Der Schock über das eskalierende Streitgespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und ukrainischem Präsident Wolodymyr Selenskyj sitzt weltweit tief. Anstatt vor der Unterzeichnung des geplanten Rohstoffabkommens diplomatisch aufzutreten, zeigten sich Trump und sein Vize James David Vance als vermeintliche Unterstützer von Russlands Präsident Wladimir Putin und stellten Selenskyj öffentlich bloß. Auch für die NATO könnte dieser Disput gravierende Folgen haben.

Wer die Auseinandersetzung zwischen Trump und Selenskyj als einen rein persönlichen Machtkampf abtut, übersieht die Zeichen der Zeit. Bereits in den Wochen zuvor ließ der US-Präsident kaum Gelegenheiten aus, seinen ukrainischen Gegenüber in Misskredit zu bringen – bei jeder sich bietenden Gelegenheit attackierte er Selenskyj verbal. Und als es dann im Oval Office richtig zur Sache ging, drängten Trump und Vance den ukrainischen Staatschef wie junge Rabauken an den Rand, wobei selbst sein Kleidungsstil Ziel spöttischer Bemerkungen wurde. Trotz allem behielt Selenskyj erstaunlich lange die Fassung.

Was dann folgte, war auf diplomatischer Bühne beispiellos. Selenskyj versuchte sich zu wehren, wurde jedoch von Trump und Vance immer wieder in die Schranken gewiesen. Trump schien das Spektakel fast zu genießen, freute sich am Ende über „gute Bilder für das Fernsehen” und demonstrierte damit, dass ihn die große Politik längst nicht mehr interessiere. Vielleicht noch nie interessiert hat? Für ihn zählt einzig das Geschäft – und die Ukraine scheint aus seiner Perspektive ein „undankbares Gegenüber” zu sein, dass schon noch zur Vernunft kommen wird, wenn die US-Unterstützung in den kommenden Tagen und Wochen ausbleibt.

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Der Rohstoffdeal blieb infolgedessen ohne Unterschrift. Die im Anschluss an das Treffen im Oval Office geplante Pressekonferenz wurde abgesagt, Selenskyj reiste ab. Während im Kreml wohl die Sektkorken geknallt haben, dürfte die Stimmung unter den europäischen Staats- und Regierungschefs ganz anderer Natur gewesen sein. Trump hatte schließlich nicht nur Selenskyj öffentlich bloßgestellt, sondern damit auch an den Grundfesten der seit Jahrzehnten etablierten und gelebten transatlantischen Allianz gerüttelt.

Welchen Wert hat die Partnerschaft noch, wenn ein US-Präsident Bündnisse nach Belieben in Frage stellt und seine Unterstützung an Rohstoffdeals sowie andere geschäftliche Vorteile knüpft? Ein US-Präsident, der sich offen auf die Seite Moskaus stellt, untergräbt zudem die Glaubwürdigkeit des gesamten sicherheitspolitischen Bündnisses und destabilisiert das strategische Gefüge, das Europa seit Jahrzehnten vor aggressiven Expansionsbestrebungen geschützt hat.

Neue Regierung will weiter ins Bundesheer investieren

Europa muss daher endlich seine eigene Verteidigungsfähigkeit massiv stärken und unabhängige Sicherheitsstrukturen aufbauen. Andernfalls riskieren wir, dass am Ende der bevorstehenden globalen Machtverschiebungen der Kontinent kaum wiederzuerkennen sein wird. Mit jeder weiteren Provokation wird das Ende der NATO, wie wir sie kennen, greifbarer – wobei sich schon jetzt die Frage stellt, ob das Militärbündnis drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) überhaupt noch zu retten sein wird.

Quelle©Jannik auf Unsplash