Samuel Come und Denis Pfeifer sind Gründer und Geschäftsführer von Nxtgen Athlete. Ihr Ziel: Die Einsatzfähigkeit uniformierter Kräfte zu erhöhen – egal in welcher Verwendung sie sich befinden, ob sie ihre Leistung im Dienst erhöhen wollen oder ob sie sich einem Auswahlverfahren für spezialisierte Kräfte stellen wollen. In einem ganzheitlichen Ansatz, der über das sture Bankdrücken und Rundenlaufen hinausgeht, sollen die individuellen Stärken der taktischen Athleten hervorgeholt werden.

Im großen Interview mit Militär Aktuell stellen Sam und Denis ihren Werdegang vor und berichten über ihre Motivation, Nxtgen Athlete zu gründen. Außerdem erfahren wir etwas darüber, welchen gesellschaftlichen Nutzen die beiden in ihrer Arbeit sehen.

Welchen militärischen Hintergrund bringt ihr in euer Unternehmen Nxtgen Athlete?
Denis: Sam und ich kommen aus dem gleichen Dorf im Schwarzwald. In der Grundausbildung zum Falschirmjägerregiment haben wir uns wiedergetroffen. Schon nach sechs Monaten hatten wir uns dem Auswahlverfahren Spezialisierte Kräfte gestellt und erfolgreich durchlaufen. Das führte zu acht Jahren Dienst in den Spezialisierten Kräften des Heeres, Sam entschied sich für die schweren Waffen, ich wurde Scharfschützentruppführer.

Wie kam es zur Entscheidung, sich der Spezialausbildung zu stellen?
Denis: Das war schon in der Grundausbildung unser Frame, wir hatten nichts anderes gekannt. Man muss dazu sagen, wir haben beide familienseitig keinen militärischen Hintergrund und sind da komplett blind in die Ausbildung hinein. Es gab keinen Plan B – nur ein Ziel: die Erweiterte Grundbefähigung EGB. Wir wurden schon vom Dienstherren mit diesem Ziel herantrainiert.

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Wie darf man sich eure persönliche Vorbereitung auf das Auswahlverfahren vorstellen?
Denis: Damals waren noch die Kapazitäten da und der Dienstherr hat uns die Möglichkeiten zum Training gegeben. Wir haben aber sehr viel privat organisiert und trainiert, weil das dienstliche Training alleine nicht gereicht hätte. Unsere Arbeit in einem Fitness-Center am Wochenende half sehr in der Vorbereitung, allerdings noch nicht sportwissenschaftlich gestützt, sondern stumpf mit Übertraining und so wie wir in der Situation dachten, dass es funktionieren könnte. Auf gar keinen Fall war das ein schlaues Training und wir würden es auch nicht noch einmal so machen.

Wie kam es dann zur Gründung von Nxtgen Athlete?
Sam: Denis und ich waren in Niger im Einsatz. Bei einem Probealarm merkten wir, dass es im Ernstfall schlecht für viele von uns ausgehen hätte, besonders für die übergewichtigen Soldaten einer anderen Truppengattung, von denen dort ebenfalls einige im Einsatz waren. Wäre es hart auf hart gekommen, hätte es allerdings auch uns getroffen, wir sind ja aufeinander angewiesen gewesen.

Das zeigte uns auf, dass diese Kameraden in ihren Truppengattungen nicht so hart rangenommen werden, wie wir. Im Ernstfall kann die eigene Fitness aber über Leben und Tod entscheiden.

Das war für uns ein Schlüsselereignis. Wir müssen da etwas anbieten, dachten wir uns. In diesem Einsatz gründeten wir Nxtgen Athlete.

Auf welche Herausforderungen seid ihr denn bei eurem Projekt gestoßen?
Denis: Die größte Herausforderung war und ist sicherlich in behördlichen Strukturen zu sehen. Unser Ansatz ist: Uniform verpflichtet letzten Endes zu einer gewissen körperlichen Leistungsfähigkeit. Dieser Grundsatz ist auch übertragbar auf andere Einsatzkräfte, sei man bei der Feuerwehr, Sanitäter oder Polizist. Wir wollen das länderübergreifend unterstützen. Im Gegensatz zu uns, die im Einsatz waren, sehen die Behörden oftmals nicht die eigentlichen Probleme und daher auch nicht den Bedarf.

Wir mussten darüber hinaus etwas Alltagstaugliches bauen, etwas, das sich auch im Schichtdienst und bei voller zeitlicher Auslastung integrieren lässt. Auch das war eine Herausforderung.

Was macht aus eurer Sicht Nxtgen Athlete aus?
Sam: Es geht um Strukturen und Strategien. Militär und Polizei können nicht den einzelnen Charakter abholen, das ist gar nicht vorgesehen. Die Strukturen lassen es einfach nicht zu, dass ein Personal Trainer zur Seite gestellt wird. Das ist auch ganz klar. Genau hier setzen wir an. Wir begleiten die Personen individuell. Das fängt mit einer sauberen Trainingsplanung an, die aber auch flexibel wöchentlich auf den Dienst und auf die jeweilige Verwendung angepasst wird.

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Wie sehen eure konkreten Lösungen aus?
Sam: Am Anfang holen wir die taktischen Athleten bei ihrem Leistungsstand ab. Jeder bringt seine eigenen physischen und psychischen Fähigkeiten mit, darauf wollen wir aufbauen. Zusätzlich schauen wir uns die Verletzungshistorie zusammen mit einem Arzt und Physiotherapeuten an. Wir haben diese Spezialisten aus guten Gründen am Start.

In der Kombination aus Live-Calls, der Trainingsapp, Vor-Ort-Events und unserem digitalen Ausbildungszentrum unterstützen wir die Anwärter individuell. Das ist eine Kombination für unsere taktischen Athleten, um sie von A nach B zu bringen. Wir geben den Athleten Wissen mit, von dem sie nachhaltig und langfristig profitieren können. Sie sollen auch noch in vielen Jahren davon zehren können. Für nahezu jede Spezialeinheit und Spezialkraft im gesamten DACH-Raum stellen wir Mentoren bereit, die ihren wertvollen Erfahrungsschatz direkt an unsere Athleten weitergeben – darunter auch Mario Fuchs (-> Mario Fuchs von FR Innovations im Interview).

Denis: Wir maßen uns – aus Respekt – nicht an, dass wir jemanden auf diese oder jene Einheit vorbereiten können. Dafür haben wir unser Mentoren-Programm. Die Mentoren können viel nahbarer und authentischer berichten, wie der Hase läuft. Sie können über den objektiven Ablauf der Testphasen und das subjektive Empfinden dabei berichten. Die Anwärter können dabei Fragen stellen und sich so Tipps holen. Das findet online und offline statt.

Die Betreuung läuft also primär online ab?
Sam: Im digitalen Ausbildungszentrum zeigen wir zwar alle Techniken im Detail, sei es beim Laufen oder Schwimmen. Wir bieten aber auch Technik-Trainings vor Ort an. Sobald es etwas spezifischer wird, beispielsweise in Ausbildung für das KSM oder KSK (Phase II), bieten wir dann vor Ort Lösungen an. Manche Trainingsinhalte kann man einfach nicht vollständig online abbilden. Das wollen wir auch gar nicht.

Was braucht es eurer Meinung nach, um ein so ein großes Ziel, wie ein Auswahlverfahren einer Spezialeinheit zu bestehen?
Sam: Es sind drei Punkte: Zunächst musst Du Dir der Herausforderung bewusst sein. Dazu zählt beispielsweise Familie, Hausbau und dienstliche Verwendung unter einen Hut zu bekommen, mit einer Verletzung oder einem mitunter längerem internen Papierkram umzugehen. Dessen muss man sich zunächst einmal bewusst sein.

Der zweite Punkt ist, das Wissen an die Hand zu bekommen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Da helfen wir mit unseren Mentoren.

Drittens braucht es externe Motivatoren, die schauen, ob die Bewerber auch auf der Zielgeraden bleiben. Auch das ist unsere Aufgabe.

Denis: Man muss auch dazu sagen, dass die Ziele realistisch gesetzt werden müssen. Wir haben da einen wissenschaftlichen Ansatz sowie eigene Benchmarks entwickelt, damit wir realitätsnahe Lösungen anbieten können. Sich in nur wenigen Monaten auf ein Auswahlverfahren vorzubereiten, ist unrealistisch. Wir erziehen die Teilnehmer zu taktischen Athleten, damit sie langfristig was davon haben und auch die späteren Ausbildungen bestmöglich meistern können.

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Welche Rolle spielt eurer Sicht nach die Ernährung bei taktischen Athleten?
Sam: Das ist ein sehr unterschätztes Gebiet. Man muss nur den Vergleich zu Leistungssportlern ziehen, die nicht selten gleich mehrere Ernährungsberater haben. Bei uns steht ja die langfristige Verbesserung im Vordergrund. In den ersten zwei Wochen wird daher ein Ernährungsprotokoll geführt. Nach dieser Zeit werten wir das Protokoll nach Mikro- und Makronährstoffen aus und wir schauen uns an, was angepasst werden sollte. Da geht es nicht um eine radikale Umstellung der Ernährung. Wir vermitteln den Athleten eher eine Mentalität und eine Aufmerksamkeit für das Thema, also um eine nachhaltige Struktur, die sie über Jahre begleitet. Auch dann, wenn wenig Zeit ist, können sie dann mit einem grundlegenden Verständnis eigene Entscheidungen treffen. Die Bedürfnisse der Menschen sind so individuell, da muss man genau hinschauen.

Wie sieht es mit der mentalen Stärke aus, wie geht ihr auf mentale Aspekte ein?
Denis: Wir wollen den Menschen hinter dem Athleten oder der Athletin kennenlernen. Wir wollen wissen, mit welchen „Baustellen“ sie zu kämpfen haben, welche sozialen Komponenten zum Tragen kommen und was die Athleten beschäftigt. Das ist für ein wirklich individuelles Coaching unerlässlich.

Sam: Wir versuchen ihnen Strategien mitzugeben, die ihnen jetzt in der Situation aber auch darüber hinaus, weiterhelfen. Außerdem haben wir einen Performancepsychologen im Team, der seinen Abschluss in der Sporthochschule Köln gemacht hat. Mit ihm arbeiten wir immer wieder neue, angepasste Konzepte für unsere Zielgruppe aus.

Was Nxtgen Athlete anbietet kann man als ganzheitliches Programm verstehen, oder?
Sam: Genau. Das war uns auch wichtig. Viele sehen bei uns nur die Trainingspläne. Das tut mir dann in der Seele weh. Es steckt einfach viel mehr dahinter. Ein Trainingsplan wird Dich nicht von A nach B bringen. Wir nehmen den Bewerbern also viel ab, damit sie einen Plan bekommen, wie sie Familie, Beruf, Training, Ernährung mit ihrem athletischen Ziel vereinen können. In einer empirischen Bachelor-Studie gehe ich gerade den positiven Effekten nach. Ein Ergebnis: Athleten kommen bei uns verletzungsfreier und stressfreier durch, im Vergleich zu einer klassischen Vorbereitung, bei der ohne individuelle Planung, medizinische Begleitung oder ohne strukturiertem Coaching trainiert wird.

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Was ist eure Motivation, was treibt euch an?
Sam: Wir sehen das alles als eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir wollen wieder eine starke Bundeswehr, wir wollen wieder eine funktionierende Polizei. Wir sehen das als eine länderübergreifende Aufgabe. Blickt man die wenigen Jahre zurück: Es haben sich die Anforderungen an uns alle massiv geändert. Man muss bei bei Uniformierten immer vom Höchstfall ausgehen, egal in welcher Verwendung sie in erster Linie tätig sind. Dazu muss man nicht politisieren, jeden Tag wird über Ereignisse im Inneren und auch im gesamtpolitischen Umfeld berichtet, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Wir brauchen einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert von Einsatzkräften. Die Community ist dafür auch essentiell wichtig. Wir bekommen sehr gutes Feedback, das motiviert.

Denis: Wir wollen die Einsatzkräfte ins Rampenlicht holen. Was Rettungssanitäter und Polizisten erzählen, ist vielleicht nicht immer für die breite Gesellschaft gemacht. Wir wollen uns auch überhaupt nicht politisch positioniert. Es geht darum, die Menschen in den Vordergrund zu stellen. Darum ja auch unser Podcast. Die Menschen sollen ihre Sicht erzählen dürfen, ohne dabei unterbrochen zu werden.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Denis: Unser großes Projekt ist ein Leistungszentrum für Einsatzkräfte für den gesamten DACH-Raum. Damit wollen wir eine Anlaufstelle für die sportliche Ausbildung und taktische Fitness schaffen. Wir wollen auch die Verletzungsprävention und Rehabilitation im Falle einer Verletzung abdecken. Dazu soll, ähnlich wie im Leistungssport, ein Trainerstab aufgebaut werden, mit verschiedenen Spezialisten vor Ort, von Physiotherapie über Ärzte und Coaches aus verschiedenen Bereichen.

Weiterhin wollen wir insbesondere mit dem Podcast gesellschaftlich „einen Schalter umlegen“. Der Podcast startete als Spaßprojekt, schnell haben wir aber gemerkt, dass der Bedarf da ist. Der gesellschaftliche Mehrwert soll so zurückgebracht werden und Leistung soll wieder als etwas Geiles gedacht werden. Das bringt einem ja auch im Privatleben etwas, leistungsfähiger und hilfsbereit zu sein.

Quelle©Nxtgen Athlete