Nach dem Abschuss eines Luftfahrzeugs über Konstantinowka (Oblast Donezk, Ukraine) Samstag kurz vor mittag reklamierte diesen zunächst die ukrainische Seite (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) für sich – es soll sich um eine russische Su-25 gehandelt haben, die zuvor Kramatorsk bombardiert hat. Sehr schnell wurde jedoch klar, dass es sich nicht um eine russische Su-25 und auch nicht um einen Erfolg der ukrainischen Fliegerabwehr gehandelt hatte.
Die inzwischen umfangreich publizierten Bilder und Videos belegen vielmehr, dass es sich bei dem abgeschossenen Luftfahrzeug um einen Prototyp der schweren Angriffsdrohne Suchoi S-70 Okhotnik-B (C-70 „Охотник”, -> Suchoi enthüllte den Prototypen der neuen Stealth-Drohne erste Ende 2021) handelt.
Videos zeigen, dass die riesige Stealth-Drohne in großer Höhe offenbar von einem Begleitflugzeug abgeschossen wurde. Russische Blogger und Militärjournalisten gehen daher davon aus, dass der Abschuss aus russischer Sicht notwendig wurde, da sich die Drohne auf falschem Kurs befand und außer Kontrolle geraten war. So sollte verhindert werden, dass die Technologie in feindliche Hände gerät. Allerdings: Das Wrack schlug rund 20 Kilometer westlich von Bakhmut auf von der Ukraine gehaltenem Territorium auf.
Um welche Flugzeugtype es sich beim schießenden Flugzeug handelte, ist vorerst noch unklar. Da Okhotnik aber für den gemeinsamen Einsatz mit dem russischen Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug Suchoi Su-57 (NATO Code Felon) vorgesehen ist, wäre diese Type naheliegend.

Okhotnik, der „Jäger”
Der Erste von bislang vier Prototypen der schweren Angriffsdrohne Okhotnik wurde 2018 fertiggestellt und hatte am 27. September 2019 Erstflug. Die Entwicklung bei Sukhoi lief seit 2012. Der Nurflügler ist geschätzt etwa 14 Meter lang und hat eine Spannweite von rund 19 Meter. Bei einem Startgewicht von etwa 20 Tonnen können in einem Waffenschacht Raketen und Bomben mit einem Gesamtgewicht von zwei Tonnen mitgeführt werden. Die Reichweite der mit einem Jet-Triebwerk angetriebenen Drohne soll rund 6.000 Kilometer betragen.
Die, laut russischen Quellen, fortschrittlichen Steuerungs- und Kommunikationssysteme ermöglichen die Interaktion mit bemannten Kampfjets, erwähnt wurden die Jäger Su-30SM2 und Su-57.
Insbesondere das Duo Suchoi Su-57 und Suchoi S-70 Okhotnik-B gilt im Zusammenspiel als Hoffnungsträger der russischen Luftwaffe, es soll gemeinsam sehr effektiv gegnerische Luftverteidigungssysteme durchbrechen können. In der Rolle des „treuen Flügelmanns” soll die Drohne im gegnerischen Luftraum Aufklärung durchführen, Ziele markieren und auch selbst in der Lage sein, Ziele mit hochpräzisen Waffen zu bekämpfen.
Gebaut wird die Drohne in den W.P. Tschkalow-Flugzeugwerken in Nowosibirsk (NAPO). Dort soll die Serienproduktion aktuellen Berichten zufolge in diesem Halbjahr angelaufen sein.
Auswertung der Trümmer
Da die Trümmer der Drohne auf ukrainisches Gebiet fielen, werden diese wohl schon bald von westlichen Experten intensiv unter die Lupe genommen. Und wenn man bekannte Arbeiten im Zuge von Flugunfalluntersuchungen berücksichtigt, dann ist klar, dass mit entsprechend hohem Aufwand auch aus diesen Schrottteilen wertvolle Erkenntnisse über den Stand der russischen Militärluftfahrttechnik gewonnen werden können.
Russische Blogger schreiben „Sie werden es bis auf die kleinste Schraube zerlegen und sich natürlich mit dem reichhaltigen Inhalt vertraut machen.” Die Markierung auf dem Wrack lautet „C-70-4”, was darauf schließen lässt, dass es die jüngste der bislang vier gefertigten Okhotnik-Drohnen ist.
Was der Drohne letztlich zum Verhängnis wurde ist aktuell noch unbekannt. Eine schwere technische Fehlfunktion ist ebenso denkbar wie elektronische Störmaßnahmen von ukrainischer Seite gegen die Signale, die zwischen dem Führungsflugzeug und der Drohne ausgetauscht werden, in Verbindung mit GNSS-Spoofing um der Drohne eine falsche Position vorzuspielen und sie zum Flug in eine falsche Richtung zu motivieren.
Da Flüge der Okhotnik über der Ukraine als eine Art „Fronterprobung” seit 2023 dokumentiert sind, bestand zumindest theoretisch die Möglichkeit Steuersignale abzufangen und diese auszuwerten. Offizielle Statements beider Seiten fehlen bislang.
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