Dmitry Shkrebets ist der Vater eines vermissten Seemanns. Sein Sohn, Jegor Shkrebets, war am 13. April 2022 an Bord des Lenkwaffenkreuzers „Moskwa” und gilt seither als verschollen. Für das offizielle Russland nahm das Schiff weder an der sogenannten SVO (militärische Spezialoperation in der Ukraine, -> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) teil, noch wurde es von ukrainischen Raketen getroffen. Es geriet stattdessen in Brand und sank im Sturm.
Doch Dmitry Shkrebets ist überzeugt: Die „Moskwa” hätte in ihrem Zustand nie auslaufen dürfen. Der Einsatzbefehl stand in keinem Verhältnis zur Gefahr, in die sich das Schiff begab.
Drei Jahre nach dem Tod seines Sohnes und dem Untergang des Schiffes im Schwarzen Meer – und nach einem verlorenen Verfahren gegen den russischen Staat – veröffentlichte Dmitry Shkrebets nun ein dramatisches, 146 Seiten starkes Dossier.

Die letzte Reise des Kreuzers „Moskwa“
Dmitry Shkrebets betont, dass er keinen Zugang zu geheimen Dokumenten hatte. Dennoch habe er Fehlinformationen „ausgesiebt”, indem er sämtliche Informationen aus unterschiedlichen Quellen überprüft habe.
Sein Dossier beginnt mit der Geschichte und Technik der Moskwa. Er bittet, diesen Teil nicht zu überspringen, denn erst aus dem Gesamtbild werde der Zustand des Schiffes ersichtlich.
Am 30. Jänner 1983 wurde der Projekt-1164-Kreuzer für die UdSSR als „Slawa” in Dienst gestellt. Am 21. März 1991 ging er zur Werftüberholung. Am 16. Mai 1996 wurde der Kreuzer dann in „Moskwa” umbenannt und im August 1999 erneut in Dienst gestellt. Trotz eines über achtjährigen Werftaufenthalts wurden nur dringende Reparaturen, aber keine umfassende Modernisierung durchgeführt.
2016 fehlte es wie so oft an Geld. Das Schiff lag mit stark reduzierter Mannschaft – nur 64 statt 500 Matrosen – angedockt im Hafen. Es diente Wehrpflichtigen als Wohn- und Schulschiff: Exerzierdienst, Wachdienst, Reinigungsdienst.
2020 wurde es wieder in Dienst gestellt. Doch die Decks auf dem Kreuzer waren an einigen Stellen so stark verrottet, dass eine 250-Liter-Teigrührmaschine durch das Deck auf den darunterliegenden Generator fiel. Transformatoren wurden mit improvisierten Mitteln gestützt, damit sie nicht auf den Stromkabeln hingen. Es folgten dringende Reparaturen an Propellern, Wellen, Getrieben und Generatoren sowie Schweißarbeiten, um verrottetes Metall zu ersetzen.
Wieder wurde kein einziges Waffensystem modernisiert. Das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte verfügte auch über keine elektromagnetischen Kampfführungssysteme neuerer Generation.

Veraltet, verrostet, kaputt
Das modernste Element der funkelektronischen Anlagen war ein Zielerfassungssystem namens Korvet aus dem Jahr 2008. Der Rest der Geräte befand sich auf dem technischen Stand der Sowjetunion der 1960er- und 1970er-Jahre. Viele davon waren defekt oder nur eingeschränkt einsetzbar.
Die Hauptbewaffnung des Schiffes bestand aus 16 Werfern für Wulkan P-1000-Antischiffsraketen. Deren Produktion wurde bereits 1982 eingestellt. In den Behältern befanden sich jedoch nur vier Raketen. Und obwohl diese seit dem 19. April 2021 jährlich hätten entladen und überprüft werden müssen, ist dies nicht geschehen. Die Vorbereitung für einen Abschuss solcher Raketen dauert Stunden – ob die überlagerten Raketen überhaupt noch starten würden, wusste niemand.
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Das primäre Langstrecken-Flugabwehrsystem S-300F Fort (mit 48 bis 64 Raketen) wies bereits seit 2009 schwerwiegende Funktionsstörungen auf. Zudem hatten beide Werfer des OSA-MA-Mittelstrecken-Flugabwehrsystems Fehlfunktionen und die AK-130-Bordkanone war aufgrund von Hydraulikproblemen nur eingeschränkt steuerbar. Von den sechs AK-630-Kanonen war die Nummer 1 am Vorschiff defekt, die restlichen fünf waren immerhin funktionsfähig.

Dmitry Shkrebets setzt die Liste der reparaturbedürftigen Anlagen im Bereich Antrieb und Mechanik fort: Vier der sechs Schiffsturbinentriebwerke hatten ihre vorgesehene Lebensdauer bereits überschritten – bei zwei davon war der Betrieb nur in Notfällen zulässig. Auch diverse Kessel, Kompressoren und Kühlpumpen waren wartungsbedürftig und die Rudermaschine arbeitete bei Ausschlägen von mehr als 20 Grad Steuerbord mit einer Verzögerung von 15 Sekunden.
Diese Daten hat Shkrebets eindeutig dem Bericht von Kapitän Anton Kuprin vom 10. Februar 2022 entnommen.
Mit Wehrpflichtigen im Einsatz gegen die Ukraine
Ein weiterer Hauptkritikpunkt von Dmitry Shkrebets ist die Zusammensetzung der Mannschaft. Am 10. Februar 2022 bestand diese aus 511 Mann Besatzung, davon waren 247 Wehrpflichtige – einer davon sein Sohn Jegor.
Und obwohl der russische Präsident Wladimir Putin Wehrpflichtige von der Teilnahme an der SVO ausgenommen hatte, nahm der Kreuzer „Moskwa”, dessen Besatzung ben zu rund 50 Prozent aus Wehrpflichtigen bestand, dennoch an der SVO teil.

24. Februar 2022
Am Tag von Russlands Angriff auf die Ukraine, wird das Schiff um Mitternacht in Kampfbereitschaft versetzt. Es befindet sich zu diesem Zeitpunkt 238 Kilometer südlich von Odessa und 135 Kilometer südöstlich der Schlangeninsel.
Um 09.08 Uhr dann der Einsatzbefehl: Sofortige Aufnahme von Feindseligkeiten. Um 15.20 Uhr wird ein Oberflächenkontakt im Bereich der Schlangeninsel ausgemacht. Das lokalisierte Schiff evakuiert Zivilisten von der Insel – die „Moskwa” lässt sie ziehen.
Um 16.00 Uhr gibt der Kommandant dann den Befehl, eine AK-630-Kanone auf der Backbordseite feuerbereit zu machen. Die „Moskwa” feuert um 16.05 Uhr eine Salve von 100 Schuss 30-Millimeter-Granaten über die Insel und fordert deren Besatzung auf, sich zu ergeben.
Das Schiff patrouilliert in der Folge rund zwei Wochen lang auf einer Wachlinie auf Höhe der Schlangeninsel und fährt dabei wiederholt in ukrainische Hoheitsgewässer (12-Meilen-Zone) ein. Am 9. März kommt das Schiff dann im Hafen von Sewastopol an.

Die letzte Fahrt der „Moskwa“
Am 10. April 2022 gegen 14.00 Uhr sticht die „Moskwa” dann ein letztes Mal in See. Dmitry Shkrebets beklagt in seinem Dossier abermals, dass vom Tag des Einlaufens am 9. März bis zum 10. April 2022 keine Entscheidung des Kommandos getroffen wurde, die Wehrpflichtigen von Bord zu nehmen und durch Vertragssoldaten zu ersetzen.
Zudem kritisiert Shkrebets den Einsatzbefehl für die „Moskwa”. Denn das Schiff wird entsandt, um das Gasfeld Odessa zu bewachen. Da durch eine „Geste des guten Willens” inzwischen ein Getreidekorridor besteht, die Ukraine keine Kriegsschiffe mehr besitzt und die Fracht von Schiffen in Istanbul überprüft wird, sieht er keinen Grund mehr für eine Seeblockade.

Dmitry Shkrebets bewertet das Gasfeld Odessa weder als strategisch noch als wirtschaftlich bedeutsam. Die Krim könne seit 2015 durch eine Pipeline über die Meerenge von Kertsch mit Gas versorgt werden und die Kapazität des Gasfeldes Odessa seien gegenüber den Festlandkapazitäten Russlands wie ein Sandkorn am Meer. Für Dmitry Shkrebets ist der Auftrag, dieses Gasfeld zu schützen, daher ein „lächerlicher Wahnsinn”.
Und das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte ist bei der Ausführung seines Auftrags allein. Es hat keine Deckung oder Unterstützung durch andere militärische Einheiten mit modernerer Sensorik und Bewaffnung. Die „Moskwa” wird nur von der BSF „Epron” begleitet – einem 63 Jahre alten Rettungsschiff.
Auftrag mit zu großem Risiko?
Dmitry Shkrebets zählt aus offenen Quellen Informationen auf, die sowohl den russischen Befehlshabern als auch den Ukrainern bekannt gewesen sein mussten.
So gab es im gleichen Zeitraum Medienberichte, wonach der britische Premierminister Boris Johnson der Ukraine Harpoon-Antischiffsraketen übergab, um Odessa vor einer möglichen russischen Invasion zu schützen. Shkrebets glaubt, dass die Ukraine am 13. April 2022 über Harpoon-Raketen verfügte und diese an der Küste von Odessa hätte einsetzen können. Fraglich ist jedoch, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits geliefert und einsatzbereit waren.
Ganz anders stellt sich die Sachlage bei der ukrainischen Antischiffsrakete R-360 Neptun dar. Diese war seit Mitte 2010 in Entwicklung. Shkrebets zählt vier Tests zwischen 2016 und 2019 auf, sowie den ukrainischen Erlass von 2020, die Neptun in den Dienst zu stellen, die erste Lieferung im Jahr 2021 und deren Vorführung bei einer Parade im selben Jahr.

Öffentlich bekannt war auch, dass die Ukraine damals bereits ISR-Unterstützung erhielt. Shkrebets schreibt: „Selbst die Gehörlosen wissen, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine Geheimdienstinformationen zur Verfügung gestellt haben – und weiterhin zur Verfügung stellen. Und im April 2022 hätten die Befehlshaber des Verteidigungsministeriums, der Armee und der Marine davon wissen müssen!”
Immerhin hätten sich auch russische Staatsmedien darüber beklagt, dass „nicht nur die Ukraine gegen Russland kämpft, sondern der gesamte NATO-Block einen hybriden Krieg gegen Russland führe”. Shkrebets liefert zum Beweis ein Satellitenfoto von Maxar der „Moskwa” und erwähnt, dass am 13. April eine RQ-4 Global Hawk-Aufklärungsdrohne über dem Schwarzen Meer operierte.

13. April 2022
Am 12. und 13. April werden auf der „Moskwa” Notfallübungen durchgeführt. Die gesamte Besatzung trainiert Verhalten und Maßnahmen für das Überleben im Schadensfall.
Für 14.00 Uhr ist in der Kantine eine Abschlussbesprechung angesetzt, an der fast die gesamte Crew teilnehmen soll. Doch die Kantinencrew hatte keine Zeit, das Geschirr rechtzeitig abzuwaschen und wegzuräumen – und das erweist sich als Glück im Unglück, denn um 14.20 Uhr schlägt genau dort die erste Rakete ein.
Shkrebets zählt auf Grundlage von Augenzeugenberichten die Ereignisse auf. Demnach waren sich die Offiziere der „Moskwa” offenbar sehr wohl der Gefahr bewusst, die von den Neptun-Raketen ausging. Sie schätzten die Entfernung, auf die Raketen entdeckt werden können, auf sieben bis acht Kilometer. Am 13. April 2022 jedoch wurden die Raketen erst in nur vier Kilometern Entfernung beim Anflug auf das Schiff entdeckt – nur 15 Sekunden vor dem Einschlag.

Shkrebets vermutet, dass von der Ukraine vier Raketen abgefeuert wurden, da der Neptun-Starter über vier Raketen verfügt. Es gibt jedenfalls zwei bestätigte Treffer auf dem Schiff (-> Wie es zu den Neptun-Treffern auf der „Moskwa” kam). Es wird vermutet, dass eine dritte Rakete am Schiff vorbeiflog. Über eine vierte existieren keine Aufzeichnungen.
Die Einschläge erfolgten auf der Backbordseite (links in Fahrtrichtung), etwa 3 bis 3,5 Meter über der Wasserlinie.
Der erste Treffer ist zugleich der folgenreichste: Die Rakete schlägt in der Mitte des Kreuzers ein. In Abteilung 8 befinden sich die Kombüse und der Speisesaal. Direkt darunter liegen der Maschinenraum (in den Abteilungen 7, 8, 9 und 10), die Energieversorgung und die Verteilung.
Die zweite Rakete trifft das Schiff am Heck, auf Höhe der Abteilungen 12 und 13. Dort befinden sich die Torpedo-Starter sowie die Raketen des Flugabwehrsystems S-300F.

Am Oberdeck werden die Einschläge nicht als Explosionen, sondern als zwei starke und ohrenbetäubende Knallgeräusche wahrgenommen. Im Inneren des Schiffs sind die Explosionen dagegen deutlich zu hören.
Überlebende aus der Nähe der Epizentren berichten hingegen, keine Explosion gehört zu haben. Einer von ihnen, der sich zum Zeitpunkt des Einschlags in der Kombüse und im Speisesaal aufhielt, beschrieb es so: „Ein Feuerschwall kam hereingeschossen – ich habe die Explosion nicht einmal gehört.”
„Es wäre treffender zu sagen, dass die offizielle Version der Zerstörung des Kreuzers ‚Moskwa‘ nicht falsch, sondern unvollständig ist.“
Dmitry Shkrebets
Schwere Schäden
Die Folgen der Einschläge sind für das alte Schiff katastrophal. Shkrebets nimmt an, dass ein jüngeres Schiff die Explosionen besser hätte verkraften können. Die 39 Jahre alte „Moskwa” jedoch erleidet Risse in den Rumpfstrukturen und Decks, Einstürze von Gängen und Plattformen. Schotten, Luken und Türen sind zerstört oder blockiert, weil sie sich durch die Druckeinwirkung verzogen haben.
In Richtung des Offiziersbereichs lässt sich die Tür nicht mehr versiegeln – sie ist aus den Angeln gesprengt. Nur der Hauptkorridor auf der Backbordseite kann noch abgeriegelt werden. Speisesaal und Kombüse sind abgeschnitten, die Zugänge blockiert. Die Gangways im Maschinenraum sind bis zur Steuerbordseite abgerissen. Die Stromversorgung ist ausgefallen, es gibt keine Beleuchtung.

Feuer und Rauch
An den Einschlagstellen der Raketen brechen Brände aus. Der Brand am Heck kann zwar gelöscht werden. In den Abteilungen 7 und 8 entwickelt sich das Feuer hingegen zu einem Großbrand, der den gesamten Mittelteil des Schiffes erfasst.
Da Luken und Türen durch die Verformung der Schiffsstrukturen undicht sind, breitet sich dichter Rauch praktisch ungehindert im gesamten Schiff aus.
Die Decks sind an mehreren Stellen von durchgehenden Rissen und Brüchen durchzogen. Daher sind sie nicht mehr luftdicht und können das Eindringen von Rauch in alle Richtungen nicht wirksam verhindern.
Dies erschwert der Besatzung nicht nur die Orientierung, sondern beeinträchtigt auch massiv die Atmung. Die Wohndecks des Schiffes sind über die gesamte Länge durchgängig, was zusätzlich zu einer schnellen Ausbreitung von Feuer und Rauch im Inneren beiträgt.
Überlebende beschreiben den Rauch als sehr dicht, schwer und schwarz – er habe große „Flocken” aus Ruß enthalten.
Schadensbekämpfung
Der Kapitän befiehlt der Besatzung, Verteidigungslinien an den Grenzen der wasserdichten Schotten (Notabteilungsschotten) zu errichten. Er erteilt den Befehl, die Munitionsabteile zu fluten. Die Anlage funktioniert jedoch nur teilweise. Einige Feuerstellen werden mit Löschketten und Eimern bekämpft.
Eine Evakuierung der Besatzungsmitglieder aus dem Maschinenraum und der Energieversorgung gelingt nicht. Das Schiff wird gestoppt, die Matrosen erhalten den Befehl, das Schiff durch die Bullaugen zu verlassen. Zur Rettung werden Rettungsinseln herabgelassen. Von den 35 Männern, die aus dem Maschinenraum ins Meer springen, gelingt es, 30 wieder an Bord zu bringen. Fünf von ihnen ertrinken im nur 9 Grad kalten Wasser.
Atemschutzgerät und Schutzausrüstung
An Bord des Schiffs gab es drei Typen von Atemschutzgeräten. Das Personal in den Maschinenräumen trug ein tragbares Atemschutzgerät, das in der Lage ist,
– unter schwerer körperlicher Belastung für 7 Minuten,
– bei normaler Belastung für 15 Minuten,
– und in Ruhezustand für 60 Minuten
schädliche Verunreinigungen aus der Luft zu filtern.

Es gibt außerdem Gasmasken mit wechselbaren Patronen. Diese befinden sich in werksseitig versiegelten Kisten. Etwa 30 Prozent der Gasmaskenbehälter erweisen sich als leer. Die jüngsten Patronen stammen aus dem Jahr 1984 – mit einer garantierten Haltbarkeit von sieben Jahren ab Herstellung. Shkrebets interviewte einen Fähnrich, der berichtete, dass nur noch eine von drei der Maske beigelegten Patronen funktionierte.
Die schwerste Schutzausrüstung an Bord sind Feuerschutzanzüge, die für 90 Minuten Schutz bieten. Es gibt davon zwölf Stück, aber nur vier – jene in der vorderen Notfallgruppe des Schiffes – sind überhaupt zugänglich.
Evakuierung und Bergeversuch
Um 15.30 Uhr wird der Befehl zur Evakuierung des Personals gegeben, das nicht mit der Schadensbekämpfung beschäftigt ist. Die Rettungsinseln werden herabgelassen.
Um 19.56 Uhr werden 256 Mann vom Kreuzer auf die Schiffe „Admiral Makarov”, „Admiral Essen” und das Rettungsschiff „Epron” übernommen.
Um 20.25 Uhr beginnt die Fregatte „Admiral Essen” mit dem Abschleppen des Schiffes. Der Kreuzer „Moskwa” liegt zu diesem Zeitpunkt an Backbord bereits tief im Wasser.
Um 21.38 Uhr meldet der Kommandant der Gruppe dem Befehlshaber der Schwarzmeerflotte, dass sich nur noch etwa 80 Mann der Einsatzkräfte zur Schadensbekämpfung an Bord der „Moskwa” befinden.
Nach 22.00 Uhr verschlechtern sich die Überlebenschancen des Schiffes rapide. Der Brand mittschiffs breitet sich weiter aus, erreicht ein Magazin einer AK-630-Kanone, worauf die 30-Millimeter-Munition explodiert. Es droht die Detonation der vier großen Wulkan P-1000-Raketen, der 130-Millimeter-Artilleriemunition und der Torpedos.
Um 22.43 Uhr sendet der Kommandant seine Lagebeurteilung an den Befehlshaber der Schwarzmeerflotte. Dieser befiehlt um 22.45 Uhr, den Kampf um das Überleben des Schiffes einzustellen und die „Moskwa” zu verlassen. Um 23.38 Uhr ist die Evakuierung abgeschlossen.
Der Untergang der „Moskwa“
In der Nacht vom 13. auf den 14. April treibt die „Moskwa” ohne Besatzung auf dem Schwarzen Meer. Am Morgen überfliegt ein Hubschrauber das Schiff und berichtet von weiteren Explosionen.
Es wird beschlossen, einen erneuten Abschleppversuch zu unternehmen. Die 210 Kilometer nach Sewastopol könnten bei 20 Knoten Fahrt binnen sechs Stunden bewältigt werden –
doch der Schleppverband schafft nur zwei Knoten. Mit dieser Geschwindigkeit würde die Fahrt zweieinhalb Tage dauern.
Am 14. April 2022 kentert die „Moskwa” auf die Backbordseite und sinkt über das Heck.
Die Projekt-1164-Kreuzer sind so konzipiert, dass sie im Falle einer Überflutung von drei beliebigen benachbarten Abteilungen – mit Ausnahme der Maschinenräume – unsinkbar sein sollen.
Shkrebets vermutet daher, dass sich beim Raketeneinschlag irgendwo im Rumpf unterhalb der Wasserlinie ein Riss gebildet hat, ähnlich dem, der auf der Backbordseite gut sichtbar entstanden ist.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2022 starb am 13. April ein Soldat bei der Brandbekämpfung auf dem Raketenkreuzer „Moskwa”. Weitere 27 Menschen gelten als vermisst, 396 Besatzungsmitglieder wurden gerettet.
Die Diskrepanz zwischen den 511 Besatzungsmitgliedern vom 10. Februar 2022 und den 424 vom 13. April 2022 klärt auch das Shkrebets-Dossier nicht. Ebenso wenig geht Dmitry Shkrebets ins Detail, was den Verbleib oder die letzte Sichtung der Vermissten betrifft.
Shkrebets: „Ich kenne ein paar dieser Geschichten über diejenigen, die im letzten Moment ihres Lebens gesehen wurden – aber ich werde auch darüber schweigen.”