Im Spätmittelalter war das Elsaß eine von Unruhen und Umwälzungen geprägte Region. Daran trugen die einheimischen Adligen, die ständig Fehden vom Zaun brachen, ebenso Schuld wie die große Politik, wie Hagen Seehase in seinem neuen Buch „Ritter, Räuber, arme Gecken; Das Elsaß im Spätmittelalter 1350 – 1500” schreibt.
Das Elsaß, heute die östlichste Provinz Frankreichs, die sich von der Pfälzer Grenze im Norden bis zur Schweizer Grenze im Süden, vom Vogesenhauptkamm im Westen bis zum Rhein im Osten erstreckt, ist eine der geschichtsträchtigen Regionen mit einer einmaligen Landschaft, die durch Burgen und Abteien, Patrizierhäuser und Kirchen beziehungsweise deren Ruinen geprägt ist. Diese steinernen Zeugen einer wechselvollen und ruhmreichen Vergangenheit künden von unruhigen Zeiten, in denen Ritter, Räuber und „arme Gecken” die Geschichte des Landes bestimmten. Eine Rolle spielten natürlich auch Bischöfe, Pröbste, Grafen, Schultheißen, Müllersburschen, Geschützmeister und Spielleute, die oft genug in kriegsähnliche Situationen gerieten oder skurrile Erlebnisse ihren Lauf nahmen wie bei der Schlacht von Sempach oder dem Buchsweiler Weiberkrieg.
Durch die lebendigen und sachkundigen Schilderungen der wichtigsten geschichtlichen Ereignisse, erlebt man beim Lesen des reichhaltig bebilderten Bandes die kriegerischen und friedlichen Auseinandersetzungen der einstigen Akteure und fühlt sich ins Mittelalter zurückversetzt. Für besonders interessierte Leser, die das manchmal unglaubliche Geschehen vor Ort erkunden wollen, hält das Buch auch zwei Tourenvorschläge in die Historie des einzigartigen Landstriches bereit.
Der Titel „Ritter, Räuber, arme Gecken; Das Elsaß im Spätmittelalter 1350 – 1500” ist als gebundene Ausgabe (234 Seiten) beim Buchverlag König erschienen und unter der ISBN: 978-3943210200 erhältlich.
Leseprobe
Jakob von Lichtenberg, der sich aus der Politik stets zurückgehalten hatte, verursachte nun einen handfesten Skandal. Vor dem Tod seiner Frau oder kurz danach war eine junge Dame einfacher Herkunft – man spricht davon, der Vater sei Bauer gewesen – auf die Burg Lichtenberg gekommen: zunächst als Dienstmagd. Die Dame, 1430 geboren, war jung, sehr hübsch, charmant – so sah es jedenfalls Graf Jakob – und sehr ehrgeizig. Sie hieß Barbara von Ottenheim, genannt die „Schöne Bärbel”. Nach dem Tode Gräfin Walburgas wurde sie des Grafen Geliebte und spielte sich gegenüber den Dienstleuten und dem ganzen gräflichen Haushalt in der Wasserburg Schloss Buchsweiler als Herrin auf. Der verliebte Jakob ließ es ihr durchgehen. Die örtliche Bevölkerung jedoch nicht: nachdem Bärbel sie mit abverlangten Frondiensten traktiert hatte, griffen die Leute aus Buchsweiler 1462 zu den Waffen.
Bärbel hatte den Bogen überspannt: wöchentlich mussten zwei Tage Frondienste geleistet werden, den armen Bauern wurde nicht einmal Essen dabei gereicht. Auf Widerrede stand der Arrest, den Leuten wurde es zu bunt, man schickte eine kleine Mission zum Grafen, die Beschwerden vorzutragen. Der hörte sich alles an, dann entließ er die Abgesandten wieder und es änderte sich nichts. Daraufhin besetzten die Leute aus Buchsweiler ein Stadttor mit sechs Bewaffneten. Alle übrigen Männer zogen aus der Stadt hinaus, einige gingen zur Burg Lichtenberg, dem Grafen Ludwig ihre Beschwerden vorzutragen. Bärbel meinte nun, die zurückgebliebenen Frauen und Kinder zum Verlassen der Stadt nötigen zu können. Das taten die aber nicht. Auf den Befehl des Amtmannes des Grafen Jakob kam in jedem Haus nur eine abschlägige Antwort. Als dann die „Schöne Bärbel” den Schlosswächtern befahl, die Weiber und Kinder aus der Stadt zu werfen, erlebten diese eine echte Überraschung. Die Frauen der Stadt hatten sich mit Heugabeln, Spießen, Äxten, Bratspießen und Hämmern bewaffnet und trieben die Schlossmannschaft zurück.
Inzwischen kam nun auch Graf Ludwig mit Bewaffneten heran und aus der Stadt Straßburg erschienen ebenfalls Reiter. Die Stadt war bald in der Hand Ludwigs, um das Schloss wurde ein regelrechter Belagerungsring gezogen. Tief gekränkt von der Haltung seines Bruders wollte Graf Jakob seinen Bruder nun enterben. Das wollte der natürlich nicht, andererseits wollte er auch nicht die Leute Buchsweilers der Willkür der „Schönen Bärbel” ausliefern. Es kam durch die Vermittlung der Ochsensteiner und der Fleckensteiner sowie einiger Straßburger Amtspersonen ein Kompromiss zustande: alle Untertanen Jakobs sollten schwören, Graf Ludwig als Herren anzuerkennen, falls Jakob vor ihm stürbe. Barbara wurde ausgewiesen. Aus der Verbannung nach Speyer holte sie aber Jakob schnell zurück. Sie nahm schließlich im Stephansfelder Hof in Hagenau Wohnsitz, wo sie an einen gewissen Advokat Eucharius verheiratet wurde.
Über den Autor
Hagen Seehase wurde 1965 geboren und ist als Lehrer des höheren Lehramtes und im Schuldienst in Niedersachsen beschäftigt. Nach seinem Wehrdienst bei den Panzergrenadieren studierte er in Braunschweig Geschichte und Germanistik. Freiberuflich arbeitet er als Auto für verschiedene kultur- und militärgeschichtliche Zeitschriften (auch Militär Aktuell) und veröffentlichte fünf Bücher zur schottischen historie. Für den Erfolgsband „Die Highlander – Band 1” wurde er mit dem „Diploma of Honour” der „St. Andrews Association des Order of St. Andrew” ausgezeichnet.
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