Auf einer Nebenbühne der Weltgeschichte gelang einem früheren Adjutanten Napoleons bei La Souffel gerade das, was seinem Mentor, Vorbild und Kaiser verwehrt blieb: ein Sieg über (numerisch überlegene) alliierte Truppen. Dieser Sieg von General Jean Rapp, der aus dem oberelsässischen Colmar stammte, blieb letztlich politisch bedeutungslos, zeigte aber, was die napoleonischen Soldaten unter geschickter Führung immer noch zu leisten imstande waren.
Als Napoleon nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf Elba die Macht in Frankreich an sich reißen konnte, traf er die strategische Entscheidung, schnell gegen die bedrohlichste alliierte Kräftekonzentration vorzugehen: Die Truppen von Wellington und Blücher in Belgien. Er wartete nicht den weiteren Wiederaufbau der französischen Streitkräfte ab, sondern konzentrierte seine besten Kräfte in der Nordarmee unter seinem persönlichen Kommando: 128.000 Mann, die fast alle Veteranen früherer Feldzüge waren. In Frankreich verblieben einige zehntausend Mann an Linientruppen und Nationalgarden, die auf viele größere und kleinere Garnisonen und Depots verstreut waren. Die bedeutendste Reserve unterstand Marschall Nicholas Davout. Er hatte in seiner Dreifachfunktion als Kriegsminister, Kommandeur der Nationalgarde und Gouverneur von Paris 20.000 Mann unter seinem direkten Kommando.
Demgegenüber nahmen sich die schönfärberisch „Armeen” genannten Verbände, die an den Grenzen Frankreichs den Anmarsch der Alliierten beobachten, verzögern und abwehren sollten, relativ bescheiden aus. Tatsächlich hatten diese Armeen eher Korpsstärke, teils nur Divisionsstärke, manchmal nicht einmal das. So sollte General Lamarque mit der „Armée de l´Ouest” (10.000 Mann) in der Vendée (Westfrankreich) einen Aufstand bourbonisch gesinnter Insurgenten niederschlagen. General Lecourbe deckte mit der „Armée du Jura” (8.400 Mann) die Burgundische Pforte und die Schweizer Grenze.
Zur Sicherung der Pyrenäenpässe waren zwei Formationen abgestellt: die 6.800 Mann starke „Armée des Pyrenees Occidentales” unter General Clausel und die 7.600 Mann starke „Armée des Pyrenees Orientales” unter General Decaen. Marschall Brune stand mit der 5.500 Mann starken „Armée du Var” an der Riviera. Marschall Suchet sollte die Alpenpässe sichern und einem erwarteten Angriff der Alliierten auf Lyon begegnen. Dafür stand ihm die 23.500 Mann starke „Armée des Alpes” zur Verfügung.
Größte Bedrohung war jedoch die aus Truppen des österreichischen Kaisers und der süddeutschen Fürsten gebildete Armee des Fürsten Schwarzenberg, die über 200.000 Mann zählte. Ihren Vorstoß über den Rhein sollte die im Elsass stehende „Armée du Rhin” aufhalten (und gleichzeitig noch die wichtige Waffenfabrikationsstätte Klingenthal sichern). Sie zählte zwischen 23.000 und 24.000 Mann und wurde von verdienten Kommandeuren geführt, an deren Spitze Jean Rapp stand.
Rapp war am 27. April 1771 als Sohn eines Colmarer Stadtdieners geboren und hatte eine beeindruckende militärische Karriere hinter sich. Vielfach verwundet – in Warschau wollte man ihm 1806 den durch eine Kugel schwer blessierten Arm amputieren, Rapp lehnte das ab – hatte er auch eine Zeitlang als „Aide-de-camp” (= Adjutant) Napoleons gedient. Mit dem vollen Vertrauen Napoleons und Ortskenntnis (sowie beiden Armen) machte er sich an seinen Auftrag. Die Reorganisation der Nationalgarde im Elsass war einem Verwandten Rapps aus Colmar, dem General Jean-Jacques Kessel, übertragen worden. Einer von Rapps unterstellten Generälen war der 1769 im lothringischen Phalsbourg (Pfalzburg) geborene Henri Rottembourg, der sich vom einfachen Soldaten bis zum General emporgedient hatte. Er diente einige Jahre in der kaiserlichen Garde, wurde in die „Légion d’honneur” aufgenommen. 1811 erreichte er den Rang eines Brigadegenerals – er war der erste französische General jüdischen Glaubens.
Rapp hielt es nicht in der Festungsstadt Straßburg, er marschierte nach Norden, Es gelang ihm, Kontakt mit der französischen Festung Landau herzustellen, die von „General de Brigade” Michael Geither (einem Pfälzer) umsichtig verteidigt wurde. Bei einem Gefecht nahm „Chef d´Escadron” Wilhelm von Türckheim (Sohn eines Elsässer Adligen und der früheren Verlobten Goethes, Lili Schönemann) den bayrischen Vorposten bei Godramstein gefangen. Rapp durchzog die Gegend um Weißenburg, als Befehle seines soeben bei Waterloo geschlagenen Kaisers eintrafen. Napoleon beorderte Rapp, schnellstens mit seinen Truppen auf Paris zu marschieren, allerdings konnten die Alliierten zwischenzeitlich Nancy besetzen und so Rapp den Marschweg abschneiden, der mit seinen Truppen in Straßburg und Umgebung blieb.
Untätig war er deshalb nicht, Vorstöße bis zur Lauter und darüber hinaus wurden unternommen, allerdings führte Rapp diese Manöver nur mit der Kavallerie (eine leichte Kavalleriedivision unter Comte Christophe Antoine Merlin) und den drei Liniendivisionen unter seinem Kommando aus, die ausschließlich aus Elsässern gebildete Division der Nationalgarde (sechs Bataillone mit insgesamt 3.000 Mann unter dem Elsässer General Sigismond Frédéric de Berckheim) blieb als Bedeckung von Colmar im Oberelsass. Die Franzosen lieferten den Alliierten mehrere Rückzugsgefechte im nördlichen Unterelsass, Rapp bezog eine Stellung bei Brumath, die er aber aufgab. Er rückte wieder näher an Straßburg heran.
Für den Ablauf der Kämpfe beim namensgebenden Flüsschen La Souffel gibt es eine Primärquelle: die nur wenige Jahre danach (1823) erschienenen Memoiren von General Rapp. Stellenweise mit Vorsicht zu genießen, beschreiben sie aber wie Rapp gegen überlegene Feindkräfte durch Schwerpunktbildung und gezielten Einsatz der Reserven zum Erfolg kommen konnte, ganz im Sinne und nach der Manier seines kaiserlichen Mentors.
Seinen drei Divisionen gegenüber standen am 28. Juni 1815 die drei Divisionen des Württemberger Korps (eine aus Württemberg, eine aus Österreich, eine aus Hessen-Darmstadt), die vom Kronprinzen Württembergs, Prinz Friedrich Wilhelm Karl, kommandiert wurden. Die Kopfstärke der alliierten Divisionen war erheblich höher, auch waren sie stärker mit Artillerie versehen. Rapp bezog mit rund 20.000 Mann rund 40.000 alliierten Soldaten gegenüber Position.
Rapp stellte seine 15. Division (General dieser Division war der vorher erwähnte Henri Rottembourg) so auf, dass ihre rechte Flanke sich an den Fluss Ill anlehnte, das Zentrum Hoenheim deckte und die linke Flanke bei Souffelweyersheim stand. Es schloss sich westlich die 16. Division („General de Division” Joseph Jean-Baptiste Albert) bei Lampertheim, Mundolsheim und Hausbergen an. Von Molsheim rückte in Kolonnen die 17. Division („General de Division” Charles Grandjean) an, mit dabei waren zwei Regimenter Kavallerie. Zwei weitere Kavallerieregimenter standen als Reserve (bei Bischheim) hinter der 15. Division.
Die Schlacht begann mit Attacken der Alliierten gegen Lampertheim, das von einem Bataillon des französischen 10. leichten Regiments gehalten wurde. Gegen erdrückende feindliche Übermacht musste sich das Bataillon zurückziehen und ging bis Mundolsheim zurück. Die Alliierten gingen von Norden (die Straße von Brumath entlang) und von Nordosten (die Straße von Bischwiller entlang) vor, das operative Ziel war es, die 15. und die 16. Division voneinander zu trennen um die weiter westlich stehende 16. Division dann aufzureiben.
Der Angriff des 32. Linienregiments verschaffte der Armee Rapps etwas Luft, General Rottemboug konnte seinen linken Flügel zurücknehmen. Als dann das französische 36. Linienregiment von Souffelweyersheim abrückte, um das bedrängte 10. leichte Regiment zu unterstützen, drangen österreichische Truppen in das Dorf ein. In den wechselhaften Manövern rund um Souffelweyersheim bot die österreichische Division eine ungesicherte Flanke, das war die Gelegenheit, auf die Rapp gewartet hatte. Er befahl seiner Kavalleriereserve, dem 11. Dragonerregiment und dem 7. Chasseur-a-cheval-Regiment den Angriff. Er selbst ritt die Attacke an der Spitze mit. Die alliierte Kavallerie wurde geworfen, der nachfolgende Kolonnenstoß des 32. französischen Linienregiments brachte die Front der Alliierten ins Wanken, die sich zurückzogen. Die Verluste der Franzosen beliefen sich auf 510 Tote und rund 2.500 Verwundete (nach einer anderen Quelle nur auf rund 750 Mann), bei den Alliierten soll es Verluste von insgesamt 2.100 Toten und Verwundeten gegeben haben.
Ausnutzen konnte Rapp seinen taktischen Erfolg nicht, die Württemberger verbrannten als Repressalie Souffelweyersheim, dessen Einwohnern vorgeworfen wurde, sie hätten die alliierten Soldaten beschossen. Der Kronprinz (ab 1816 als Wilhelm I. zweiter König Württembergs) ließ den Bürgermeister Souffelweyersheims, George Schaeffer, nebst 17 weiteren Bürgern festnehmen und unter demselben Vorwurf zum Tode durch Erschießung verurteilen. Er ließ aber davon ab, als der evangelische Pfarrer von Vendenheim, Pastor Philipp Friedrich Dannenberger, um Gnade für seine katholischen Landsleute bat. Dannenberger wurde für seine Intervention später von der französischen Krone zum Ritter der Ehrenlegion erhoben. Das Württemberger Korps zog ab, um durch das badisch-österreichische Korps unter dem Kommando von Fürst Friedrich Franz Xaver von Hohenzollern-Hechingen abgelöst zu werden. Am 24. Juli schloss Rapp mit Fürst Hohenzollern einen Waffenstillstand, nachdem Nachrichten von der Besetzung der Hauptstadt Paris durch preußische Truppen eintrafen. Seine Soldaten lehnten eine Demobilisation ab, da sie fürchteten, ausstehenden Sold nicht mehr zu erhalten. Sie meuterten (unblutig) unter der Führung eines Unteroffiziers, gaben dann aber klein bei. Am 1. Oktober 1815 zogen die letzten Soldaten Napoleons aus Straßburg ab.
In die Gunst des Bourbonenherrschers Louis XVIII war auch Rapp bald wieder aufgenommen, der Deputierter des Oberelsass wurde und zeitweise das Hofamt eines Kammerherren und „Maître de la Garde-robe” bekleidete. Rapp verstarb am 8. November 1821 im badischen Rheinweiler an Magenkrebs, im gleichen Jahr wie sein Mentor und Gönner Napoleon Bonaparte, dessen Todesursache höchstwahrscheinlich auch diese tückische Krankheit war.