Die Bedrohung durch unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) hat sich in den vergangenen Jahren von einem Randphänomen zu einer ernsten Gefahr für Streitkräfte entwickelt. Besonders deutlich zeigt sich das im Ukraine-Krieg, wo günstige Drohnen effektiv gegen unterschiedlichste Ziele wie Infrastruktur, mechanisierte Verbände oder einzelne Soldaten eingesetzt werden. Leistbare Gegenmaßnahmen zu finden, ist schwierig – aber nicht unmöglich. Eine Spurensuche beim schwedischen Rüstungskonzern Saab.
Die drei Säulen der bodengebundenen Luftverteidigung
Bodengebundene Luftverteidigungssysteme (Ground Based Air Defence, GBAD) bestehen im Kern aus drei Komponenten:
- Sensoren – die Augen der Operation,
- Führungs- und Kontrollzentrum (C2) – das Gehirn,
- Effektoren – die Muskeln zur Abwehr einer Bedrohung.
Moderne Sensoren wie das Giraffe 1X-Radarsystem von Saab ermöglichen bereits heute die präzise Erkennung und Klassifizierung selbst kleinster Ziele. Abhängig von Zieltyp, Entfernung und Umgebungsbedingungen lassen sich Objekte mit einem Radarquerschnitt von weniger als 0,01 Quadratmetern erfassen. Die hohe Empfindlichkeit führt allerdings zu einer stetig wachsenden Datenmenge. Mithilfe der Rechenleistung moderner C2-Systeme – künftig unterstützt durch Künstliche Intelligenz – lassen sich diese Daten dennoch in Sekundenbruchteilen verarbeiten. Das resultierende hohe Maß an Lagebewusstsein ermöglicht schnelle Entscheidungen und die optimale Auswahl des Effektors.
Soft Kill vs. Hard Kill – zwei Wege zur Neutralisierung
In der Luftverteidigung gibt es zwei grundlegende Ansätze: Soft Kill und Hard Kill. Gerade bei Drohnenangriffen ist die Unterscheidung entscheidend, da UAV sowohl zur Aufklärung als auch als Präzisionswaffe eingesetzt werden.
„Wenn wir über C-UAS sprechen, müssen wir zuerst klären, ob wir Systeme zur Sicherung ziviler Infrastruktur in Friedenszeiten meinen – oder jene, die an der Front Schwärme von Drohnen bekämpfen sollen. Sprechen wir über militärische MOTS-Lösungen oder kommerzielle COTS-Produkte – und wie unterscheiden sich deren Kosten?”, erklärt Saab-Luftverteidigungsexperte Per Järbur.
Das Spektrum der Gegenmaßnahmen reicht von elektronischer Kampfführung und Cyberabwehr bis hin zu kinetischen Waffensystemen. Dabei bleibt das Kostenverhältnis eine zentrale Herausforderung: Während eine Drohne nur wenige Hundert Euro kostet, können moderne Abwehrsysteme Millionen verschlingen – oft bei langen Produktionszeiten (-> Die Drohnenflut und das Raketen-Dilemma).

Nimbrix als mögliche Lösung
Saab präsentierte erst kürzlich eine möglich Lösung: Nimbrix. Dabei handelt es sich um eine Fire-and-Forget-Rakete, die mit Zielsuche, Hard-Kill-Gefechtskopf und kleinem Footprint entwickelt wird – zu vergleichsweise geringen Kosten. Mit weniger als drei Kilogramm Gewicht soll sie Ziele bis zu fünf Kilometer Entfernung erfassen. Im Air-Burst-Modus kann die Sprengladung ganze Schwärme neutralisieren. Erste Auslieferungen sind für 2026 geplant, die Nutzung ist sowohl eigenständig als auch eingebettet in größere Luftverteidigungssysteme möglich.
Innovation im Eiltempo
In der Ukraine ändern sich Einsatzmuster von Angriffs- und Aufklärungsdrohnen im Rhythmus von drei bis vier Monaten. Entsprechend schnell müssen Abwehrtechnologien entwickelt werden. Eine bemerkenswerte Kooperation zwischen der schwedischen Luftwaffe, der Beschaffungsbehörde FMV und Saab zeigt, wie rasch das möglich ist: In nur 84 Tagen wurde das Loke-Konzept realisiert – ein mobiles, modulares System für Kampftruppen.
Es kombiniert den Giraffe 1X-Radar, eine leichte C2-Lösung nach SHORAD-Prinzip und Effektoren wie eine kleinkalibrige Kanone auf der Trackfire Remote Weapon Station. Die Installation ist sowohl an Land als auch auf See möglich, etwa auf dem Combat Boat 90.
„Bei Loke haben wir bewusst keinen jahrelangen Entwicklungszyklus verfolgt, sondern vorhandene Systeme umfunktioniert und neue Technologien integriert. So konnten wir in Rekordzeit reagieren”, so Järbur. Loke ist skalierbar, anpassbar und bleibt auch in Bewegung einsatzfähig.

Kein perfektes System
Saab bietet mit dem RBS 70 NG auch noch eine weitere Lösung im Hard-Kill-Bereich. Die Lenkwaffe deckt 9.000 Meter Reichweite bei 5.000 Metern Flughöhe ab und ist immun gegen Störversuche. Parallel sieht Saab großes Potenzial bei Soft-Kill-Lösungen wie Störsendern, Netzen oder Hunter-Drohnen. In Zusammenarbeit mit Start-ups und Industrie werden Angaben des schwedischen Rüstungsherstellers zufolge neue Konzepte erforscht.
„Es gibt keine goldene Lösung, kein perfektes C-UAS-System, das alle Bedrohungen abwehrt – weder heute noch morgen”, betont Järbur. Streitkräfte müssten ihre spezifische Bedrohungslage präzise analysieren und auf Systemverbünde setzen. Auch eine gemeinsame NATO-Luftverteidigung sei unverzichtbar – bislang aber noch Zukunftsmusik.
Technologie ist vorhanden – Tempo ist entscheidend
Fest steht: C-UAS-Systeme werden in den kommenden Jahren unverzichtbar. NATO-weite Kooperation und Interoperabilität wären ein entscheidender Vorteil. Doch wichtiger als Technologie ist die richtige Balance beim „Cost per Kill”, gilt es doch, der wachsenden Bedrohung auch mit leitbaren – und rasch reproduzierbaren – Mitteln nachhaltig zu begegnen.
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