Tourniquets sind wieder ein Thema: Sie retten beim Verkehrsunfall, am Berg oder bei militärischen Konflikten Leben – wenn man weiß, wie sie zu verwenden sind und auf die richtige Wahl setzt. Um eine Orientierung am Markt zu erhalten, ließen wir drei Experten von Critical Knowledge gängige „TQs” für das Ranger Magazin (made by Militär Aktuell) nach ihrer Praktikabilität testen.
Tourniquets begleiten die Menschheit seit Tausenden von Jahren. Einer der ältesten Nachweise ist in indischen Aufzeichnungen von vor mehr als 2.500 Jahren belegt. Seither finden wir Abbindesysteme, die starken Blutverlust bei schweren Verletzungen von Extremitäten verhindern sollen, bis in die 1970er- und 1980er-Jahre in nahezu jedem zivilen und vor allem militärischen Szenario. In den Jahren nach dem Vietnamkrieg entwickelte sich allerdings ein Disput, ob eine Anwendung für die breite Masse der Soldaten sowie der Bevölkerung Fluch oder Segen sei. Folgeschäden wurden bei falscher Indikation befürchtet und so brachte erst etwa zehn Jahre später die Auswertung von Einsätzen von US-Spezialkräften die Erkenntnis: Tourniquets müssen wieder im Einsatz bereitstehen, so wie auch heute in der Ukraine. In den vergangenen Jahren zieht nun auch die zivile Medizin nach.
Funktion und Anwendung

Wie genau funktioniert ein Tourniquet? Ein Extremitäten-Tourniquet, auch Aderpresse genannt, ist ein Abbinde-System mit dem Zweck, den venösen und vor allem arteriellen Blutstrom in der betroffenen Extremität zu unterbinden und somit die Blutung zu stoppen. Das Tourniquet wird so hoch wie möglich oder etwa fünf bis sieben Zentimeter oberhalb einer stark blutenden Wunde angelegt und auf Zug gebracht. Danach wird bei den allermeisten Modellen – in unserem Test alle bis auf das RapidStop-Tourniquet und das SWAT-T-Tourniquet – durch das Drehen des Knebels das verbundene Zugband vermehrt gespannt, sodass der notwendige Druck auf das Gewebe und somit auf die Blutgefäße ausgeübt wird, bis der Blutfluss gestoppt ist. Danach wird der Knebel mit der jeweiligen Aufnahme fixiert, die Überlänge versorgt und die Applikations-Zeit eingetragen.
Die anderen beiden Modelle der Versuchsreihe werden entweder mit einer vorgegebenen Wickeltechnik an die Extremität angebracht (SWAT-T-Tourniquet) oder mit einer mechanischen Zugvorrichtung, welche an den Verschluss von Skischuhen oder -bindungen erinnert, auf die gewünschte Spannung gebracht (RapidStop-Tourniquet).
Nur für Spezialisten?
Da das menschliche Leben das höchste aller in der Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter darstellt, werden in Notfallsituationen auch Laien in Österreich gesetzlich dazu verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Eine Unterlassung dieser stellt einen Straftatbestand dar. Ob die im Rahmen der geleisteten Ersten Hilfe konkret gesetzten Maßnahmen auch eine gesetzliche Deckung finden, oder diese überschießend praktiziert wurden, wird von dem von den Laien vorab erworbenen Wissen und Fertigkeiten abhängig sein.
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Falsche oder exzessive Erste Hilfe können sogar zu mehr Schäden und damit zu einer Haftung führen. Die Wahl des Mittels muss also richtig eingeschätzt und durch ausreichendes Training angewandt werden können. Ohne richtiger Maßnahme, beispielsweise einer Abbindung, kann eine lebensbedrohliche Extremitäten-Blutung innerhalb von fünf Minuten tödlich sein.
Material
Während die alten Römer noch mit primitiven Abbindesystemen aus Leder und Bronze arbeiten mussten, werden für moderne Tourniquets Materialien aus Kunststoff oder Metalle aus der Flugzeugtechnik verwendet. Je nach Anwendungsgebiet gibt es beim Material und Funktionsprinzip sowie bei der Produktgröße Variationen. Wir empfehlen immer, ein zusätzliches Tourniquet für das regelmäßige Training zu erwerben, um das „scharfe“ Tourniquet für den Ernstfall zu schonen.

So haben wir getestet
Der Auftrag an das Team von Critical Knowledge – darunter zivile Notfallsanitäter und Combat Medics – war, für den Laienhelfer wie auch den professionellen Anwender eine Entscheidungshilfe beim Kauf eines Tourniquets zur Anwendung bei Jugendlichen oder Erwachsenen anzubieten.
Wir testeten zehn in Europa erhältliche Tourniquets für euch. Darunter befinden sich Modelle, die vom Committee on Tactical Combat Casualty Care (CoTCCC), dem führenden Netzwerk für die Entwicklung von medizinischen Guidelines, im taktischen Umfeld empfohlen werden (CAT7, TMT, SAM XT, SOF Gen 4), verhältnismäßig junge Entwicklungen (RapidStop-Tourniquet, TQ Dnipro) sowie ein Tourniquet, das bei einem großen Versandhändler sehr günstig erworben wurde (Replika Tourniquet). Zur Transparenz der Hinweis auf einen Test-Bias: Alle Probanden sind seit über einem Jahrzehnt Anwender von CAT- und SOF-Tourniquets in der dienstlichen Verwendung.
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Bis auf ein Tourniquet (TQ Dnipro) wurden alle Modelle privat beschafft. Weil dieses Produkt noch nicht lange auf dem Markt ist, zugleich sich der Vertrieb derzeit noch auf die Ukraine konzentriert, schrieben wir den Hersteller um Testexemplare an, die wir freundlicherweise erhielten. Wir werden uns bemühen, weitere Tests zu Modellen, die primär am US-amerikanischen Markt vertreten und derzeit nur schwer in Europa zu erhalten sind, online nachzuliefern.
Die Versuchsreihe war sehr auf Praxis und nicht so sehr auf laborähnliche Umstände ausgerichtet. Um dennoch objektive Messparameter zu erhalten, wurde der Blutfluss der jeweiligen Extremität mit einem Doppler-Schallgerät gemessen. Mit einem Bewertungsbogen hatten die Probanden außerdem eigenständig Auffälligkeiten der jeweiligen Tourniquets zu dokumentieren.
Für den Kältetest wurden die Tourniquets für 14 Stunden bei –24 Grad Celsius eingefroren und dann getestet. Beim Hitzetest wurden die Tourniquets vor der Anwendung bei 50 Grad Celsius für eine Stunde erwärmt. Die Gebrauchsfähigkeit bei starker Verschmutzung testeten wir wiederum, indem die geöffneten Tourniquets in einem Eimer mit Schlamm getränkt wurden, um sie gleich darauf anzulegen. Die Applikation mit Winterhandschuhen und über dicker Oberbekleidung (lange Unterwäsche, Hose und Pullover, Carinthia HIG 4.0-Jacke und MIG 4.0) sind ebenfalls sehr realitätsnah und durften auch nicht im Test fehlen.
Darüber hinaus erhoben wir die Effizienz bei Selbst- und Fremdanlage, die erforderliche Trainingsintensität des Anwenders sowie den subjektiven Eindruck von Haptik und Gefühl bei der Anlage.
Die getesteten Tourniquets:
- Replika Tourniquet (No-Name-Produkt)
- RapidStop Tourniquet
- CAT Resources Combat Application Gen7 (CAT7)
- Rhino Rescue Gen. 2 Metal Tourniquet
- Combat Medical Tactical Tourniquet (TMT)
- SAM Medical SAM XT Tourniquet
- Tacmed SOF-Tourniquet Gen4
- SICH Tourniquet
- Combat Medical SWAT-T Tourniquet
- TQ Dnipro
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