Gleich vorweg: Die F-35 von Lockheed Martin ist derzeit das technologisch fortschrittlichste Kampfflugzeug, das auf dem Markt erhältlich ist. Als einziger Stealth-Fighter der 5. Generation kombiniert sie extreme Tarnkappeneigenschaften mit der Fähigkeit, als „Datenstaubsauger” und „Datenschleuder” für verbündete Truppenteile zu fungieren – und trotzdem landet der Jet nun in immer mehr Ländern aus politischen Gründen im Abseits.

Ja, natürlich, die F-35 ist kein klassischer „Dogfighter” – das muss sie aber auch gar nicht sein. Die Zahlen sprechen schließlich für sich:

  • Mehr als 1.000 produzierte Maschinen bislang,
  • 20 bestehende und zukünftige Nutzerländer,
  • bereits erfolgreich im Kampfeinsatz durch die USA und Israel,
  • und bis 2035 dürften bestehenden Verträgen zufolge mehr als 600 F-35 im Bestand europäischer Luftstreitkräfte stehen.

Besonders brisant: Einige dieser Jets sind für die nukleare Teilhabe vorgesehen – unter anderem die von Deutschland bestellten Maschinen. Und trotzdem ist nun alles in Frage gestellt.

©Militär Aktuell

Denn innerhalb weniger Wochen seit der Amtseinführung von Donald Trump haben sich bisher stabile geopolitische Parameter spürbar – und für Europa in den meisten Punkten schmerzhaft – verschoben. Plötzlich fällt dem Joint Strike Fighter (JSF) und Hersteller Lockheed Martin zum Nachteil, dass das Flugzeug aus den USA stammt – ein Problem, das bislang als „Herkunftsnachteil” nur russischen oder chinesischen Modellen angelastet wurde.

Die USA, seit 1945 der westliche Schutzgarant – sei es für die NATO-Verbündeten oder indirekt auch für neutrale Staaten –, sehen sich durch Trumps erratische „Deal”-Außen- und Sicherheitspolitik mit einem transatlantischen Zerwürfnis konfrontiert. Schutzversprechen gelten nun selektiv, nur für zahlungswillige Alliierte, während sich Washington – wie die jüngste UNSC-Resolution zeigt – in vielen politischen Positionen zunehmend Russland annähert (-> Wenn Trump und Putin Risiko spielen).

Ob sich diese Dynamik wieder einpendelt, weiter zuspitzt oder gar eskaliert, bleibt ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die derzeitige Unsicherheit bereits messbare Nachteile für US-Rüstungshersteller mit sich bringt – zum Vorteil europäischer Konkurrenten. Das EU-Weißbuch „Re-Arm Europe” zeigt diesen Trend deutlich auf, selbst wenn europäische Programme wie GCAP und FCAS erst in einigen Jahren einsatzbereit sein werden und noch nicht mit der F-35 konkurrieren können.

Es gibt keinen „Kill Switch“ – oder doch?

Als Reaktion auf zahlreiche Berichte europäischer Medien haben Lockheed Martin sowie mehrere Regierungen, darunter die Schweiz als Käuferstaat, die Vorstellung eines geheimen „Kill Switch” in der F-35 zurückgewiesen. Die Theorie: US-Behörden könnten die Jets aus der Ferne deaktivieren – ein Szenario, das umso fataler wäre, sollte ein (Cyber-) Gegner darauf Zugriff erlangen.

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Doch ein solcher „Schalter” ist gar nicht erforderlich, um ausländische F-35 am Fliegen zu hindern. Bereits ein einseitiger Abbruch des technischen Supports oder die Unterbrechung des laufenden Daten- und Wartungsaustauschs durch die USA würde mittelfristig dasselbe Ergebnis erzielen. Ohne Zugriff auf die zentralen, von den USA kontrollierten Logistik- und Wartungssysteme Alis beziehungsweise Odin, sowie die notwendigen Computernetzwerke, würde jede F-35-Flotte – und allgemein jede hochmoderne US-Waffentechnik – rasch unbrauchbar werden. Selbst kanibalisierte Jets, die notdürftig einsatzfähig blieben, hätten nur noch eingeschränkte Fähigkeiten.

Diese Praxis der gezielten Nutzungsbeschränkung ist keineswegs theoretisch:

  • HIMARS für die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg): Als die USA der Ukraine HIMARS-Systeme und Atacms-Raketen lieferten, begrenzten sie absichtlich deren Reichweite, um Angriffe auf tiefere russische Gebiete zu verhindern. Dies wurde öffentlich als Maßnahme zur Deeskalation gerechtfertigt – bewies aber zugleich, dass die USA volle Kontrolle über die Nutzung ihrer Waffen behalten, selbst nach der Übergabe an einen Verbündeten.
  • Software-Locks und Geofencing: Die USA haben in der Vergangenheit diverse digitale Sperren und Abhängigkeiten in Waffensystemen implementiert, um sicherzustellen, dass diese stets unter Washingtons Kontrolle bleiben.
  • Türkei und die F-35 – vom Partner zum Ausschluss: Obwohl zehn türkische Unternehmen als „Level-3-Partner” vertraglich an der Produktion der F-35 beteiligt waren – mit 817 von 24.000 Zellenbauteilen und 188 von 3.000 Triebwerksteilen – wurde die Türkei wegen des Ankaufs russischer S-400-Lutabwehrsysteme während der ersten Trump-Regierung aus dem F-35-Programm ausgeschlossen. Besonders brisant damals: Ayesas war der exklusive Lieferant von Komponenten und Leiterplattenbaugruppen für das Panorama-Cockpit-Display der F-35. Auch Präsident Erdogan konnte den mittlerweile wiedergewählten US-Präsidenten nicht umstimmen – das F-35-Kapitel bleibt für die Türkei geschlossen.

Angesichts der jüngsten Spannungen im transatlantischen Verhältnis stellt sich für europäische Staaten und NATO-Nutzer von US-Militärtechnik nun eine entscheidende Frage: Was, wenn die USA ähnliche Einschränkungen oder gar einen vollständigen „Shutdown” für zentrale Systeme wie die F-35 verhängen?

Taktische Medizin: In kritischen Momenten richtig handeln

Im Forum des renommierten deutschen Militärblogs Augengeradeaus von Thomas Wiegold heißt es dazu: „Sind die F-35 mit Blick auf ihre Rolle bei der nuklearen Teilhabe nicht ohnehin von zweifelhaftem Nutzen? Diese zehn Milliarden Euro teuren Vögel dürfen erst recht nicht zum Druckmittel eines unberechenbaren amerikanischen Potentaten werden.”

Was passiert, wenn sich europäische NATO-Staaten zu Militäroperationen entschließen, die den geopolitischen Interessen der USA widersprechen? Oder reicht es bereits, Mitglied einer EU zu sein, die – nach Trumps Ansicht – „nur erfunden wurde, um die USA über den Tisch zu ziehen”?

Während einige diese Fragen erst jetzt öffentlich stellen, haben andere längst ihre eigenen Antworten gefunden.

Der „dunkle“ Sheriff wirkt

US-„Deputy”-Präsident J. D. Vance verkündete auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass mit Donald Trump ein neuer „Sheriff” in der Stadt sei. Doch, wie man aus US-Western weiß, kann ein solcher Sheriff auch ein zwielichtiger Gesetzeshüter sein – einer, der seine eigenen Regeln aufstellt oder gar von einem mächtigen Strippenzieher im Hintergrund gesteuert wird. Und diesmal gibt es keinen US-Marshall, der ihn bremst.

Diese neue Realität sorgt auch außerhalb der USA für Unruhe. In der Schweiz etwa machen sich rechtschaffene Steuerzahler Sorgen um ihren Kampfjet-Deal: Sie hatten unter Trumps Vorgänger Joe Biden einen Vertrag über 36 F-35 für einen Fixpreis von knapp vier Milliarden Euro abgeschlossen. Doch nun fürchten sie, dass der neue Sheriff den Deal missachtet oder gar einseitig anpassen will. „A very dishonest deal”, könnte Trump murmeln – und plötzlich eine Nachzahlung für Inflation oder zusätzliche Kosten verlangen.

So sieht es auch die Zürcher SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler-Graf, die sich bereits während der Auswahlphase der F-35 skeptisch äußerte. Sie hält es für naiv zu glauben, dass sich Trumps Administration an bestehende Verträge halten wird: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Trump den US-Steuerzahler für das Schweizer Flugzeug wird aufzahlen lassen.” Er werde wohl behaupten, dass er selbst niemals einen solch „horriblen” Deal abgeschlossen hätte – und entsprechend höhere Zahlungen verlangen.

Die Schweizer Regierung versucht, solche Befürchtungen zu entkräften und verweist auf eine offizielle Klarstellung des Verteidigungsministeriums auf der Informationsplattform swiss-f35.ch.

F-35 mit kanadischen Hoheitszeichen – ©Lockheed Martin

Kanada im Fadenkreuz des „Dealmaker”-Präsidenten

Besonders hart trifft es derzeit Kanada, eigentlich ein enger US-Verbündeter – immerhin sitzt Ottawa mit den USA im NORAD-Luftverteidigungsbunker. Doch Trump behandelt das Nachbarland zunehmend wie einen geopolitischen Gegner. Er verhängt immer neue Strafzölle, die sogar US-Unternehmen treffen, und kokettiert wiederholt mit der Idee, „alles nördlich von Niagara” in den 51. Bundesstaat der USA zu integrieren.

Kein Wunder also, dass die kanadische Regierung nun ihrerseits reagiert: Premierminister Mark Carney ließ am 14. März durch Verteidigungsminister Bill Blair verkünden, dass Ottawa mögliche europäische Alternativen zu den erst 2023 bestellten 88 F-35 prüft. Allerdings hat Kanada bereits für 16 dieser Jets gezahlt, sodass sich die Überlegungen auf eine mögliche Sistierung der restlichen Bestellung beziehen.

Ein möglicher Kandidat wäre Saabs Gripen E, der in der Ausschreibung den zweiten Platz belegte. Allerdings hatte die Royal Canadian Air Force ursprünglich explizit keine zwei verschiedenen Kampfflugzeugmuster gewollt – eine potenzielle Kursänderung, die für weiteres politisches Tauziehen sorgen könnte.

Lissabon sagt klar: „Leider nein“

Wohl niemand wird bereits eingeführte, milliardenschwere F-35 wieder zurückschicken – doch die Entscheidungstrends sprechen eine deutliche Sprache. Nur einen Tag nach der kanadischen Ankündigung, europäische Alternativen zum Lightning II zu prüfen, signalisierte Portugal, dass es ganz auf die Anschaffung des US-Kampfjets verzichten werde.

Portugals Verteidigungsminister Nuno Melo – ©Portugal Government
Portugals Verteidigungsminister Nuno Melo tritt nun entschieden gegen eine F-35-Beschaffung auf.

Dabei galt die F-35 ursprünglich als Favorit der Força Aérea Portuguesa, die traditionell US-Jets wie die F-86, F-5, A-7 oder F-16A/B flog. Doch nun erklärte Verteidigungsminister Nuno Melo gegenüber Público, dass eine Beschaffung zunehmend unwahrscheinlich sei: „Die jüngste Haltung der USA im Rahmen der NATO und des internationalen geostrategischen Plans muss uns dazu veranlassen, über die besten Optionen nachzudenken. Die neue Positionierung des US-Verteidigungsministers und des Präsidenten selbst betrifft auch Europa und Portugal.”

Er verwies insbesondere auf potenzielle Einschränkungen bei Nutzung, Wartung und Ersatzteilen, die durch eine veränderte US-Politik entstehen könnten – und die damit die Einsatzbereitschaft portugiesischer Flugzeuge gefährden würden. Melo betonte daher die Notwendigkeit, europäische Optionen in Betracht zu ziehen, insbesondere jene mit wirtschaftlichem Nutzen für Portugal.

Deutschlands F-35-Beschaffung – ein Fehler?

Für Tom Enders, Ex-Airbus-Chef und heutiger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), ist die Antwort klar: „Niemand braucht eine F-35.” Er hält die deutsche Bestellung für „überflüssig” und kritisiert nicht nur die Anschaffungskosten in zweistelliger Milliardenhöhe, sondern auch die langfristigen Wartungs- und Lebenszykluskosten, die sich auf weitere Milliarden summieren.

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Bereits 2022 sei die Entscheidung ein Fehler gewesen, so Enders. Das zentrale Argument – dass für die nukleare Teilhabe ein US-Flugzeug erforderlich sei – nennt er „an den Haaren herbeigezogen”. Schließlich stelle mit dem Tornado aktuell ein europäisches Flugzeug diese Fähigkeit sicher. Aus Enders ’Sicht hätte man den Eurofighter entsprechend weiterentwickeln können, anstatt sich in eine noch größere Abhängigkeit von den USA zu begeben.

Unter den veränderten geopolitischen Bedingungen würde er die F-35 „als Erstes streichen” – nicht zuletzt, weil Washington weitreichende Zugriffsrechte auf das System besitzt. „Wir sind total abhängig. Dieses System ist mit einer so antieuropäisch gefärbten amerikanischen Regierung ein großes Risiko.”

Die Debatte um Deutschlands F-35-Beschaffung dürfte damit neu an Fahrt gewinnen – gerade angesichts der jüngsten transatlantischen Spannungen.

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Implikationen für Österreichs Eurofighter-Nachfolge

Ähnliche Fragen stellen sich auch in Österreich, wo die Regierung am 11. März in Zeltweg den Startschuss für die Nachfolge der Eurofighter gab. Im Regierungsprogramm wurde festgehalten, dass die Ablöse „sofort zu beginnen” sei – und auch hier stehen Diskussionen um Abhängigkeiten, Zulieferketten und politische Einflussnahme im Raum.

Während Österreichs Neutralität die nukleare Komponente der F-35 von vornherein ausschließt, stellt sich dennoch die Frage, inwiefern US-Bauteile und ITAR-Beschränkungen (International Traffic in Arms Regulations) europäische Kampfflugzeuge beeinflussen könnten. In Online-Foren wird bereits heftig diskutiert: Gibt es überhaupt eine Option ohne US-Abhängigkeit?

Nach aktuellem Stand wäre die Dassault Rafale die am wenigsten betroffene Wahl – aber auch sie bleibt nicht völlig frei von US-Komponenten. Wer maximale Unabhängigkeit sucht, muss also tief in die Lieferketten blicken.

Quelle©Georg Mader, Lockheed Martin, Portugal Government