STI Steyr zählt zu den traditionsreichsten Herstellern militärischer Nutzfahrzeuge in Europa. Im Gespräch mit Militär Aktuell spricht Geschäftsführerin Judith Ringer über aktuelle Beschaffungsvorhaben, internationale Märkte und die Philosophie hinter robusten Fahrzeugen „Made in Austria”.
Frau Ringer, wie entwickeln sich die Geschäfte bei STI Steyr aktuell?
Wir sind international sehr gut aufgestellt, unser Hauptfokus liegt derzeit aber klar auf den österreichischen Projekten für das Bundesheer. Parallel dazu beobachten wir eine wachsende Nachfrage in Europa – mehrere Beschaffungen laufen, und wir wollen dort künftig einen größeren Fußabdruck hinterlassen. Ein Referenzprojekt in Österreich wäre dafür enorm wichtig, um international noch stärker auftreten zu können.
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Inwiefern könnte die steigende Nachfrage in Europa für STI Steyr konkret zum Thema werden?
Wir führen derzeit Gespräche beispielsweise in Großbritannien und haben Anfragen aus Griechenland, wo es um eine substanzielle Ersatzbeschaffung geht. Viele frühere Steyr-Kunden kommen aktuell wieder auf uns zu – zahlreiche Fahrzeuge aus alten Beständen werden ausgemustert, und die Anforderungen haben sich deutlich verändert: Was früher ein Drei-Tonnen-Fahrzeug war, braucht heute vier bis fünf Tonnen Gesamtgewicht. Und Fünf-Tonnen-Fahrzeuge liegen mittlerweile bei sieben Tonnen Gesamtgewicht. Dank unserer drei Fahrzeugfamilien können wir dieses Spektrum problemlos abdecken.
Auch das Bundesheer plant die Beschaffung hunderter neuer Fahrzeuge. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Wir haben für insgesamt acht Lose Angebote abgegeben. In den ersten drei Losen werden handelsübliche Fahrzeuge mit bundesheerspezifischer Aufbereitung nachgefragt – hier arbeiten wir mit den weltgrössten Hersteller zusammen. In den weiteren fünf Losen treten wir mit eigenen taktischen Fahrzeugen an, die nach militärischen Spezifikationen entwickelt wurden. Dabei kooperieren wir mit weltweit führenden Komponentenlieferanten und Fahrzeugsystementwicklern. Mit Karosseriefertigung und modularer Aufbautechnologie im eigenen Haus, haben wir die Möglichkeit Anforderungen unserer Kunden zeitnah umzusetzen. Unsere Fahrzeuge sind auf mindestens 25 Jahre Lebensdauer ausgelegt, inklusive gesicherter Ersatzteilversorgung. Alle drei Fahrzeugfamilien sind relativ neu und gewährleisten so eine dauerhaft moderne Flotte.
Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?
Aktuell warten wir auf die Termine für die Erstangebotsphase. Eine Entscheidung wird aus heutiger Sicht im ersten Quartal 2026 erwartet – besonders relevant sind für uns die fünf taktischen Lose. Diese teilen sich aufgrund der Nutzlastanforderungen in zwei Gewichtsklassen: bis 4,8 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, mit drei Fahrzeugen, die wir zu 100 Prozent standardisieren und je nach Kundenwunsch individualisieren könnten, und bis 7,0 Tonnen zusätzliches Gesamtgewicht, die sich auf einer Plattform realisieren lassen. In Summe sprechen wir von rund 2.500 Fahrzeugen. Für die Produktion würden wir in Österreich ein neues Werk errichten, rund 30 Millionen Euro investieren und etwa 300 Arbeitsplätze schaffen.
„Für die Produktion würden wir in Österreich ein neues Werk errichten, rund 30 Millionen Euro investieren und etwa 300 Arbeitsplätze schaffen.“
Spüren Sie unabhängig davon ein wachsendes Interesse anderer europäischer Streitkräfte an Ihren Produkten?
Ja, definitiv. Vor allem im Zusammenhang mit Drohnen und Drohnenabwehr (-> Zum Militär Aktuell-Themenschwerpunkt) sowie für Infantriefahrzeuge und Feldambulanzen werden verstärkt spezielle Aufbauten und Lösungen nachgefragt – das haben wir bereits in unsere Fahrzeugentwicklung integriert.
Inwiefern?
Unsere Fahrzeuge verfügen über leistungsstarke Schwungradgeneratoren zur Stromversorgung moderner Systeme. Energie ist heute ein Schlüsselfaktor: Sensorik, Kommunikations- und Abwehrsysteme benötigen elektrische Leistung und EMV-Schirmung. Wir sind da sehr flexibel und können genau das liefern, was der Kunde braucht. Wichtig ist dabei immer die enge Abstimmung mit dem Nutzer – nur so entstehen Fahrzeuge, die im Einsatz wirklich funktionieren. Gleichzeitig beobachten wir einen Trend zurück zur Einfachheit: Unsere robusten, leicht zu wartenden Fahrzeuge funktionieren auch dann, wenn andere längst stehen bleiben. Mit politischer Unterstützung aus Österreich ließe sich vor diesem Hintergrund auf mehreren Exportmärkten noch einiges bewegen – vorausgesetzt, Exportgenehmigungen innerhalb der EU verlaufen künftig reibungslos.
„Elektromobilität mag im zivilen Bereich sinnvoll sein, im militärischen Umfeld zählen Robustheit, Wartungsfreundlichkeit und Einsatzfähigkeit – unter allen Umständen.“
STI Steyr deckt mit den drei angesprochenen Fahrzeugfamilien heute ein breites Spektrum ab. Wo sehen Sie die Schwerpunkte der weiteren Entwicklung?
Wir sind bis zur 7-Tonnen-Klasse hervorragend mit unseren hochgeländegängigen Fahrzeugen aufgestellt. Diese Hochgeländegängigkeit von zwei unserer Fahrzeugfamilien ist beispielsweise bei Assistenzeinsätzen im Katastrophenfall entscheidend. Beim geländegängigen Lkw sind mit Mercedes oder Rheinmetall MAN Military Vehicles (-> Kürzlich besuchten der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Rheinmetall-Chef Armin Papperger das Werk des Herstellers in Wien) starke Anbieter am Markt – auf diese Segmente zielen wir bewusst nicht ab. Unser Fokus liegt klar auf den leichteren taktischen Fahrzeugen, wo Beweglichkeit, Zuverlässigkeit und einfache Wartung entscheidend sind. Wir profitieren von einem klaren Trend zur funktionalen Einfachheit – eine Philosophie, die wir seit jeher verfolgen: Technik muss funktionieren, gerade unter extremen Bedingungen. Elektromobilität mag im zivilen Bereich sinnvoll sein, im militärischen Umfeld zählen Robustheit, Wartungsfreundlichkeit und Einsatzfähigkeit – unter allen Umständen. Darauf müssen sich Soldatinnen und Soldaten verlassen können.
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