Die kanadischen Luftstreitkräfte werden in den kommenden Jahren umfassend modernisiert, ausgerechnet jetzt steht das nationale Piloten-Ausbildungsprogramm aber ohne Trainer da. Im Rahmen eines beschleunigten Future Fighter Lead-In Training-Programms soll daher möglichst schnell Ersatz her – aussichtsreichster Kandidat ist der M-346 von Leonardo, an dem bekanntlich auch das Bundesheer Interesse hat.
Vor drei Monaten musste Kanada den Flugbetrieb seiner alternden CT-155 Hawk-Jets der 419th Tactical Fighter Training Squadron der RCAF in Cold Lake, Alberta einstellen. Kanadische Piloten sowie deren Ausbildner müssen seither auf ausgelagerte Ausbildungsprogramme in Finnland, den USA und Italien ausweichen. Betroffen vom Ende der „schwarzen Hawk” ist zudem auch das NATO-Flying Training in Canada (NFTC).
Entscheidung kommt zur Unzeit
Beim 15th Wing in Moose Jaw wurden die Phase II und III des Jet-Piloten-Trainings bereits im Sommer 2023 beendet. „Da die Hawk nach mehr als 20 Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreichte, steht Kanada vor der Herausforderung, zu entscheiden, welches das nächste Jet-Trainer-Modell für Kampfflugzeuge der fünften Generation werden soll”, so Oberst Adam Carlson, Leiter der Ausbildung der RCAF.
Problem dabei: Der Schritt der Übergabe der CT-155 an die Technik als Wartungstrainer und der Verlust eines inländischen Ausbildungsprogramms trifft genau mit der anstehenden Modernisierung der veralteten Kampfflugzeugflotte der RCAF in den nächsten acht Jahren zusammen. So sollen die ersten mit AESA-Radar nachgerüsteten „Interims”-Boeing CF-18 (teils ergänzt mit ebenso alten Hornets aus Australien) in Kürze eintreffen. Und bis 2032 sollen dann 88 F-35A von Lockheed Martin die Flotte komplettieren (-> Auch Kanada setzt auf den F-35). Mit beiden Programmen steigen die Anforderungen an die Ausbildung, die kanadische Kampfpiloten nun aber zumindest für einige Jahre anderswo abdecken müssen.
Diese für die kanadischen Luftstreitkräfte unbefriedigende Situation ist inzwischen offenbar auch „weiter oben” bewusst geworden und nun plant die Beschaffungsbehörde der Regierung in Ottawa (Public Services and Procurement Canada, PSPC), ein beschleunigtes Future Fighter Lead-In Training (FFLIT)-Programm aufzusetzen. Ziel ist es, innerhalb von drei Jahren einen Auftrag über den CT-155-Ersatz, zur Einführung bis 2030 zu vergeben. Das kann nur auf bereits marktverfügbare Typen abzielen.
Leonardo hat auf die absehbare Entwicklung bereits 2021 reagiert und auf der diesjährigen CANSEC-Messe in Ottawa mit der M-345 und der M-346 neuerlich seine beiden Trainingsflugzeuge angeboten – und das übrigens auch in den benachbarten USA. Der andere in einem RFI von 17. Mai adressierte Kandidat ist – wie in den USA bereits entschieden – der von Boeing und Saab hergestellte T-7 Red Hawk. Ob der Neuling aber für eine beschleunigte Beschaffung bis 2030 schon „marktverfügbar” sein wird, bleibt aktuell abzuwarten. Zuletzt machte das Programm nach einigen Rückschlägen jedenfalls einige Fortschritte.
Der M-346 (allerdings in der FA-Fighter Version) und der T-7 sind auch beim Bundesheer als Nachfolger der bereits im Dezember 2020 abgestellten Saab 105OE-Flotte ein Thema. Zudem steht hierzulande auch der L-39NG von Aero Vodochody zur Wahl, eine Entscheidung steht seit Monaten „unmittelbar bevor”.
Zweiphasiger, reformbürokratischer Ansatz
Zurück nach Kanada: Neben der Einführung eines neuen Ansatzes für die Ausbildung von Kampfpiloten erwägt die PSPC-Behörde, das FFLIT-Programm zu nutzen, um ein optimiertes und kollaboratives Modell für die militärische Beschaffung zu initiieren und zu reformieren. Basis dafür soll ein zweiphasiger „Co-Develop-Build-Ansatz” sein, bei dem der Design- und Entwicklungsprozess in zwei Phasen unterteilt werden soll.
In Phase 1 würde PSPC einen einzigen Auftragnehmer auswählen, um in Zusammenarbeit mit dem (eigenen) Programmbüro ein Schulungssystem zu entwerfen. Das FFLIT würde dann in die Ausführungsphase eintreten, wobei der Auftragnehmer allein für die Fertigstellung des genehmigten Entwurfs verantwortlich ist. PSPC könnte den Auftragnehmer jedoch nach Phase 1 fallen lassen, sollte der endgültige Entwurf nicht genehmigt wird. Ein solcher Ansatz soll der Regierung mehr Kontrolle über das Design geben und den Zugriff des Auftragnehmers auf die gesamte Lieferkette brechen. „Kanada plant, die Aufsichts- und Entscheidungsbefugnis bei der gemeinsamen Entwicklung und Auswahl von Subunternehmern zu behalten”, heißt es seitens PSPC-Chef Jean-Yves Duclos.
Dieser Umbruch in der Beschaffungskultur ist als Lehre aus vergangenen, teils endlosen, teils abgebrochenen und dann wieder aufgenommenen Akquisitionen zu verstehen. Hervorzuheben wäre vor diesem Hintergrund beispielsweise die Auftragsvergabe über 16 Airbus C-295 für den Such- und Rettungsdienst (SAR) im Jahr 2016, die bislang immer noch nicht in Dienst gestellt wurden. Oder die Anschaffung von 28 Sikorsky CH-148 Cyclones (S-92) im Jahr 2004, die 20 Jahre später immer noch nicht ihre volle Einsatzfähigkeit erreicht haben.
Simulations-Weltmarktführer im Land
Das neue Modell stellt gewiss eine Herausforderung für eingefahrene Branchenpraktiken dar, wie zum Beispiel die vertikale Integration. Bei diesem Ansatz stellt ein einzelner Auftragnehmer die meisten, wenn nicht sogar alle Systeme bereit, die für eine Gesamttrainingslösung erforderlich sind, einschließlich des Flugzeugs, des Flugsimulators, der Trainingshilfen und des Unterrichts im Klassenzimmer. Kanada hat aber die einzigartige Position, mit CAE den weltweit führenden Anbieter für Luftfahrtausbildungen und -Simulationen im Land zu haben, das Unternehmen bietet umfassende bodengestützte Trainingssysteme an.
Die Trainer-Beschaffung als Versuchsballon
Um auch auf mögliche politische Richtungsänderungen und Änderungen wie Updates und Verbesserungen bei den neuen F-35-Jets vorbereitet zu sein, möchte PSPC die Phase 2-Ausführung des FFLIT-Vertrags strukturieren. Damit soll das Programm „an die sich im Laufe der Zeit ändernde Finanzierung und Anforderungen angepasst” werden können, wie es heißt. Es wird erwartet, dass es Flexibilität und regelmäßige Überprüfungspunkte enthält, um – offenbar erwartete – „Verschiebungen der Regierungsprioritäten, der Finanzierung, der Leistungsergebnisse und Änderungen in den Rollen und dem Betrieb des F-35A-Flugzeugs Rechnung zu tragen”, heißt es im RFI.
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