Christian Albrecht ist als International Business Development Manager von Sikorsky auch für den österreichischen Markt zuständig. Ein Gespräch über alte und neue Black Hawks, Crash-Sicherheit als höchstes Gut und eine unbemannte Helikopter-Zukunft.

Der Erstflug erfolgte 1974, 2023 wurde die 5.000. Maschine ausgeliefert und die Produktion läuft auf vollen Touren. Herr Albrecht, wie gelingt es Sikorsky, den Black Hawk fit für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu halten?
50 Jahre sind eine lange Zeit, der grundsätzliche Footprint und die Abmessungen haben sich seitdem aber nicht geändert. Natürlich moderner geworden ist das ganze Drumherum – von der Art der Konstruktion und den Materialien bis hin zur Sensorik und der Avionik. Auch die Grundstruktur der Zelle wurde laufend angepasst, die Lebensdauer, Nutzungszyklen und die Crash-Sicherheit sowie die Leistung mit neuen Triebwerken erhöht.
Österreichische Piloten schätzen an den S-70 des Bundesheeres (Anmerkung: Exportversion des UH-60L) vor allem die zuletzt genannten Punkte: die Crash-Sicherheit und die Leistungsreserven, die auch dann zur Verfügung stehen, wenn andere Hubschrauber an ihr Limit kommen.
Das ist der entscheidende Punkt: Leistungsreserven sind immer wichtig – aber vor allem dann, wenn man in anspruchsvollen militärischen Einsätzen voll beladen und mit hoher Geschwindigkeit in den äußeren Enden des Leistungsspektrums operiert. Etwa in großer Höhe oder bei extremen Umgebungsbedingungen. Der Black Hawk hat dann immer noch Reserven, das kann über den Erfolg einer Mission entscheiden. Und das alles bei einer durchschnittlichen Verfügbarkeitsrate von mehr als 92 Prozent – auch dahingehend ist auf das System Verlass.
Ein gravierender Unterschied zur ersten Black Hawk-Generation wird auch bei einem Blick ins Cockpit deutlich. Dort wo früher alles analog war …
… ist heute alles digital und vor allem voll in das Gesamtsystem integriert, bis hin zum 4-Achsen-Autopiloten. Ja, da hat sich viel geändert und die Vorteile sind enorm – alleine wenn man an Brownout- oder Whiteout-Szenarien mit eingeschränkten Sichtbedingungen denkt. Da ist es hilfreich, wenn das Luftfahrzeug über viele Automatisierungen und Hilfssysteme verfügt, die das Personal unterstützen und entlasten. Dahingehend ist die Reise auch ganz sicher noch nicht zu Ende. Da kommen weitere Verbesserungen.
„Leistungsreserven sind immer wichtig – aber vor allem dann, wenn man in anspruchsvollen militärischen Einsätzen voll beladen und mit hoher Geschwindigkeit in den äußeren Enden des Leistungsspektrums operiert. “
Die derzeit modernste Black Hawk-Version ist der UH-60M, der im aktuellen Baulos seit 2023 vom Band läuft.
Bis zum Jahr 2027 sind mehr als 200 Maschinen geplant für die US Army, aber auch für internationale Kunden – die Nachfrage ist anhaltend groß. Das überrascht uns auch nicht: Mit seinen Verbesserungen ist der UH-60M eine Technologiebrücke in Richtung künftiger Hubschraubersysteme (Anmerkung: beispielsweise NATO Next Generation Rotorcraft Capability – NGRC). Die US Army plant den Einsatz bis zumindest in die 2060er-Jahre und bis dahin werden viele weitere Updates und Modernisierungen einfließen: weiter leistungsgesteigerte Triebwerke, Verbesserungen bei der Avionik, zusätzliche digitale Flugsteuerungselemente …
… und die Möglichkeit, das Muster autonom zu betreiben?
Wir haben bereits vor zwei Jahren mit der US Army einen Black Hawk als Technologieträger mit der benötigten Sensorik und Flugsteuerung als OPV (optionally-piloted vehicle) autonom fliegen lassen. Aktuell sind wir dabei, das System weiter zu erproben und später zu zertifizieren.

Ist die OPV-Version auch in bestehende Muster einrüstbar?
Ja, das ist möglich. Die Technologie erlaubt teilautonome bis hin zu vollständig autonomen Flügen. Der Helikopter kann dann unbemannt festgelegte Zielpunkte anfliegen oder Routen abfliegen, Hindernissen ausweichen und vieles mehr. Wir sehen darin ein enormes Aufwuchspotenzial.
Das Bundesheer hat aktuell neun Black Hawks, demnächst sollen drei weitere gebrauchte zulaufen und zwölf neue UH-60M beschafft werden (-> eine zweite Black Hawk-Staffel für das Bundesheer) – einen Vertrag gibt es dafür aber noch nicht. Droht das Bundesheer angesichts der erwähnten „hohen Nachfrage” am Ende möglicherweise mit leeren Händen dazustehen?
Das ist eine Abstimmungsfrage zwischen den Regierungen. Österreich bestellt via Foreign Military Sales bei der US-Regierung und die dann wiederum bei uns. Wir stellen dann die Fertigungskapazitäten zur Verfügung.
Die Slowakei hat Ende der 2010er-Jahre neue UH-60M bekommen, musste diese zuletzt aber unter anderem mit einer Rettungswinde und einem „Fast-Rope”-System nachrüsten, um die Helikopter für die NATO Readiness Initiative zu qualifizieren. Sind diese Ausrüstungen mittlerweile Standard?
Es gibt eine umfangreiche – auch öffentlich einsehbare – Liste an verfügbaren, bereits zertifizierten und einsatzgeprüften Einrüstungen, Ausstattungen sowie Missionsequipment, aus der Besteller auswählen können. Das Angebot reicht von Rettungswinden über Lasthaken bis hin zu Bewaffnungsoptionen. Im konkreten Fall war es nicht Teil der ursprünglichen Konfiguration, konnte aber problemlos nachgerüstet werden.
Lassen sich im Falle Österreichs neue UH-60M auch mit der bestehenden Black Hawk-Werft servicieren?
Die M-Version ist vom Aufbau und den Abmessungen her prinzipiell mit der beim Bundesheer eingeführten Black Hawk-Version ident. Dementsprechend braucht es keine neue Werft, sondern nur neue Werkzeuge und Diagnosesysteme. Und für das Personal eine Delta-Schulung, weil sich gewisse Abläufe geändert haben, etwa beim Auslesen von Daten. Der Aufwand ist aber überschaubar.
Abschließend: Welche Entwicklungsmöglichkeiten sieht man bei Sikorsky für den Black Hawk über das Thema OPV hinaus? Sind Loyal Wingmen ähnlich wie bei Kampfjets denkbar?
Die Themen Sensorik und digitale Flugsteuerung bis hin zu OPV werden immer wichtiger, um die Besatzung zu entlasten. Und ja, auch Manned-Unmanned-Teaming gehört zu den Bereichen, mit denen wir den Black Hawk weiter aufwerten und fit für die Zukunft machen wollen.
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