Die Smart Glasses mit Eye-Tracking-Technologie von Viewpointsystem werden weltweit für Remote Support und Fernwartungen, für Dokumentationen und in der Forschung eingesetzt. Aber auch im Defence-Bereich hat sich das Wiener Unternehmen damit längst einen Namen gemacht, wie Geschäftsführer Nils Berger im Interview erklärt.
„Was ein Soldat nicht sehen kann, kann er auch nicht bekämpfen.“
Nils Berger, Geschäftsführer von Viewpointsystem
Herr Berger, wenn Sie an militärische Trainings und Ausbildungen denken, was kommt Ihnen da in den Sinn?
Dass das ein riesiger und ständig wachsender Bereich ist. Vor allem westliche Länder haben heute nicht mehr die großen Armeen wie noch vor einigen Jahrzehnten. Um trotzdem schlagkräftig zu sein, investieren sie in die Ausbildung ihrer Soldatinnen und Soldaten – auf allen Ebenen. Dabei geht es beispielsweise um modern aufgebaute Übungsstädte und Simulatoren, in denen und mit denen geübt werden kann. Es geht aber auch um vermeintliche Details wie unsere Smart Glasses und unsere innovative Eye-Tracking-Technologie …
… die es möglich macht, aufzuzeigen, wohin jemand schaut, was er während einer Übung gesehen hat – und was nicht.
Ganz genau. Unsere große Stärke ist die Verbesserung von Ausbildung und Training, um das eigene Verhalten zu optimieren. Was ein Soldat nicht sehen kann, kann er auch nicht bekämpfen. Es lässt sich aber trainieren, was man sehen kann, und dabei können wir unterstützen.
Eurofighter, F/A-18 und F-35: Bundesheer, Schweiz & USA üben
Inwiefern?
Wir versuchen Routinen zu ändern und zu optimieren. Routinen sind prinzipiell etwas Gutes, sie helfen uns im Alltag, wir können damit Aufgaben rasch und effektiv erledigen, ohne über die einzelnen Schritte, die es dafür braucht, nachdenken zu müssen. Wir machen es einfach. Routinen machen aber auch blind, weil man dabei gewisse Dinge übersieht, nicht mehr auf Details achtet.
Gerade diese Details machen aber oft den Unterschied.
Und das ist der springende Punkt. Wer im Gefecht ein Detail übersieht, vielleicht einen feindlichen Schützen nicht wahrnimmt, weil er auf etwas anderes konzentriert ist, hat ein Problem. Mit unserer Technologie unterstützen wir Menschen maximal dabei, ihre Routinen für den Ernstfall anzupassen. Dabei geht es gar nicht darum, mehr zu sehen – sondern vielmehr das Richtige zu sehen. Da wir das Verhalten jedes Soldaten und jeder Soldatin objektiv nachvollziehbar machen, lässt sich in Trainingssituationen ganz klar aufzeigen, wer was gesehen hat – und was eben nicht. Dieser Zugang hilft, das Verhalten zu ändern, sich besser auf Situationen einzustellen. Damit verbessern wir die Human Performance, und am Ende des Tages die Survivability.
Und dabei sind eure Technologien in Trainings wie der Übung von Häuserkampfszenarios genauso verwendbar wie im Simulator.
Genau, weil es ja da wie dort auf das gleiche ankommt. Wir schaffen einen nahtlosen Übergang vom Training am Simulator und am Schießstand hin zum Combat Shooting. Das vereinfacht vieles und ist natürlich ein riesiger Vorteil, der von unseren Kunden auch sehr geschätzt wird.
Viewpointsystem hat hier in Wien kürzlich neue Räumlichkeiten bezogen. Alles ist sehr hell und modern, sehr freundlich. Inwiefern spiegelt sich darin der aktuelle Erfolg des Unternehmens wider?
Es läuft in der Tat gerade sehr gut und wir schauen zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben kürzlich die 50-Mitarbeiter-Grenze durchstoßen, die aktuellen Sales-Zahlen sind sehr vielversprechend. Es gibt also keinen Grund zu klagen – im Gegenteil.
Profitiert man dabei auch bereits von der im Frühjahr 2023 geschlossenen Vertriebskooperation mit dem slowenischen Trainingssimulations-Anbieter Guardiaris?
Die Kooperation ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte, wir konnten auch deshalb den Authority-Bereich zuletzt deutlich ausbauen und sehen dort weiter großes Wachstumspotenzial. Wir liegen bei einigen aktuell laufenden Vergabeprozessen sehr gut im Rennen, da erwarten wir uns zeitnah weitere Aufträge.
„Wenn wir mit unseren produkten teil eines militärischen trainings sind, dann müssen sie funktionieren – ohne wenn und aber!“
Nils Berger, Geschäftsführer von Viewpointsystem
Bekannt ist, dass ihr Unternehmen mit dem Österreichischen Bundesheer, mit der Schweizer Armee und der kanadischen Armee zusammenarbeitet. Können Sie weitere Kunden aus dem Defence-Bereich nennen?
Mittlerweile gehört auch Glock dazu, ebenso Rheinmetall Österreich. Wir konnten zudem kürzlich mit dem Medizintechnikhersteller Karl Storz, dessen Wurzeln in Deutschland liegen und der auch als Komponentenlieferant und in der Verwundetenversorgung stark aufgestellt ist, eine Kooperation eingehen, in der wir prüfen, inwieweit unsere Produkte eventuell auch in die Erstversorgung von Patienten integriert werden können.
Um was geht es dabei genau?
Dabei geht es darum, dass im Feld Sanitäter zwar erste lebensrettende Maßnahmen verrichten können, aber nie die Möglichkeiten eines Spezialisten irgendwo im Hinterland haben. Die Versorgung ist gut − könnte aber noch besser sein und mit unseren Brillen holen wir die Kompetenz von Expertinnen und Experten direkt auf das Gefechtsfeld. Wir ermöglichen ihnen die Live-Perspektive auf Verwundete, so können sie die Sanitäter vor Ort bestmöglich unterstützen.
Zusammen mit Guardiaris, Smartex und den Verteidigungsministerien aus Österreich, Slowenien und Dänemark arbeitet Viewpointsystem auch am ABITS-Projekt des European Defence Fund.
ABITS steht für „Advanced Biometric Integration in Training and Simulation” und am Ende des Tages geht es uns darum, ein allumfassendes Abbild des psychophysischen Zustands des trainierenden Soldaten zu bekommen. Um wichtige Erkenntnisse über beispielsweise Aufmerksamkeit, Stress und kognitive Belastung des Trainierenden zu erhalten, kombinieren wir die erfassten Augendaten mit den biometrischen Daten anderer Sensoren. Die ersten Resultate sind sehr beeindruckend, wir versprechen uns sehr viel davon.
Viewpointsystem kommt prinzipiell aus dem zivilen Bereich, ist erst seit einigen Jahren auch im Defence-Bereich aktiv. War es schwierig, sich an die Materie zu gewöhnen?
Tatsächlich sind wir recht organisch in diesen Bereich hineingewachsen. Es geht schließlich im zivilen wie im militärischen Umfeld um dasselbe Ziel: die eigene Leistung zu verbessern. Zudem können wir im Defence-Bereich viel lernen, was uns auch auf anderen Märkten hilft.
Zum Beispiel?
Nehmen wir die Robustheit und die absolute Verlässlichkeit und Ausfallsicherheit. Wenn wir mit unseren Produkten Teil eines militärischen Trainings sind, dann müssen sie funktionieren – ohne Wenn und Aber. Das Training lässt sich nicht einfach wiederholen, da kannst du nicht sagen, sorry, leider ist die Brille verrutscht, wir haben jetzt keine Daten, bitte nochmals starten. Die Produkte werden zudem stärker belastet als in anderen Bereichen. Das ist teilweise sogar extrem, hat aber auch sein Gutes: Halten die Produkte militärischen Trainings stand, halten sie auch in allen anderen Bereichen. Man muss sie dafür aber natürlich anpassen und optimieren.
Bei Militärs geht es zunehmend darum, so zu trainieren, wie man dann kämpft, „train as you fight”. Ist da eure Brille nicht im Weg?
Auch dahingehend hat der Defence-Bereich unsere Entwicklung beschleunigt. Um die Technologie noch besser in die Einsatzrealität zu integrieren, passen wir unser Produkt an und entwickeln es weiter. Daher bieten wir nicht nur Smart Glasses an, sondern bald auch kleine kompakte Aufsatzmodule, die praktisch kein Gewicht haben und sich unauffällig beispielsweise mit Nachtsichtbrillen und dem Equipment anderer Hersteller kombinieren lassen. Wir müssen nicht eine Brille verkaufen, auf der Viewpointsystem draufsteht, damit irgendwo Viewpointsystem drinnen ist. Vielmehr erkunden wir innovative Wege, unsere Technologie zu integrieren – und das mit dem Ziel, diese neuen Lösungen erfolgreich zu etablieren.
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