Südkoreas Verteidigungssektor verzeichnete 2024 mit Exporten im Wert von knapp neun Milliarden Euro und Verkäufen nach Australien, Polen, Rumänien und Saudi-Arabien ein weiteres Rekordjahr. Ein zentrales Projekt der florierenden Luftfahrtindustrie ist der Stealth-Kampfjet der 5. Generation, KF-21 Boramae (koreanisch für „Habicht”), wie Senior Manager und Leiter des Upgrade-Programms Soon-Ryong Jang von Hersteller Korea Aerospace Industries (KAI) im Gespräch mit Militär Aktuell betont.
Ein besonderer Meilenstein: Am 16. April flog erstmals ein ausländischer Pilot in der KF-21 mit – Azan Al-Nuaimi, Kommandant des Air Force Warfare Center der Vereinigten Arabischen Emirate. Begleitet wurde dieser symbolträchtige Schritt von der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens zwischen dem Stabschef der südkoreanischen Luftwaffe (ROKAF), General Lee Young-su, und dem Luftwaffenchef der Vereinigten Arabischen Emirate, Rashed Al Shamsi.
Geht es nach Soon-Ryong Jang, dann könnte der KF-21 auch für das Österreichische Bundesheer von Interesse sein.

Herr Jang, gibt es zum Boramae nun schon einen Beschaffungsvertrag mit dem koreanischen Militär?
Ja, der Vertrag wurde vorigen Juni unterzeichnet. Er markiert den Beginn der Produktion und umfasst die Herstellung von 20 KF-21 sowie die Bereitstellung technischer Handbücher und Ausbildungsprogramme. Boramae wird die alte Flotte von F-5E/F und die 2024 bereits ausgeschiedenen F-4 Phantom ersetzen.
Lässt sich das finanzielle Volumen beziffern?
Ja, wir sprechen hier von rund 1,4 Milliarden US-Dollar (1,3 Milliarden Euro).
Wie weit ist das Muster inzwischen technisch gereift, wie viele Maschinen fliegen bereits?
Aktuell fliegen sechs Stück, und die Piloten der ersten Staffel sind bereits in Ausbildung. Im Block-1 werden wir bis 2026 unsere Luftwaffe mit Jets für Luft-zu-Luft-Missionen beliefern. Ab 2027 wird dann auch Luft-Boden-Munition verifiziert. Block-2 wird daher als Mehrrollenversion ausgeführt, die soll ab 2028 auf die Luftbasen kommen.

Sie sind bei KAI auch Upgrade-Teamleader. Heißt das, es gibt parallel auch schon eine Überarbeitung?
Ja richtig. Das bestehende Design ist „Semi-Stealth”, die Hauptwaffen unter dem Rumpf sind sichtbar. Das wollen wir ändern.
Ist dafür überhaupt genügend Tiefe im Rumpf?
Noch nicht, aber daran arbeiten mein Team und ich nun intensiv (lacht).
Am Modell ist ein IRST-Such- und Zielbeleuchtungsbehälter zu sehen. Handelt es sich dabei um eine Art „Sniper-Pod” oder ist er primär für elektrooptische Aufklärung gedacht? Und stammt der Behälter aus koreanischer Produktion?
Ja, komplett koreanisch entwickelt. Wir stellen sehr hohe Anforderungen an unsere Lieferanten. Der Behälter ist ein leistungsfähiges Zielerfassungssystem, geeignet sowohl für Luft-zu-Luft- als auch Luft-zu-Boden-Operationen. Er bietet Infrarot-Visualisierung und einen Datenlink zu Bodenstationen, über den auch synthetische Radarbilderübertragen werden können.
Die elektronische Selbstverteidigung – ist alles intern verbaut? Keine externen Störbehälter?
Richtig, sämtliche elektronischen Kriegsführungssysteme sowie die Sensoren des Selbstschutzsystems sind in die Flugzeugstruktur integriert. Auch die Störsender befinden sich intern – es gibt keine externen Pods.

Verwendet der KF-21 derzeit GE414-Triebwerke, wie sie auch in der Super Hornet oder im Tejas Mk.2 eingesetzt werden? Bleibt das so?
Ja, aktuell sind F414-Triebwerke von General Electric eingebaut – digital gesteuert und überwacht, wie bei der Super Hornet. Eine Umstellung auf andere Triebwerke ist momentan nicht geplant. Allerdings haben wir General Electric um eine Schubsteigerung gebeten – und sie haben den Schub speziell für unseren KF-21 erhöht.
Und der Jet verfügt auch über eine Bordkanone?
Eine bewährte Waffe: die M61A2 20-Millimeter-Gatling-Gun von General Dynamics.
Ab wann ist der KF-21 dann auch im Export ein Thema?
Das ist jetzt schon ein Thema, wir arbeiten bereits mit verschiedenen Ländern im Nahen Osten, in Afrika und Südasien zusammen.
Wie steht es eigentlich um Indonesien? Ursprünglich war das Projekt doch eine gemeinsame Entwicklung im Verhältnis 80 zu 20 Prozent. Und noch immer prangt die indonesische Flagge auf dem Flugzeug. Sind sie inzwischen ausgestiegen – oder nicht, weil sie ihre Zahlungen eingestellt haben?
Offiziell sind sie nicht ausgestiegen. Theoretisch ist Indonesien weiterhin Teil des Programms. Sie haben auch Mittel für die Entwicklung des KF-21 bereitgestellt – auf Basis eines Regierungsabkommens. Allerdings arbeiten sie derzeit nicht kontinuierlich mit uns zusammen. Das ist vor allem eine politische Frage. Wir hoffen aber weiterhin auf ihre aktive Beteiligung.
Könnte auch Österreich für KAI interessant werden? Das Bundesheer muss in nächster Zeit über die Nachfolge seiner Eurofighter entscheiden und wird sich dabei wohl auch mit dem KF-21 befassen müssen – immerhin ist dieser dann ja in Korea bereits eingeführt und Europa ohnehin im Fokus von KAI, oder?
Das haben wir mitbekommen. Und nur so viel dazu: Wir sind in Europa längst keine Unbekannten mehr. Denken Sie an die FA-50-Kampftrainer in Polen.
Was könnte KAI Österreich anbieten?
Neben einem schon jetzt modernen und zukünftig wohl noch effektiveren Kampfflugzeug können wir auch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal unter den Stealth-Fightern bieten.
Nämlich?
Eine rein europäische Bewaffnung mit Meteor und Iris-T sowie Vorteile bei der logistischen Unterstützung.

Inwiefern?
Die Wartung des KF-21 ist – da bin ich mir sicher – zukunftsweisender als beim Eurofighter Typhoon oder der Rafale, weil sie nahezu vollständig digitalisiert werden kann. Wir bieten künstliche Intelligenz und virtuelle Realität an, auch im Bereich Logistik und Ersatzteilmanagement. Es gibt Online-Überwachungssysteme und eine geplante Wartung, die auf Datenbanken und KI-gestützten Analysen basiert. Dadurch entsteht eine fantastische Logistiklösung – nicht nur für die Pilotenausbildung, sondern auch für die Techniker. Diese können komplett virtuell trainieren.
Das heißt, mit VR-Brillen?
Genau, mit VR-Headsets. Es wird kein echtes Flugzeug benötigt. Wartungstechniker können in einer virtuellen Umgebung an den verschiedenen Subsystemen üben und so realitätsnah geschult werden – ohne Zugang zu einem physischen Jet.
Und für die Piloten gibt es einen klassischen Dom-Simulator?
Ja, auch das. Wir verfügen über vollständige Missionsausbildungssysteme, inklusive Dom-Simulatoren und speziellen Cockpit-Verfahrenstrainern.

Eine Besonderheit beim KF-21 ist der Zweisitzer. Andere neue Designs verzichten weitgehend darauf – mit Ausnahme der chinesischen J-20S. Warum hält KAI an einem Doppelsitzer fest?
Wir glauben, dass ein Zweisitzer sinnvoll ist. Auch die koreanische Luftwaffe hat von der Industrie sowohl eine Einsitzer- als auch eine Zweisitzer-Version gefordert. Erstens dient der Doppelsitzer der operationellen Umschulung (Operational Conversion Unit, OCU) auf das Einsatzmuster. Zweitens ist er essenziell für das Teaming mit unbemannten Begleitdrohnen. KAI entwickelt dafür das „Low Observable Unmanned Wingman System” (LOWUS), das in Kürze seinen Rollout haben wird. Im Zweisitzer-KF-21 soll der hintere Platz künftig vom sogenannten „Schlachtfeld-Master” besetzt werden, der die Steuerung und Koordination der unbemannten Systeme übernimmt.