Im scharfen Schuss präsentierte Rheinmetall Air Defence kürzlich das Flugabwehrsystem Skyranger einem internationalen Publikum. Militär Aktuell war dabei.
Das Interesse an den Skyranger-Modellen ist groß: Geladene Gäste aus 26 Nationen kamen auf das Übungsgelände von Rheinmetall, eingebettet in idyllischer Schweizer Bergszenerie, zusammen. Fachvorträge, Austausch mit Entwicklern und Bedienern des Systems sowie eine Demonstration im scharfen Schuss gegen stationäre und fliegende Zielobjekte ermöglichten es, potentielle Anwendungen von Skyranger kennenzulernen.
Herausforderung und Lösung
Als mobiles System kann Skyranger direkt im Gefahrenbereich sowie im Hinterland auf unterschiedlichste Gefahren – nicht nur aus dem Luftraum – reagieren: Drohnen, Granaten, Raketen oder Flugzeuge werden ebenso bekämpft wie Bodenziele, darunter Geländewagen und Mannschaftstransporter (APC). Der Skyranger ist also für ein Gefechtsfeld geschaffen, das aus multiplen und sehr unterschiedlichen Gefahren – bezogen auf Größe, Geschwindigkeit und Entfernung der feindlichen Objekte – besteht.
Die Lösung muss also ein dynamisches System sein. „Durch die Bedrohungen in Bergkarabach (-> Die Bergkarabach-Analyse: Die Drohnen-Plage) und nun auch in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) durch die Drohnen haben wir eine Renaissance der bodengestützten Luftverteidigung erlebt. Der Skyranger ist unsere Antwort auf die aktuelle Bedrohungslage”, sagt Oliver Dürr, Geschäftsführer von Rheinmetall Air Defence gegenüber Militär Aktuell.
Vielseitiges System
Die Skyranger-Türme können auf eine Vielzahl von Basismodellen montiert werden, darunter auch Fahrzeuge, die bei der Veranstaltung in Original zu sehen waren: Piranha von General Dynamics European Land Systems (GDELS) sowie Boxer, Lynx und Leopard (1 und 2) von Rheinmetall. Damit ist ein breites Lösungsmodell geschaffen, das sich durch hohe Mobilität und eine schnelle sowie effiziente Gefahrenabwehr auszeichnet.
Als erste Nation entschied sich Österreich das System zu integrieren (-> Rheinmetall: Das Bundesheer setzt auf Skyranger-Türme). 36 Türme von Skyranger 30 wurden für den Pandur Evolution von General Dynamics European Land Systems–Steyr (GDELS–Steyr) in der ersten Tranche beschafft – neun weitere Türme könnten nachgeliefert werden. Weitere Kunden sind beispielsweise Dänemark und Deutschland.
Kluge Zielerkennung
Zur Bedienung eines Skyranger Turms ist eine Drei-Mann-Crew bestehend aus Kommandant, Bediener und Fahrer vorgesehen, wobei auch eine Bedienung im Zwei-Mann-Team möglich ist. Ein Skyranger ist jedenfalls selten allein, denn das System ist so aufgebaut, dass einzelne Skyranger-Teams über mehrere Kommando- und Kontrollebenen hinweg mit anderen Systemen vernetzt sind. Die zusammengeführten Sensordaten lassen laufend eine Lagebeurteilung zu. Die Zielerkennung wird durch Künstliche Intelligenz erleichtert, wobei immer das menschliche Urteil die finale Instanz darstellt. Ein Teil des Sensorik-Pakets stellt außerdem das Radar Spexer 2000M 3D MkIII von Hensoldt dar. Sollte Funkstille (EMCON) erforderlich sein, arbeiten die Skyranger auch in kleinen Gruppen weiter.
Breit gestreut
Neben der Mobilität der einzelnen Skyranger sowie der Vernetzung untereinander ist auch die Flexibilität, in der die Ahead-Munition im Skyranger-Turm eingesetzt werden kann (-> Rheinmetall: Wie funktioniert Ahead-Munition?), ein bestimmendes Merkmal des Gesamtsystems.
Die programmierbare Air-Burst-Munition (ABM) verschießt Geschosse, die – wie bei einer Schrotladung – Projektile auf das Ziel verschießt. Das Besondere nun ist, dass kurz vor Verlassen des Geschosses aus dem Rohr, die Zündereinstellung entsprechend der Entfernung zum Ziel in einem Bruchteil der Sekunde einprogrammiert wird. Sodann werden die Projektile nach einer vordefinierten Zeit im spiralförmigen Muster aus dem Geschoss befördert. In einer Salve von wenigen Schuss wird schon eine dichte und effizient wirkende Fläche aus Schrappnellen geschaffen. 30 Jahre an Entwicklung stecken hinter dieser Lösung.
Die ausgestellten Muster und die vorgeführten Zeitlupen-Videos lassen keinen Zweifel an der Wirksamkeit des Systems aufkommen. In kurzen, aber wahlweise sehr schnellen Feuersalven werden auf bis zu 3.000 Meter (bei SR30) sogar kleine FPV-Drohnen vom Himmel geholt. Die Kadenz (Geschwindigkeit der Schussfolge) des Skyrangers 30 (Kaliber 30 x 173) beträgt 1.250 Schuss in der Minute, jene von Skyranger 35 (Kaliber 35 x 228) 1.000 Schuss, wobei bei einer Salve weniger als 10 Schuss abgegeben werden. Auch der Abschuss einer schnellen und flachen Drohne, wie beispielsweise einer Shahed, gelingt, wie die Anwesenden der Veranstaltung zu sehen bekamen. Gegen Panzer und ihre Sensoren kann die Munition ebenfalls eingesetzt werden. Rheinmetall betont: Die Ahead-Munition ist „combat proven”, musste sich also schon im Einsatz bewähren.
Ebenfalls Teil des dynamischen und adaptiven Lösungskonzepts des Skyrangers sind die Lenkflugkörper, die vom Turm verschossen werden können. Im System vorgesehen sind die Flugkörper Mistral 3 von MBDA (-> Rheinmetall & MBDA bringen SADM in den Skyranger) und FIM-92 Stinger von Raytheon. Beide steuern die Ziele nach dem Abfeuern mit einem drei Kilogramm schweren Sprengkopf selbständig an (Fire-and-forget) und erhöhen die Reichweite des Skyranger-Systems auf etwa 6.000 Kilometer.
Feuer frei
Die Leistungsdemonstration von Rheinmetall zeigte das beachtliche Leistungsspektrum des Skyrangers und seiner Bewaffnung auf. Mit der Ahead-Munition wurde eine Drohne in Shahed-Bauweise vom Himmel geholt. Die Bedingungen waren fordernd, denn die Sensoren durften sich bei der Vorführung nicht einfach nur auf ein fliegendes Objekt am blauen Himmel fokussieren. Stattdessen musste die flache Silhouette der schnellen Drohne im Zusammenspiel mit dem Radar aus den Kontrasten im bergigen Hintergrund herausgefiltert werden. Die Zielaufnahme gelang, wie die live zugespielten Bilder aus der Kommando-Zentrale bewiesen, sehr schnell und vor allem fehlerfrei. Der Skyranger 35 beendete mit einem kurzen Feuerstoß den simulierten Angriff.
Nicht anders erging es den Bodenzielen, die vom Skyranger 30 bekämpft wurden: Einem Geländewagen – mit freiem Auge kaum sichtbar auf der Waldstraße geparkt – wurde der Motorraum durchschossen und Raketenattrappen bekamen die Feuersalven frontal ab.
Eine Besonderheit war außerdem die Vorführung des Anti-Drohnen-Systems von Anduril, das in Zusammenarbeit mit Rheinmetall entwickelt wurde: Nach der Detektion der feindlichen Drohne fliegt die eigene Abfang-Drohne in kürzester Zeit direkt zur feindlichen Drohne, positioniert sich etwa 30 Meter unter dieser und rammt sie letztlich mit einem gewaltigen Stoß von unten. Während die feindliche Drohne auf die Erde stürzt, tritt die Anduril-Drohne beinahe unbeschadet den Rückweg zum Startpunkt an.
Die geborgenen Zielobjekte weisen – bei entsprechender Fläche – das auffällige Spiralmuster auf, das die Trefferwahrscheinlichkeit wenigstens einiger Stücke deutlich erhöht. Nicht weniger beeindruckend die Tiefenwirkung der Projektile, die sich durch viele Schichten von Metall schieben.
Ein Blick in die Zukunft
Am Papier wie auch in der Praxis präsentiert sich die Skyranger-Familie als potentes System. Durch ein lösungsorientiertes Denken konnten bisher so einige besondere Kundenwünsche berücksichtigt werden. Beispielsweise musste der Turm für den Pandur-Aufbau eine ganze Tonne an Gewicht verlieren, wie Oliver Dürr im Militär-Aktuell-Interview verrät.
Im Gespräch mit Entwicklern erfuhren wir, dass auch an weiteren Detail-Verbesserungen – in enger Zusammenarbeit mit den Kunden – gearbeitet wird, wobei oftmals tatsächlich die Grenzen des Möglichen abgesteckt werden. Die Anpassung eines Systems an laufende Entwicklungen im modernen Gefechtsfeld des „Kriegs der Zukunft” bleibt weiterhin eine Herausforderung, die eine stabile Basis auf allen operativen Ebenen benötigt. Mit dem Skyranger-System scheint eine solche Basis geschaffen worden zu sein.
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