Der lose Zusammenschluss von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) erregte zuletzt mit der Aufnahme gleich mehrerer Länder große Aufmerksamkeit. Die Gruppe wird damit als politischer und wirtschaftlicher Gegenentwurf zu den G7 dargestellt, was jedoch übertrieben ist. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.
Im kommenden Jahr werden Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Argentinien, Ägypten und Äthiopien von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in ihre BRICS-Runde aufgenommen. Damit entsteht ein Wirtschaftsraum, in dem knapp die Hälfte der Weltbevölkerung lebt und 37 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden. Im Vergleich dazu fallen die sieben stärksten Industrienationen (G7) mit etwa 30 Prozent deutlich ab. Doch das ist Zahlenspielerei, denn es fragt sich, wie stark diese lose Vereinigung tatsächlich ist und was sie bewirken kann.
Vielen Staaten gemein ist die Unzufriedenheit mit der bestehenden Weltordnung und der Dominanz der USA. Auch das globale Finanzsystem mit Weltbank, Internationalem Währungsfonds und dem SWIFT-Zahlungssystem ist vielen ein Dorn im Auge. Der kleinste gemeinsame Nenner ist vermutlich die angestrebte Entkoppelung vom US-Dollar als internationaler Leitwährung. So drängt Brasiliens Staatschef Lula da Silva den bilateralen Handel in den jeweiligen Landeswährungen abzuwickeln. Das stärkt vor allem Chinas Renminbi als Zahlungsmittel und spielt Peking in die Hände, das in BRICS ein weiteres Forum sieht, um seinen Einfluss auszubauen.
„Mit der Aufnahme von Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien, VAE und Argentinien wird BRICS immer
heterogener.“
Wladimir Putins Russland ist mittlerweile jedes Format willkommen, um der zunehmenden Isolation zu entkommen und den USA entgegenzutreten. Der wirtschaftliche Nutzen ist gering, Öl, Gas und Waffen werden ohnehin bilateral gehandelt. Indiens Teilnahme lässt vermuten, dass es den geopolitischen Kontrahenten China in Schach halten und seine eigene Bedeutung, auch gegenüber den USA, heben möchte. Südafrika fühlt sich vermutlich geehrt, im Kreis der Großen dabei zu sein. Es macht dabei einen außenpolitischen Spagat, indem es mit Russland und China flirtet, ohne die USA zu sehr zu vergraulen. Mit Saudi-Arabien und den VAE stoßen zwei finanzkräftige Länder dazu, die nach außen- und verteidigungspolitischen Alternativen zu den USA suchen. Durch ihre Beiträge wird die BRICS-Entwicklungsbank in Shanghai mehr Kredite vergeben können. Dennoch bleibt ihr Potenzial weit hinter der Weltbank.
Das BRICS-Format wird vermehrt zu einem Sammelbecken von antiwestlichen und unzufriedenen Staaten, jedoch ohne klare Struktur und Strategie. Die weitere Bedeutung von BRICS+ (neue Bezeichnung) wird davon abhängen, wie stark der innere Zusammenhalt ist, wie die Teilnehmer auf die Dominanz Chinas reagieren und welche Angebote gerade Ländern des globalen Südens gemacht werden können.
BRICS stellt damit noch keine echte Konkurrenz für die G7 dar. Eher im Gegenteil: Mit der Aufnahme von Nachbarländern wie Ägypten und Äthiopien, Iran und Saudi-Arabien oder Argentinien, deren Beziehungen angespannt oder sogar feindlich sind, wird BRICS immer heterogener. Das lässt keine besondere außenpolitische Schlagkraft erwarten. Allerdings nimmt das politische Gewicht mit jeder Neuaufnahme zu, was in internationalen Organisationen wie der UNO von großer Bedeutung sein kann. Gerade Europa wäre daher gut beraten, den Kontakt zu den BRICS-Ländern zu intensivieren und sich als Partner auf Augenhöhe zu präsentieren und nicht als Feindbild zu dienen.