Lage, die Mittel einzusetzen, und wir haben auch bereits mit der Realisierung des Aufbauplans begonnen.

„Wir sind definitiv in der lage, die mittel einzusetzen, und wir haben auch bereits mit der realisierung des aufbauplans begonnen.“

Was ist im Fahrzeugbereich weiter geplant? Unseren Informationen zufolge ist bei Pandur und Ulan auch eine Aufstockung der Flotten denkbar.
Wir werden in der Tat zeitnah im Zusammenhang mit der Erweiterung der Ulan- und der Pandur-Flotten vertragliche Verpflichtungen eingehen. Wir sprechen dabei von einer Erweiterung auf Systemvariationen wie Führungsunterstützungs-, Sanitäts-, Fernmelde- und Pionierfahrzeuge. Darüber hinaus werden wir auch bei Dingo und Hägglunds die Flotten substanziell aufstocken und wir wollen endlich Ersatz für Puch G und Pinzgauer beschaffen. Da wird die Wahl wohl auf ein neues Universalin­fanteriefahrzeug für viele Truppenteile fallen.

@Sebastian Freiler
„Die Budgeterhöhung hat sich bereits in der 2. Jahreshälfte des Jahres 2022 abgezeichnet” – Generalmajor Harald Vodosek im Gespräch mit Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias.

Kommen wir zum Luftbereich: Da ist, wie zuvor erwähnt, fix, dass es vom AW169 insgesamt 36 Maschinen, also zwei Staffeln geben wird.
Damit schaffen wir Ersatz für die Alouette III und für die OH-58. Beim Black Hawk stocken wir zudem um weitere drei Maschinen auf. Parallel planen wir die Modifikation der Flotte der mittleren Transporthubschrauber, da die AB 212 in absehbarer Zeit ersetzt werden müssen.

Der Eurofighter wird weiterbetrieben?
Genau. Wir prüfen dabei aktuell drei Modifikationspakete. Da geht es um den Selbstschutz, um eine leistungsfähigere Aufklärung und um eine Ergänzung der Wirkmittel um weitreichende radargestützte Lenkwaffen zur Ergänzung unserer Infrarot-Lenkflugkörper IRIS-T. Wir wollen den Eurofighter damit bis zum geplanten Nutzungsdauerende im Jahr 2038 wirkungsvoll, mit gesteigerten Fähigkeiten und weiterhin sicher betreiben können.

GDELS-Steyr überholt Ulan-Flotte des Heeres

Wie sieht es mit dem Kauf zusätzlicher Zweisitzer aus?
Da ist eine Investition prinzipiell vorstellbar, eine Entscheidung ist aber direkt mit der Pilotenausbildung verknüpft und damit mit der Frage, wie wir diese in Zukunft gestalten wollen.

Also ob es wie von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner kürzlich angekündigt, einen Saab-105-Nachfolger geben wird?
Genau. Wir überlegen eine Staffel Unterschalldüsenflugzeuge anzuschaffen, die nicht nur Ausbildungsbelange abdecken können, sondern auch eine Ergänzung der Luftraumüberwachung darstellen. Um im Inland eine Durchgängigkeit bei der Pilotenausbildung von unseren Schulungsfliegern Diamond DA40 hin zum Eurofighter abbilden zu können, gehen damit auch Modifikationen anderer Luftfahrzeugmuster einher.

„Wir überlegen eine Staffel Unterschalldüsenflugzeuge anzuschaffen, auch eine Ergänzung der Luftraumüberwachung darstellen.“

Wie steht es um die geplante Nachfolge unserer Hercules C-130-Transportflugzeuge?
Wir streben eine 20-Tonnen-Lösung mit vier bis fünf Flugzeugen an, da gibt es am Markt verschiedene Anbieter: Etwa die KC-390 von Embraer oder die neue C-130 von Lockheed-Martin. Wir sind bereits im Prozess der Systemeinführung und werden verschiedene Arten der Bereitstellung ausloten. Mit einer Entscheidung ist wohl in absehbarer Zeit zu rechnen.

Zuletzt war sogar eine Zwei-Flotten-Lösung in Diskussion.
Wir werden erst einmal den Hauptbedarf im Rahmen der 20-Tonnen-Klasse decken und ob es dann darunter eine Ergänzung geben wird, entscheiden wir später.

@Sebastian Freiler
Generalmajor Harald Vodosek: „Die Abwehr von Gegnern aus der Luft wird ein immer gewichtigeres Thema.“

Welche Neuerungen wird es bei der Luftverteidigung und der Drohnenabwehr geben?
Die Abwehr von Gegnern aus der Luft wird ein immer gewichtigeres Thema, da Raketen oder Fluggeräte keine physischen Grenzen kennen – und weil sich aus der Luft verschiedenste Bedrohungslagen ergeben. Eine Gefahr kann von entführten Passagierflugzeugen ebenso ausgehen wie von Drohnen und Lenkflugkörpern. Das bedeutet, dass wir uns in dem Bereich breit aufstellen müssen, und erste Schritte dahingehend haben wir auch bereits gesetzt. Wir werden beispielsweise unsere 3,5-cm-Zwillingsfliegerabwehrkanonen komplett modifizieren. Im vergangenen Jahr haben wir außerdem einen Vertrag zur Modifikation von 24 Abschussvorrichtungen und 200 Lenkflugkörpern Mistral der neuesten Generation unterschrieben.

„Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat bereits gesagt, dass Österreich prinzipiell Interesse an einer Teilnahme an Sky shield hätte.“

Damit wäre der Bereich der Short Range Air Defence abgedeckt. Was passiert darüber hinaus?
Im Medium-Range-Air-Defence-Bereich bis 50 Kilometer Reichweite verfügen wir aktuell noch über keinerlei Mittel. Die Planer sind allerdings gerade dabei, die entsprechende Vorhabenabsicht fertigzustellen. Auf deren Basis werden wir dann einen Beschaffungsvorgang einleiten …

… der auch bereits eine mögliche Teilnahme Österreichs an der europäischen Sky-Shield-Initiative mitberücksichtigt?
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat bereits gesagt, dass Österreich prinzipiell Interesse an einer Teilnahme hätte. Unabhängig davon werden derartige Systeme immer im Verbund gedacht. Sie bieten unterschiedlichste Verlinkungsmöglichkeiten, die sie mit anderen eigenen Systemen kompatibel machen, aber auch mit den Systemen anderer Streitkräfte – und daher im Bedarfsfall auch mit Sky Shield.

Österreich plant Beteiligung an Sky Shield Initiative

Ein Thema dürfte wohl auch die begleitschutzfähige Fliegerabwehr werden, oder? GDELS-Steyr hat dahingehend auf der Airpower bereits einen Pandur mit Mistral-Turm gezeigt.
Wir wollen in diesem Bereich in jedem Fall etwas tun und unsere Überlegungen gehen auch in diese Richtung. Ideal wäre eine Turmlösung. Da sind wir dabei, Optionen zu prüfen, ob sich das auf aktuell in Betrieb befindlichen Systemen realisieren lässt. Damit ist es allerdings nicht getan, wesentlich werden auch Mittel zur Drohnendetektion und -abwehr sein. Wir testen aktuell noch bis Mitte des Jahres verschiedene Systeme, anschließend stellen wir unsere Planungsdokumente fertig. Nächstes Jahr leiten wir dann den entsprechenden Systemeinführungsvorgang ein.

Wie sieht es mit der Panzerabwehr aus? Der Ukraine-Krieg zeigt gerade die Wichtigkeit des Themas.
Wir haben das natürlich beobachtet und wollen auch deshalb unsere Panzerabwehrrohre 70 ersetzen und die Panzerabwehrrohre 66 erhalten, modifizieren und gegebenenfalls nachbeschaffen. Die PAL 2000-Fähigkeit soll weiter erhalten bleiben und eine Leistungssteigerung erfahren, außerdem planen wir die Beschaffung einer Panzerabwehrlenkwaffe mit 4.000 bis 5.000 Metern Reichweite – auch da geht es unter anderem um Fahrzeug-Turmlösungen auf bestehenden Fahrzeugsystemen. Selbiges gilt für unsere schweren 12-cm-Granatwerfer, für die wir ebenfalls fahrzeuggestützte Lösungen anstreben.

@Bundesheer/Schabhüttl
Die in die Jahre gekommene Panzerabwehrlenkwaffe 2000 soll eine Leistungssteigerung erfahren.

Wenn wir schon bei der Infanterie sind: Wie läuft der Roll-out der neuen Kampfanzüge?
Dabei sind wir unserem Zeitplan mittlerweile um beinahe zwei Jahrestranchen voraus, spätestens 2027 sollten alle Soldatinnen und Soldaten eine neue Uniform haben. Wir beschaffen dazu nun auch neue Schutzausrüstung, einen neuen Body Armor mit Kampfweste und Kampfgürtel sowie weitere Ausrüstungsgegenstände. Bis Ende der 2020er-Jahre wollen wir eine Vollausstattung in diesem Bereich haben. Außerdem werden wir ein neues Schuhsystem mit voraussichtlich drei Paaren einführen – mit einem leichten Schuh für den Tagesbetrieb, einem Sommer- und einem schweren Kampfschuh. Es ist geplant, Rekruten zu gestatten, die Kampfschuhe mit nach Hause zu nehmen.

@Bundesheer/Mandl
Die Panzerhaubitze M-109 wird vorerst weiterbetrieben – für das System soll es allerdings schon bald neue Präzisionsmunition geben.

Was ist sonst noch geplant?
Die nächsten Vorhaben in aller Kürze: Wir werden ein Battlefield Management System zur Unterstützung der koordinierten Operationsführung beschaffen und unsere Munitionsbestände signifikant hochfahren. Schon unterschrieben ist ein Vertrag über Soldatenfunkgeräte, um – parallel zum VHF-Funkgerätesystem Conrad – eine direkte Kommunikation zwischen Soldaten zu ermöglichen. Bei der Artillerie betreiben wir unsere M-109 weiter und zusätzlich planen wir, in Präzisionsmunition zu investieren. Ob wir dann in weiterer Folge noch in Richtung einer weitreichenderen und mobileren Artillerie weitergehen, ist noch in Planung.

„Wir haben viele waffengattungen, in die wir zugleich investieren müssten. dabei gilt es aber, ein ungleichgewicht zu vermeiden, wir müssen das System balanciert hochfahren.“

Lassen Sie uns abschließend noch einmal einen Schritt zurückgehen: Hätte es die für die erwähnten Beschaffungsvorhaben benötigten Mittel auch ohne den Ukraine-Krieg gegeben?
Ein Umdenkprozess zur Stärkung der Landesverteidigung war schon länger zu beobachten, es gab auch in der Regierung einen Konsens darüber, mehr Mittel einzusetzen. Der Ukraine-Krieg war dahingehend aber sicherlich ein Booster. Was aber noch viel wichtiger ist: Der Frau Bundesminister Klaudia Tanner ist es gemeinsam mit der Legislative gelungen, der Sicherheit Österreichs mit dem Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz entsprechendes Gewicht zu verleihen. Damit herrscht nun erstmals auf Jahre hinaus Planungssicherheit, was natürlich auch unsere Arbeit deutlich vereinfacht. Die größte Herausforderung ist es nun, unsere Prioritäten richtig zu setzen. Wir haben viele Waffengattungen, in die wir zugleich investieren müssten. Dabei gilt es aber, ein Ungleichgewicht zu vermeiden, wir müssen das System balanciert hochfahren.

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Quelle@Sebastian Freiler, Bundesheer/Schabhüttl, Bundesheer/Mandl