Die US-Luftwaffe treibt ihr Programm zur Zulassung der modernisierten thermonuklearen Freifall-Atombombe B61 Mod.12 (B61-12) für den Einsatz durch den F-35A JSF Lightning-II weiter voran. Spätestens mit der Implementierung des kommenden Software-Leistungs-Block 4 soll es soweit sein.
„Das wird Kommandanten – wenn Präsident oder Vizepräsident den Befehl erteilen sollten – eine deutlich größere Anwendungsbandbreite im punktgenauen Einsatz der nuklearen Abschreckungsoption in die Hand geben, wenn das nicht nur von großen Bombern wie B-5s2 oder B-2s, sondern auch von taktischen Plattformen erfolgen kann. Wie nach F-15E und F-16C/D nun eben das erste Mal von der Stealth-Komponente der 5. Generation, aus deren internen Waffenschächten. Die kommt näher an potenzielle Ziele heran und kann tiefer in Einsatzräume eindringen, als das mit Nicht-Stealth-Mitteln möglich wäre”, so USAF-Spokeswoman Major Emily Grabowski.
Vier Varianten vereinigt
Die Entwicklung der neuen B-61-Version begann bereits 2011, die neue Waffe ist technisch eine Überarbeitung beziehungsweise Vereinigung von vier zuvor existierenden Varianten, B61-3, -4, -7 und -10. Nummer 12 ist durch einen neuen Leitwerkssatz chrakterisiert, in welchem ein internes Navigationssystem zur deutlich gesteigerten Präzision sitzt.
Ihre nukleare Zertifizierung am F-35 ist in zwei Phasen unterteilt: Die nukleare Entwurfszertifizierung und die nukleare Betriebszertifizierung. Der oft (zu) simpel als „Verkabelung” übersetzte Prozess des „Nuclear Wiring” umfasst mehr als 50 technische Anpassungen und Abänderungen der Flugzeugsysteme, sowohl in der Software als auch in der Hardware. Diese erfolgen laut USAF in 6-Monats-Schritten seit April 2019 und bis Oktober 2024. Bei der sogenannten AMAC (siehe nachfolgende Grafik) geht es um die Integration der Eingabestation der Nuklearcodes, um die Selektion der Betriebs- beziehungsweise Detonationsvarianten sowie die Magnituden-Stärke der Detonation in 0,3 kilotons, 1,5, 10 und 50 Kilotonnen.
Einschub zu Deutschland
Der (simplifiziert) geschilderte Aufwand erhellt vielleicht auch die Diskussionen rund um die anstehende Typenentscheidung bei der deutschen Tornado-Nachfolge. Jene Adaption muss ein Nachfolger nämlich für die – so lange der deutsche Bundestag sie aufrecht erhält – sogenannte „nukleare Teilhabe” durchlaufen, oder sie bereits haben. Absehbar werden dafür nur US-Muster in Frage kommen, wobei aber Ursula von der Leyen den F-35 wegen der FCAS-Zusammenarbeit mit Frankreich kategorisch ausschloss – samt Ablöse von Luftwaffenchef Müllner. Der hatte – wohl zurecht – halböffentlich (Defence-IQ Fighter-Conference) darauf hingewiesen, dass es auch 2030 wohl keine anderen für diese Rolle in Frage kommenden Modelle geben werde. Zum Autor meinte er einst in Neuburg, „da wird mir die 6. Generation beim baldigen Tornado-Ersatz gar nix helfen.”
Abschluss der Flugtests
Bereits am 21. September erfolgte nun zum Abschluss der Live-Flugtests und der Risikominderungs-Maßnahmen der Abwurf von blinden Übungsversionen der B61-12 (genannt: Joint Test Assemblies). Zwei serienmäßige F-35A der 422. und 59. Test and Evaluation Squadrons aus Nellis AFB haben jene JTAs der B61-12-Atombombe am Tonopah-Testgelände in einsatztypischer Missionsart abgeworfen und damit ihren technischen Zertifizierungsprozess für die taktische Atombombe abgeschlossen. Das Ausklinken erfolgte in 3.500 Metern Höhe, der Fall dauerte dann 42 Sekunden. Dies war laut USAF der erste Abwurf der repräsentativsten (neuesten) B61-12, welche auch ein sogenannter „Bunker Buster” ist. Die in insgesamt zehn Testwürfen gewonnenen Daten werden derzeit vom amerikanischen Verteidigungs- und Energieministerium (jenes ist für die Atombomben zuständig) analysiert und geprüft, um sicherzustellen, dass die F-35A und die B61-12 JTAs in allen Phasen des Einsatzes korrekt funktionieren. Und dabei geht es auch – im Gegensatz zu F-15E und F-16C/D – um Einsätze aus dem Waffenschacht und auch bei Überschallgeschwindigkeit.
In den von „Sandia National Laboratories” freigegebenen Informationen wurde noch kein Enddatum für die vollständige nukleare Zertifizierung der F-35A bekannt gegeben. Auch werden keineswegs alle F-35 nach der vollständigen Zulassung für den realen Einsatz nuklearfähig sein. Nur diejenigen Geschwader/Staffeln, die einen nuklearen Auftrag haben, werden die Hardware und das Personal erhalten, welches für die Konfiguration und Wartung der nuklearfähigen F-35 erforderlich ist. Das werden erwartbar zuerst die „Dual Capable Aircraft” (DCA) F-16C/D-Einheiten sein, welche auf den F-35 umrüsten oder neu aufgestellt werden. Wie beispielsweise die am 1. Oktober mit 27 F-35A neu augestellte 495th Fighter Squadron „Valkyries” im englischen Lakenheath. Später sollen es mit einer zweiten Staffel 48 Maschinen werden. Im Juni sagte NATO Supreme Allied Commander USAF General Tod D. Wolters in einer Rede, dass es betrieben von den USA und ihren Alliierten 2030 rund 450 F-35 in Europa geben werden.
Was ist Sandia?
Zuvor führte Sandia in Partnerschaft mit der NNSA (National Nuclear Security Administration), dem Los Alamos National Laboratory und der USAF im März eine B61-12-Vollwaffensystemdemonstration mit dem Kampfjet Boeing F-15E Strike Eagle und im Juli eine weitere mit dem B-2 Spirit-Bomber durch. Sandia ist das Konstruktions- und Entwicklungslabor für nicht-nukleare Komponenten des nationalen Nuklearvorrats, einschließlich der B61-12. Zusätzlich zur Entwicklung nichtnuklearer Komponenten dient Sandia als technischer Integrator für die gesamte Waffe. „Wir zeigen die größere Kompatibilität und höhere Vielseitigkeit der B61-12 für die nukleare Abschreckung des Landes, und wir tun dies in einer mehr disruptiven Welt und in einer mit Covid-19”, sagte Steven Samuels, ein Manager von Sandias B61-12 Systems-Teams.