Im Rahmen seiner „Mission Vorwärts” investiert das Bundesheer in neues Gerät und den Personalaufwuchs – ganz massiv aber auch in den Aufbau einer modernen Infrastruktur. Ein Gespräch mit Hofrat Johannes Sailer, Leiter der Direktion 7 und in dieser Funktion oberster Bauherr des Bundesheeres.
Mit Ausnahme der Kaserne Güssing, die mittlerweile auch schon vor zehn Jahren eröffnet wurde, baute das Bundesheer in den vergangenen Jahrzehnten kaum neue Kasernen. Nun sind von Villach bis Mistelbach gleich mehrere Neubauten geplant. Herr Sailer, wie baut man eine Kaserne?
In einem ersten Schritt erstellen wir eine Mikro- und Makroanalyse des Ist-Zustandes eines Standortes. Daraus lässt sich ableiten, welche Maßnahmen erforderlich sind, also ob wir einen neuen Standort ins Auge fassen müssen, oder es sinnvoller ist, in die bestehende Struktur zu investieren.
Angenommen, wir müssen neu bauen.
Dann ist zunächst die alles entscheidende Frage, ob ein passendes Grundstück verfügbar ist. Idealerweise ist die Republik Österreich Heereswaltung Eigentümer dieses Grundstücks. Oder ob wir erst ein entsprechendes Grundstück suchen müssen.
Damit wäre die Ortsfrage gekärt.
Genau. Im nächsten Schritt arbeiten wir dann eine sehr umfangreiche To-do-Liste ab. Da stellt sich zum Beispiel die Frage, wie man mit Anrainern eine gute Lösung findet, wie man eine Kaserne also so baut, dass sie im Umfeld die höchstmögliche Akzeptanz findet. Dann stellen sich natürlich alle möglichen Umweltfragen, es sind Details zur Verkehrsanbindung zu klären, zur Nachhaltigkeit und Fragen des Wasserrechts. Hat das vorhandene Wasser Trinkwasserqualität? Wie ist der Untergrund bebaubar? Ein Riesenthema ist mittlerweile auch die Autarkie und Resilienz der Standorte und wie wir mit Wärmeprodukten umgehen, die früher in die Kanalisation abgeleitet wurden, wie beispielsweise Abwasser aus der Küche.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist aber noch kein Planer mit der Thematik beschäftigt?
Nein, ein Planer wird auch nur beauftragt, sofern keine Eigenplanung erfolgt. Und auch dann erst, wenn die erwähnten und auch viele andere Grundsatzfragen geklärt sind. Wir schreiben dann einen Wettbewerb aus, der im Wesentlichen auf drei Säulen aufbaut. Da wären erstens die militärischen Anforderungen auf Basis der Bedrohungslage, zweitens Anforderungen aus dem Bereich Klima, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Lebenszyklusbetrachtung der Immobilien und drittens die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit Blick auf den Aufwand, der benötigt wird, um die Kaserne am Ende des Tages auch betreiben zu können.
Wie sieht so ein Kasernenplan aus?
Sehr umfangreich, mit vielen Detail- und Einzelplänen. Wenn wir die geplante Kaserne in Villach als Beispiel nehmen (-> Spatenstich für Großkaserne Villach), dann werden wir rund 500 verschiedene Pläne für einzelne Objekte, Bauteile, die Abwasserkanäle und viele andere Bereiche erstellen. Diese enorme Vielfalt ist aber auch nicht verwunderlich, im Endeffekt errichten wir mit einer Kaserne ja einen neuen Stadtteil.
Sie haben zuvor erwähnt, dass bei einem Kasernen-Neubau der Umgang mit den Anrainern wichtig ist. Wie gelingt es dabei, ein gutes Einvernehmen zu finden?
Indem wir die Situation ganz genau analysieren und auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen. Das Militär ist prinzipiell kein leiser Nachbar, allerdings entsteht nicht in jedem Kasernenbereich gleich viel Lärm. Wir haben dort Garagen, Werkstätten und Trainingsbereiche, wo es lauter ist, aber auch Wohn- und Schlafbereiche, die als Ruhe- und Erholungsbereiche dienen. In der Planung versuchen wir nun, diese ruhigeren Kasernenbereiche dort anzusiedeln, wo die Kaserne direkt an Siedlungsbereiche grenzt. Wir machen Bürgerbeteiligungen und -befragungen, was sehr aufwendig ist. Damit wollen wir die Bevölkerung aber frühzeitig ins Boot holen und ihre Bedenken berücksichtigen.
Angenommen, es sind nun alle Bedenken ausgeräumt, die Planung ist abgeschlossen. Wie viel Zeit ist von der Erstentscheidung, dass neu gebaut werden soll, bis hierher vergangenen?
Bei einem Unterkunftsgebäude für eine Kompanie mit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rechnen wir mit rund einem halben Jahr Vorlaufzeit, einem Jahr Planung und rund zwei Jahren Ausführungszeit …
… und wenn wir von einer ganz neuen Kaserne sprechen wie aktuell zum Beispiel in Villach?
Im konkreten Fall lag das Projektvorhaben, wir reden hier von einer Kaserne für zwei Bataillone mit zirka 1.100 Betten, im Jahr 2021 auf meinem Schreibtisch. Es dauerte dann rund zweieinhalb Jahre, bis die Planung abgeschlossen wurde (-> Pläne für Großkaserne in Villach vorgestellt), wir erwarten demnächst die Baubewilligung und einen Abschluss der Realisierung in den Jahren 2029 bis 2030.
„Die Herausforderung ist riesig,
aber wir werden die Aufgaben meistern und unseren Teil zur ,Mission Vorwärts‘ beitragen.“Heeresimmobiliendirektor Johannes Sailer
In Summe beschäftigt Sie das Projekt also rund zehn Jahre? Ist der Zeitaufwand ähnlich wie bei anderen Großvorhaben wie dem Bau eines Krankenhauses?
Ja, wobei wir im Unterschied zu einem Krankenhaus (Sanitätszentrum West, -> 22 Millionen Euro für Sanitätszentrum West) auf der grünen Wiese bauen, und nicht irgendwo in einem Siedlungsgebiet. Die rund zehn Jahre sind vor diesem Hintergrund für Planung, Bau und Umsetzung durchaus realistisch, Private könnten ein in der Dimension vergleichbares Projekt auch bestenfalls ein Jahr schneller realisieren.
Warum sind Private schneller?
Weil wir zwei Vergabeverfahren mit rund sechs Monaten einplanen müssen, die ein privater Bauträger nicht durchführen muss.
Kommen wir zurück zu unserem geplanten Kasernenbau: Wir haben nun einen Plan und eine Baubewilligung. Welche Schritte gilt es weiter zu gehen?
Dann kommt die Ausschreibung der Unternehmen. In dem Größenbereich, in dem wir uns bewegen, suchen wir Generalunternehmer oder Teilgeneralunternehmer für beispielsweise Rohbau, Klima, Heizung und Sanitär, um möglichst viele Schnittstellen bündeln zu können. Würden wir einzelne Gewerke ausschreiben, müssten wir für den Bau zehn bis 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abstellen, so können diese Aufgabe vier bis fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewältigen. Aber die sind voll beschäftigt, das Leistungsverzeichnis für Villach umfasst rund 2.500 Seiten.
Und dann?
Dann bauen wir (lacht). Wir achten dabei darauf, dass alle Vorgaben des Arbeitsinspektorats eingehalten werden, und vor allem kümmern wir uns um den Sicherheits- und Gefahrenplan für spätere Aus- und Umbauarbeiten. Darin sind die Leitungsführungen und viele andere Baudetails berücksichtigt, damit wir später, genau nachvollziehen können, wo welche Leitungen zu finden sind. Alle Änderungen werden in diesem digitalen Plan vermerkt, und dieser ist damit auch immer auf dem aktuellsten Stand. In dieser Prozessphase ist übrigens auch schon die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter involviert, der später das Gebäude betreuen wird. Im Fall von Villach ist das ein Mitarbeiter des Militär-Servicezentrums 11 in Klagenfurt. Was viele nicht wissen: Nur weil das Gebäude fertig ist, ist nicht auch gleich das Projekt abgeschlossen.
Wie ist das gemeint?
Das Projekt wird mit Fertigstellung nur teilabgerechnet. Die letzte Summe wird erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist von drei Jahren ausbezahlt und bis dahin werden alle Probleme auch penibel dokumentiert. Erst dann ist das Projekt aus unserer Sicht auch wirklich abgeschlossen.
„99 Prozent der beauftragten Unternehmen sind österreichische Unternehmen, die Wertschöpfung von Kasernenaus- und umbauten verbleibt also fast zur Gänze im Land.“
Heeresimmobiliendirektor Johannes Sailer
Kann jedes Bauunternehmen Militär? Oder anders gefragt: Benötigt ein Betrieb irgendwelche Zertifizierungen oder andere Voraussetzungen, um militärische Objekte bauen zu dürfen?
Nein, Zertifizierungen oder etwas Ähnliches sind nicht notwendig. Aber natürlich achten wir darauf, dass wir Bauunternehmen beauftragen, die bereits Vergleichbares gebaut haben. Im Fall der Errichtung eines Sanitätszentrums wäre beispielsweise wichtig, dass ein Unternehmen schon Krankenhäuser gebaut hat. Übrigens: 99 Prozent der beauftragten Unternehmen sind österreichische Unternehmen, die Wertschöpfung von Kasernenaus- und umbauten verbleibt also fast zur Gänze im Land.
Sie haben Autarkie und Nachhaltigkeit schon erwähnt – werden diese Bereiche immer wichtiger?
Definitiv – dies liegt aber auch an der geänderten Betrachtungsweise. Früher war es primär das Ziel, billig zu bauen. Heute bauen wir auf Basis einer kompletten Lebenszykluskostenanalyse. Die Baukosten spielen im Vergleich zu den späteren Unterhaltskosten meist nur eine untergeordnete Rolle. Es ist insgesamt günstiger, zuerst mehr Geld in die Hand zu nehmen, um nachhaltiger zu bauen, und dann später beim Erhalt der Gebäude Geld zu sparen. Bei der Autarkie geht es darum, die Kasernen im Krisenfall wie beispielsweise im Falle eines Blackouts weiter in Betrieb zu halten. Dabei ist übrigens die Abwasserfrage ganz entscheidend.
Inwiefern?
Im Krisenfall kommt der Entsorgung des Abwassers große Bedeutung zu, um zu verhindern, dass sich Bakterien und Krankheiten ausbreiten können. Nur die wenigsten Gemeinden können uns im Falle eines Stromausfalls die Entsorgung des Abwassers für eine Dauer von zumindest 14 Tagen garantieren. Diese Garantie brauchen wir allerdings und daher unterstützen wir die Gemeinden gegebenenfalls auch bei der Errichtung der notwendigen Infrastruktur oder der Bevorratung von Aggregaten mit ausreichend Treibstoff.
Der letzte komplette Kasernenneubau in Österreich war die Montecuccoli-Kaserne in Güssing, die Eröffnung ist aber auch schon wieder zehn Jahre her. Momentan sind gleich mehrere Projekte parallel am Entstehen: Villach, Mistelbach (-> 150 Millionen Euro für Neubau der Kaserne Mistelbach), das Sanitätszentrum West und noch andere. Was bedeutet dieser Mehraufwand für Sie persönlich und ist dieser Mehraufwand von ihrer Direktion überhaupt zu stemmen?
Persönlich würde ich die Situation als „spannend”, „herausfordernd” und „richtig toll” bezeichnen. Und ja, die Direktion 7 hat rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die alle an sie gestellten Aufgaben erfüllen können, natürlich sind diese aktuell voll gefordert. Aber die Motivation ist groß, wir können nun wirklich etwas bewegen und werden die Zukunft des Bundesheeres aktiv mitgestalten.
Wie viele Projekte sind aktuell auch abseits der genannten Großprojekte in Umsetzung?
In Summe sind es rund 730 laufende Projekte (-> davon mehr als 430 laufende Bauvorhaben mit einem Volumen von jeweils mehr als 60.000 Euro), die sich in Vorbereitung, Realisierung oder Abrechnung befinden. Die Herausforderung ist wie gesagt riesig, aber wir werden die Aufgaben meistern und unseren Teil zur „Mission Vorwärts” beitragen.
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