US-Präsident Joe Biden hat im Rosengarten des Weißen Hauses den derzeitigen Stabschef der US-Luftwaffe, 4-Stern-General Charles Quinton Brown, als seinen Kandidaten für den Posten des US-Generalstabschef vorgestellt. Brown wäre nach Colin Powell (1989 bis 1993) zwar bereits der zweite Afroamerikaner an der Militärspitze, mit Lloyd Austin als Verteidigungsminister würden aber die beiden höchsten Führungspositionen im Pentagon erstmals gleichzeitig von zwei farbigen Offizieren bekleidet. Der US-Senat muss der Personalie noch zustimmen.

Im September endet die vierjährige Amtszeit von Army-General Mark Milley an der Spitze des Vereinigten Generalstabs der USA, jener Mann der seit Beginn des russischen Ukraine-Krieges – trotz vieler Milliarden US-Dollar Militärhilfe an Kiew – mehrmals die Aussichten der Ukrainer durchaus ‚nüchtern’ beurteilt hatte. Das Thema Ukraine wird nun voraussichtlich General Brown (Jahrgang 1962) als wichtigstem Militärberater des Präsidenten (mit)übergeben. Jener leitet die strategischen Planungen des Verteidigungsministeriums. Joe Biden bezeichnet Brown als „Kämpfer”: „Er weiß, was es heißt, mitten in der Schlacht zu stehen und einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn es schwierig wird.”

@Georg Mader
Hier noch am Podium der Dubai-Airchiefs-Konferenz könnte General Quinton Brown bald schon neuer Generalstabschef der USA werden.

General Brown ist seit 2020 Stabschef der US-Luftstreitkräfte, noch nominiert vom früheren Präsidenten Donald Trump. Er war der erste Afroamerikaner an der militärischen Spitze einer Teilstreitkraft des US-Militärs. In einer früheren Funktion war er von 2014 bis 2015 in Deutschland stationiert, als Leiter einer Air Force-Abteilung für Einsatz und nukleare Abschreckung auf dem US-Stützpunkt in Ramstein. Er war übrigens auch Kommandant der US-Luftwaffe im Pazifikraum.

Reminiszenz an die schwarzen „Tuskegee-Airmen”
Präsident Biden sagte, Charles Brown habe – lange nach den ersten farbigen „Red Tail”-US-Jagdpiloten im Zweiten Weltkrieg – immer noch eigene Erfahrungen mit Rassismus in den Streitkräften teilen müssen und da Geschichte geschrieben. Denn nach dem Tod von George Floyd bei einem Polizeiübergriff vor knapp drei Jahren sorgte Brown mit einem emotionalen Video für Aufsehen, in dem er über seine eigenen Erfahrungen in der Armee als Schwarzer sprach: „Ich denke an meine Karriere in der Air Force, wo ich oft der einzige Afroamerikaner in meiner Staffel war, oder als ranghoher Offizier der einzige Afroamerikaner im Raum. Ich hatte oft den Eindruck, zwei Mal so hart arbeiten zu müssen wie andere, um meinen Vorgesetzten zu beweisen, dass Vorurteile über die Leistungsfähigkeit von Schwarzen falsch sind.”

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Wie Brown tickt
Militär Aktuell saß bei der letzten Dubai-Airchiefs-Konferenz einige Meter von General Brown entfernt, als er – teils durchaus nachdenklich – in einer langen Panel-Diskussion seine Ansichten über heutige versus künftiger Kriegführung zu vermitteln suchte und den aktuellen Zustand als unbefriedigend befand: „Heute stecken wir irgendwo in dem Gedanken fest, dass Masse physisch sein muss. In einer Welt, in der zunehmend Daten König sind, ist die Luftwaffe immer noch ‚ofenrohrig’, und viele ihrer Plattformen sind – noch immer – nicht in der Lage, sich miteinander zu verbinden.” Damals sagte er auch, dass sein Dienst das Advanced Battle Management System (ABMS) in der Hoffnung entwickle, seine Sensoren und Shooter zu verbinden und neue Technologien wie maschinelles Lernen zu integrieren, die die Entscheidungsfindung beschleunigen können.

Unklar blieb seither freilich, wie genau und wie sicher die US-Luftwaffe sicherstellen möchte oder wird, dass ihr ABMS in der Lage ist, belastbare Daten von Verbündeten zu nutzen oder ihnen zur Verfügung zu stellen beziehungsweise sich in die Systeme der Partnerländer einzubinden und Daten auszutauschen. Also wie genau die US-Luftwaffe sicherstellen soll, dass ihr Multidomain-Befehls- und Kontrollsystem in der Lage ist, Daten von Verbündeten zu trauen und zu nutzen. Brown stimmte natürlich auch dem Einwand zu, dass „Datensicherheit wichtig ist und etwas, das wir richtig machen müssen.”

Die Highlights der IDET-Messe in Brünn

Auf eine weitere interessante Aussage in seinen Ausführungen wurde Brown danach in den Konferenzpausen mehrfach angesprochen, beziehungsweise in Diskussionen mit den Airchiefs verwickelt: „Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, aber ich würde wetten, dass die nicht-kinetischen Effekte die Oberhand gewinnen werden. Um diversen disruptiven Bedrohungen zu begegnen, muss man neu denken. Da können sich unsere Kommandeure durchaus am TV-Streaming-Anbieter Netflix orientieren. Vom digitalen Pionier könnten sie lernen, wie sich mit neuen Technologien ein ganzer Markt – oder adaptiert auf die militärische Ebene: der Kriegsschauplatz – revolutionieren lasse. Netflix hat ein Hardwareprodukt (Anmerkung: DVD und Blue-Ray sowie deren ortsfester Verleih) durch innovative Software überall und sofort und für jedermann ersetzt und so für völlig neue Nutzer-Realitäten gesorgt. Heute stecken wir im Gedanken fest, dass Wirkung physisch und eine Hardware sein muss. Was aber wäre, wenn wir keine Strike-Einsätze produzieren müssten, um den gleichen Effekt zu erzielen? Was ist, wenn eine zukünftige Bombe mit kleinem Durchmesser (SDB) wie Einsen und Nullen aussieht? Man muss nun die Art und Weise, wie Militär wirkt, in ein ähnliches und interoperables Modell überleiten.”

„Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, aber ich würde wetten, dass die nicht-kinetischen Effekte die Oberhand gewinnen werden.“

„Information ist eine Waffe”
Für Brown sind Daten heute eine Waffe, Information eine Waffe. Und zwar gleichberechtigt, ja wenn nicht der Hardware überlegen: „Beides ist für Militärs genauso wichtig wie Treibstoff oder Lenkwaffen. Sie ist die Software, die man entweder hat, dem Gegner vorenthält oder verfälscht, oder die einem selbst – mit schweren Konsequenzen – genommen werden kann.” Um das volle Potenzial neuer Technologien in und über die Domains nutzen zu können, müssten moderne Streitkräfte laut Brown in Zukunft noch interoperabler werden und sich auf Informationsebene noch stärker mit Verbündeten zusammenschließen. Im Moment würden dem – selbst was die Verlinkung der Top-Plattformen wie F-22 oder F-35 betrifft – noch zu viele bürokratische Hürden im Weg stehen. Brown: „Nationale Richtlinien dürfen uns nicht daran hindern, Daten zu teilen, von denen unsere Besatzungen profitieren und von denen letztlich ihr Leben abhängt. Wir wissen, dass wir auf jedem Schlachtfeld schneller agieren können als unsere Gegner, wenn wir den richtigen Sensor mit dem richtigen Flugzeug oder Schiff oder Fahrzeug verbinden – interalliiert natürlich.”

Modewort Interoperabilität ist auch ein Geschäft
Auf Nachfrage erläuterte Brown damals auch ein Programm, welches ihn ab September als Generalstabschef – auf höherer und bilateraler – Ebene wohl wieder beschäftigen könnte: „Das Pentagon bewegt sich hier insofern in die richtige Richtung, dass man mit Initiativen wie dem Defense Exportability Initiative Programme darauf abzielt, technologische Sicherheitsmerkmale für Programme in der frühen Entwicklung zu bauen, um sie später leichter an befreundete ausländische Militärs zu verkaufen. Jenes Programm hat bereits zu 18 Machbarkeitsstudien oder Designaktivitäten geführt und die Hoffnung ist, Geld zu sparen, Systeme und Sicherheit zu verbessern, die Entwicklungszeit zu verkürzen und die Interoperabilität mit unseren Verbündeten und Partnern zu erhöhen.”

Update vom 2. Oktober 2023: Mit der Pensionierung von Mark Milley erhielt der 61-jährige Charles Quinton Brown nun tatsächlich den Posten des Generalstabschefs der US-Streitkräfte.

Quelle@Georg Mader