Unsere fünf Fragen gehen diesmal an Alexandre Thily – Senior Vice President für Globalen Vertrieb & Marketing der Raumfahrtdivision bei Safran Electronics & Defense. Wir haben mit dem Experten für Raumfahrttechnologie über die europäische Raumfahrtindustrie, Weltraumschrott und das NewSpace-Paradigma gesprochen.
Herr Thuy, welche Rolle spielt Safran derzeit im europäischen Raumfahrtprogramm – insbesondere im Hinblick auf Trägerraketen wie die Ariane 6?
Safran ist ein zentraler industrieller Akteur in den europäischen Raumfahrtprogrammen – sowohl als Ausrüster als auch durch die Beteiligung an dem Joint Venture Ariane Group mit Airbus. Das Unternehmen dient der europäischen Souveränität – sei es beim Zugang zum Weltraum oder bei Satellitenprogrammen.
Konkret liefert Safran als Ausrüster essenzielle technologische Komponenten und Schlüsseltechnologie für die Ariane 6, darunter das Trägheitsnavigationssystem, Telemetrieeinheiten an Bord sowie Ventile für Stufen und Triebwerke. Zu den wichtigsten Stärken zählen eine robuste Lieferkette, hochwertige Ausrüstung, technologische Innovationskraft und betriebliche Verbesserungen, um Produktionsrhythmus und Hochlauf zu steigern.
Peter Filzmaier über Sicherheit, Wahrnehmung und militärische Kommunikation
Welche technologischen Durchbrüche halten Sie für entscheidend für die nächste Generation von Trägersystemen?
In unserer Rolle als Ausrüster ist ein zentrales Element für Wiederverwendbarkeit die Implementierung des Autonomen Flugabbruchsystems (AFTS). Es gewährleistet die Sicherheit des Flugs und aller Stufen während der gesamten Mission, senkt zugleich die Betriebskosten der Startbasis erheblich und ermöglicht kürzere Vorbereitungszeiten zwischen Starts.
Darüber hinaus arbeiten wir aktiv mit mehreren Unternehmen weltweit zusammen, die Trägerraketen für Satelliten entwickeln – sowohl kleinere Anbieter als auch solche, die an sehr großen Systemen arbeiten. In diesem zusätzlichen Geschäftsfeld hat sich unser NewSpace-Ansatz in Bezug auf Instrumentierung und Navigation als äußerst zuverlässig und präzise erwiesen – bei gleichzeitig attraktiver Kostenstruktur.
„Weltraumschrott stellt eine systemische Bedrohung dar.“
Wie bewertet Safran die zukünftige Rolle des Weltraums im Spannungsfeld zwischen ziviler Nutzung, Verteidigung und Sicherheit – insbesondere angesichts wachsender Bedrohungen durch Weltraumschrott?
Der Weltraum war schon immer ein inhärent dual genutzter Bereich – mit sowohl zivilen als auch militärischen Anwendungen. Die bedeutendsten jüngeren Veränderungen liegen in seiner Transformation zum Operationsraum für militärische Aktivitäten, der zunehmenden Zahl an Objekten in der Umlaufbahn sowie der Verschärfung durch Weltraumschrott.
Zivile und militärische Infrastrukturen im All – etwa GNSS, Telekommunikation oder Erdbeobachtung – sind kritische Bestandteile nationaler und militärischer Sicherheitsarchitekturen. Diese Abhängigkeit bringt eine hohe industrielle Verantwortung mit sich: für die Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit orbitaler Operationen.
Konkret bedeutet das: Weltraumschrott stellt eine systemische Bedrohung dar. Die ESA und andere europäische Akteure verfolgen eine „Zero Debris”-Strategie, setzen auf verbessertes Weltraumlagebild (Space Situational Awareness) und eine strengere Regulierung. Die Industrie muss Maßnahmen wie gezieltes Deorbiting (gezieltes Verglühen eines ausgedienten Satelliten) und Passivierung (Entschärfung von Restenergiequellen nach Missionsende) aktiv in ihre Systeme integrieren.
Gezielte Bedrohungen orbitaler Infrastruktur – etwa durch Störungen bei Navigation, Kommunikation oder Beobachtung – erfordern robuste Lösungen. Dazu gehören: redundante Systemarchitekturen, widerstandsfähiges Design, Wiederherstellungsfähigkeit sowie verbesserte Überwachung von Weltraumlage und Spektrum, um feindlichen Manövern vorzubeugen oder zu begegnen.
Der kommerzielle Weltraummarkt wächst rasant. Wo sieht Safran die größten Chancen?
Als Ausrüster liefert Safran vorrangig Schlüsseltechnologien für Satelliten und Bodensegmente, darunter Trägheitsnavigationssysteme und Telemetrieeinheiten. Darüber hinaus bieten wir fortschrittliche Weltraumüberwachungsdienste an und spielen eine zentrale Rolle bei der Beobachtung des Raumverkehrs und der Sicherung orbitaler Operationen.
Das NewSpace-Paradigma eröffnet neue Chancen: schnellere, kostengünstigere und skalierbare Raumfahrtprojekte – mit einer „akzeptablen Risikoabwägung” statt teurer Null-Fehler-Strategien. Besonders spannend ist für uns der Bereich der hochfrequenten Erdbeobachtung, der neue Downstream-Dienste ermöglicht und zugleich die Nachfrage nach intelligenter, leistungsfähiger Ausrüstung antreibt.
Angesichts zunehmender globaler Spannungen wächst der Bedarf an krisenfesten, souveränen Raumfahrtlösungen: neue Navigationssignale, staatliche Kommunikationskonstellationen, vernetzte Satellitensysteme – all das sind konkrete, unmittelbare Anforderungen. Gleichzeitig bleibt der Weltraum unersetzlich als Beobachtungsplattform für Klimaüberwachung, Meteorologie und Katastrophenfrüherkennung.
ACE Aeronautics: „Wir sind Full-Service-Anbieter für den Black Hawk“
In welchen Anwendungsbereichen wie beispielsweise kommerzielle Kommunikation und militärische Weltraumoperationen sieht Safran den größten Kundennutzen für seine satellitengestützten Überwachungs- und Analysesysteme WeTrack und LYNKS-Orbital?
Durch seine innovativen Lösungen ermöglicht Safran Space seinen Kunden ein präzises Lagebild von Satelliten im Orbit sowie detaillierte Einblicke in Kommunikationsvorgänge über das gesamte elektromagnetische Spektrum hinweg – in allen Umlaufbahnhöhen, von LEO über GEO bis hin zum Deep Space. Die WeTrack-Lösung bietet sowohl militärischen als auch zivilen Anwendern im Bereich Space Situational und Domain Awareness (SSA/SDA) erhebliche operationelle Vorteile: Sie ermöglicht hochpräzises Tracking, Echtzeit-Orbitbestimmung und die Erkennung von Anomalien bei aktiven Satelliten. Diese Funktionen sind entscheidend, um die staatliche Souveränität zu stärken, die Sicherheit von Weltraumressourcen zu gewährleisten und die Kontinuität von Missionen sicherzustellen.
Militärische Weltraumoperationen profitieren von Bedrohungserkennung und Frühwarnfähigkeiten durch ein Netzwerk funkwellenbasierter Antennen, das Redundanz und globale Abdeckung bietet. Dies ermöglicht eine unterbrechungsfreie Überwachung aktiver Satelliten, unterstützt eine defensive Weltraumlageerfassung und verbessert die Entscheidungsfindung in umkämpften Einsatzgebieten.

Im Bereich der kommerziellen Kommunikation helfen unsere Systeme, das Management von Satellitenkonstellationen zu optimieren, indem sie präzise Bahndaten und prädiktive Analysen liefern. Diese ermöglichen effiziente Ausweichmanöver zur Kollisionsvermeidung und eine bessere Verwaltung der Satellitenlebensdauer. Darüber hinaus unterstützen diese Technologien die regulatorische Konformität und Koordination zwischen Satellitenbetreibern, indem sie standardisierte Datensätze und Analysen für Konjunktionsanalysen und Risikominderung bereitstellen.
WeTrack und LYNKS kombinieren fortschrittliche Sensorfusion, hochpräzise Tracking-Algorithmen und robuste Datenanalysen, um entscheidende Erkenntnisse zu liefern, die Sicherheit, Schutz und Effizienz von Satellitenoperationen in kommerziellen wie militärischen Anwendungen verbessern. Beide Lösungen – entweder als globaler Service (WeTrack) oder als in einem Gastland bereitgestellte Infrastruktur zur souveränen Nutzung (LYNKS-Orbital) – sind seit fast einem Jahrzehnt im Einsatz bei militärischen und zivilen Behörden. Heute gelten sie als hochvertrauliche Quellen entscheidungsrelevanter Daten im Weltraumkontext.
Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.









