Großbritanniens Verteidigungsminister John Healey stellte kürzlich angesichts zunehmender Angriffe auf kritische Infrastruktur in der Ostsee Russland die Rute ins Fenster. Doch kann seine Drohung „Russia, we see you” weitere Attacken verhindern? Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.
Die Szenarien sind hinlänglich bekannt: Öltanker oder Frachtschiffe aus Russland und China zerstören scheinbar „unbeabsichtigt” Datenkabel oder Pipelines mittels schleifender Ankerketten. „Wegwerfagenten” sabotieren im Auftrag Moskaus deutsche Autos und legen mit Habeck-Aufklebern eine falsche Fährte. Doch das ist nur ein kleiner Teil des Repertoires, das vor allem Russland in seinem hybriden Kampf gegen den Westen einsetzt.
Hybride Machtprojektion
Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow hat nach der Krim-Annexion 2014 betont, dass neben militärischer Gewalt viele weitere Möglichkeiten zu nutzen sind, um Druck auf Kontrahenten auszuüben. „Hybride Kriegsführung” ist seither in aller Munde, der Kreml demonstriert tagtäglich seine spezifischen Fähigkeiten und Rücksichtslosigkeit.
Als Anfang 2014 auf der Krim „grüne Männchen” in Uniform, jedoch ohne jegliche Identifizierungszeichen, auftauchten, war klar, dass es sich um russische Spezialkräfte handelte. Präsident Wladimir Putin stritt das allerdings ab, um später süffisant zuzugeben, dass es sich selbstverständlich um russische Soldaten gehandelt hat. Mittlerweile erfolgen tagtäglich subversive Angriffe auf Staaten, um sie zu schwächen. Allerdings bleiben die Auftraggeber zum Beispiel von Cyberangriffen oder Wahlbeeinflussungsversuchen gerne im Dunkeln.
„Autokraten wie Putin werden weiterhin alles einsetzen,
was ihren Zielen dient.“Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger
Was kann der Westen dagegen tun?
Ein Angegriffener hat schlechte Karten, da die Aktionen überraschend, in mannigfaltiger Art und Weise sowie unter Missachtung internationaler Regeln und Gepflogenheiten erfolgen. Frei nach dem Motto: „Rücksichtslosigkeit und Ignoranz siegen”. Selbst wenn alles auf den Verursacher hindeutet fehlen letztlich die Beweise. Doch auch dann wäre es höchst unsicher, ob ein hybrider Aggressor vor ein internationales Gericht gebracht oder zu Schadenersatz verpflichtet werden könnte.
Somit bleiben eigentlich nur drei Optionen: sich erstens bestmöglich gegen allfällige Angriffe zu schützen, zweitens mit den gleichen Mitteln zurückzuschlagen sowie drittens den vermutlichen Angreifer international medienwirksam an den Pranger zu stellen.
Wenn neuerdings Schiffe von NATO-Staaten in der Ostsee patrouillieren (Mission „Baltic Sentry”) ist das der Versuch, sich gegen die Zerstörung von Unterwasserkabeln zu schützen. Und die verbale Attacke auf Russland durch Großbritannien zielt in Richtung medialer Brandmarkung („narrative Kampfführung”) und Abschreckung. Aktive Gegenmaßnahmen und Konterattacken bleiben hingegen im Dunkeln. Jedoch ist davon auszugehen, dass zum Beispiel Hackerangriffe auch auf russische Server oder Trollfabriken erfolgen. Destabilisierungsversuche mittels Sympathisanten oder Regierungsgegner haben aber geringe Erfolgsaussichten, da autoritäre Systeme den medialen Raum kontrollieren sowie regierungskritische Stimmen unterdrücken.
Was heißt das für unseren Alltag?
Autokraten wie Putin werden weiterhin alles einsetzen, was ihren Zielen dient. Selbst bei erdrückender Beweislage wird geleugnet – ein erprobtes Verhalten aus Sowjetzeiten. Doch je deutlicher der Spiegel ist, der ihm international vorgehalten wird, je rigoroser angegriffene Staaten ihre Möglichkeiten nutzen, um etwa gegen Kapitäne und Reedereien vorzugehen, und je besser die Möglichkeiten sind, Cyberangriffe abzuwehren und zu erwidern, desto geringer wird der Erfolg hybrider Machtentfaltung sein.
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