Das Österreichische Bundesheer kauft neue Jet-Trainer vom Typ M-346FA des italienischen Herstellers Leonardo. Im dritten Teil unserer langen Story zur Historie des Advanced Jet Trainers haben wir auf eine russisch-chinesische Koproduktion – die Hongdu JL-10/L-15 Falcon – geschaut. Nun richten wir den Blick auf die Entwicklung der M-346A Master.

Nach Trennung der Partnerschaft mit Yakowlew fokkusierte sich Aermacchi (heute Leonardo) sehr stark darauf, den übernommenen Entwurf auf die Erfordernisse des immer mehr in Diskussion und Verhandlung kommenden Advanced European Jet Pilot Training (AEJPT) hin zu optimieren. Es gelingt, auf Basis des übernommenen aerodynamischen und strukturellen Designs, den in Fertigung befindlichen Prototypen rasch mit westlichen Komponenten zu befüllen.

Maritimes Großmanöver „Baltic Operations” startet

Triebwerke

Als Triebwerk wurde das F124-GA-200 Zweiwellen-Turbofan von Honeywell gewählt. Auf der Niederdruckwelle sitzen drei Stufen mit Titanschaufeln. Erreicht wird im Niederdruckteil ein Gesamtdruckverhältnis von 2,5:1. Danach wird der Lufstrom im Verhältnis 0,49:1 zwischen Bypass und Hochdruckkompressor geteilt. Auf der Hochdruckwelle sitzen vier Axialstufen und eine fünfte Zentrifugalstufe. Nach einer Ringbrennkammer folgt eine einstufige Hochdruckturbine (HPT), gefolgt von einer einstufigen Niederdruckturbine (LPT). Die HTP wird dabei mit Luft aus dem Bypass gekühlt. Das Triebwerk verfügt über ein Zweikanal Full Authority Digital Electronic Control (FADEC)-System und ein integriertes Engine Monitoring System (EMS). Die beiden Triebwerke sind in der M-346 leicht nach unten geneigt eingebaut und erzeugen eine Schubkomponente orthogonal zur Flugzeugachse. Diese Konfiguration erhöht sowohl den Auftrieb als auch die Manövrierfähigkeit.

Die Geschichte der Leonardo M-346: Teil 4 – Entwicklung der M-346A „Master” – ©Archiv
Honeywell F124-GA-200: Länge 259 Zentimeter, Durchmesser 91,4 Zentimeter, Gewicht 521,6 Kilogramm, maximaler. Schub 27,8 kN, Schub-Gewichts-Verhältnis: 5,3:1.

Das Avionik-Paket entstand in Zusammenarbeit mit Teleavio, Marconi Italien und BAE Systems. Die M-346 erhält eine Hilfsturbine vom Typ Safran ATS 346. Damit können die Triebwerke pneumatisch gestartet werden und sie versorgt die Bordsysteme bei ausgeschalteten Triebwerken mit Strom.

Im Juli 2003 wird Aermacchi Teil der Finmeccanica Gruppe. Das neue Unternehmen heißt Alenia Aermacchi.

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Das Rollout des Prototyps 001 (Sn 6962/001, Reg. CPX615, blau) erfolgte im Juni 2003. Der Erstflug fand am 15. Juli 2004 statt. Am Steuer: Aermacchi’s Experimental-Cheftestpilot Olinto Cecconello.

Am 17. Mai 2005 fliegt erstmals der zweite Prototyp (SN 6963/002, Reg. CPX616, grau).

2008 gibt es dann auch bereits Maschinen in der „Industrial Baseline Configuration”, dem ersten Produktionsstandard. Die erste Maschine im Produktionsstandard ist Prototyp 003 (SN 6964/003, Reg. CPX617, rot). In den immerhin fast vier Jahren zwischen dem ersten Prototyp und der ersten Serienmaschine tat sich in Italien einiges.

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Die drei M-346 Prototypen im Formationsflug. Prototyp 1 blau, Prototyp 2 grau und Prototyp 3 rot.

Die M-346 erfuhr eine große Überarbeitung im Hinblick auf die Verwendung moderner Materialien und Fertigungstechnik. Es kommt zu einer strukturellen Optimierung des Basisentwurfes und zu einer rationelleren Verteilung der Flügelholme und der Rumpfspanten. Damit einher geht der Einsatz moderner Materialien wie Verbundwerkstoffe und Titan. Auch das Hauptfahrwerk und die Luftbremse werden neu entworfen. Die Anzahl der Außenlaststationen wird von neun auf sieben reduziert. Innen kommt es zu einer Vereinheitlichung der allgemeinen Missionssysteme – alles auch im Hinblick auf eine verbesserte Wartung. Im Vergleich zum Prototyp wird das Flugzeug rund 700 Kilogramm leichter und die interne Treibstoffmenge auf 2.000 Kilogramm erhöht.

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Alenia Aermacchi führt im Oktober 2008 einen Online-Wettbewerb zur Namensgebung der M-346 durch. Unter den 4.000 eingegangenen Vorschlägen gewinnt „Master”. Der Gewinner des Wettbewerbs, Mauro Petrolati, wird mit einem Flug mit dem Flugzeug belohnt.

Am 18. Dezember 2008 durchbrach die M-346 im Zuge des Testflugprogramms mit Chef-Testpilot Quirino Bucci am Steuer, als erstes vollständig in Italien gebautes Luftfahrzeug seit 52 Jahren, die Schallmauer und erreichte im Überschallkorridor vor der italienischen Riviera auf 13.700 Metern Höhe eine Geschwindigkeit von Mach 1.15 (1.255 km/h, 678 kn).

Im Zuge des Testflugprogramms wurden im Bahnneigungsflug Geschwindigkeiten bis Mach 1.2 erreicht. Serienmaschinen sind allerdings auf Mach 0.92 begrenzt. Der Schub der Triebwerke wird bei 94 Prozent abgeriegelt, da die Struktur nicht für Überschallflüge ausgelegt ist.

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Alenia Aermacchi Chef-Testpilot Quirino Bucci, beim Start in Venegono Superiore, durchbricht während eines 75-minütigen Fluges am 18. Dezember 2008 die Schallmauer und erreicht Mach 1.15 vor der italienischen Riviera.

Laut Leonardo ist die M-346 der leistungsfähigste Trainingsjet ohne Nachbrenner und ohne Überschallfähigkeit, zwei Aspekte die die Betriebskosten deutlich senken. Zusammen mit der Lebensdauererwartung von mindestens 10.000 Flugstunden und 20.000 Landungen soll das System M-346 günstige Lebensdauerkosten erzielen.

Mitte Juni 2009 kündigt die italienische Luftwaffe auf der Pariser Luftfahrtschau in Le Bourget an, sechs Flugzeuge mit einer Option auf neun weitere zu kaufen. Am 20. Juni 2011 erhielt die M-346 Master von der Generaldirektion für Luftfahrtrüstung des italienischen Verteidigungsministeriums in Rom die militärische Musterzulassung.

©Militär Aktuell

Davor wurden binnen fünf Monaten 180 Flüge mit einer Gesamtdauer von 200 Stunden durchgeführt, in denen über 3.300 Testpunkte geprüft wurden. Die Aeronautica Militare betreibt das Flugzeug unter der Typbezeichnung M-346A.

Umstrukturierung der italienischen Luftfahrtindustrie

Am 1. Jänner 2016 wurde das Unternehmen Alenia Aermacchi in die Division Aircraft and Aerostructures von Leonardo (vormals Finmeccanica ) zusammengefasst. Durch die Konzentration der italienischen Luftfahrtindustrie wurde auch das Unternehmen SIAI-Marchetti zuerst in Finmeccanica integriert und ist heute Teil von Leonardo. Diesem Zusammmenschluss entstammt die Aermacchi M-345, welche Anfang der 1980er-Jahre als S.211 erstmals flog.

Bekannte Unfälle

Im November 2011 nahm der Prototyp 001 an der Dubai Air Show teil. Nach der Flugschau kurz nach dem Start stürzt die Maschine am 18. November 2011 in der Nähe von Palm Deira ab. Die beiden Piloten Kapitän Giovanni Paganini und Quirino Bucci können mit dem Schleudersitz aussteigen.

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Prototyp 001 stürzt am 18. November 2011 ab.

Zwei Jahre später, am 11. Mai 2013, stürzt der Prototyp 003 etwa 20 Minuten nach dem Start aufgrund technischer Probleme in den Bergen von Val Bormida im Ligurischen Apennin ab. Der Pilot Matteo Maurizio kann sich mit dem Schleudersitz retten, wird aber schwer verletzt.

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Prototyp 003 stürzt am 11. Mai 2013 ab.

In beiden Fällen wurde die jeweilige Unfallursache vertraulich gehalten und ist nur dem Hersteller sowie bei Interesse Kunden des Flugzeuges bekannt.

Am 16. März 2022 stürzt eine M-346 in mutmaßlich turkmenischer Lackierung bei Como/Ialien ab. An Bord des noch nicht ausgelieferten und somit als Leonardo-Werksmaschine zu wertenden Flugzeugs sind zwei Piloten. Beide steigen mit dem Schleudersitz im alpinen Gelände aus. Während der Leonardo Testpilot, ein Italiener, lebend geborgen werden kann, kommt für den Flugschüler, ein Engländer, jede Hilfe zu spät.

Der zweite Verlust einer Serienmaschine datiert auf den 12. Juli 2024. Eine M-346 Bielik der polnischen Luftwaffe, betrieben von 41.BLSz, stürzte während eines Trainingsfluges für eine Flugschau auf dem Flughafen Gdynia-Babie Doly (QYD/EPOK) ab. Der Pilot Major Robert Jeł kommt dabei ums Leben.

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„Eurotraining“ – Ende vor dem Anfang

Im Jahr 1996 wird durch eine Arbeitsgruppe von Luftwaffen aus zwölf europäischen Staaten eine Machbarkeitsstudie für „Eurotraining” – auch genannt „Advanced European Jet Pilot Training System (AEJPT)” – in Auftrag gegeben.

Ziel ist es die Jetpilotenausbildung auf zwei Orte zu konzentrieren und zu standardisieren, um die Kosten dafür zu reduzieren. Jedes Jahr sollen bis zu 160 Piloten und zehn Waffensystemoperatoren durch diese neue Schule gehen. Der Bedarf dafür wird auf etwa 150 Flugzeuge geschätzt.

Der AEJPT-Vertrag sollte bis Anfang 2014 unterzeichnet werden. Damit würde das AEJPT-System 2017 seine erste Betriebsfähigkeit erreichen und bis 2020 seine volle Betriebsfähigkeit erreichen. Dazu kommt es allerdings nie. Zu stark divergieren die einzelnen Länderinteressen, insbesondere auch im Hinblick auf ihre eigenen nationalen Luftfahrtindustrien.

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Nach dem Scheitern von Eurotraining trainieren oder trainierten Piloten aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Türkei, Griechenland und Spanien beim „Euro-NATO Joint Jet Pilot Training Program” (ENJJPT) in Texas.

2009 nimmt die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) das Projekt auf und richtet im Namen der beteiligten Mitgliedstaaten eine Informationsanfrage (RFI) an die Industrie.

Alenia Aermacchi (AAEM), ein Unternehmen von Finmeccanica, und EADS Defence and Security (DS) geben im März 2010 eine gemeinsame Antwort auf Basis der M-346 an die EDA. Die M-346 bleibt Favorit bis zu Einstellung der Bemühungen um ein gemeinsames Eurotraining-Programm im Jahr 2012.

Defense News berichtete im Dezember 2013: „Nach dem Scheitern der Gespräche über ein europäisches Jetpiloten-Ausbildungsprogramm – das Millionen von Euro hätte einsparen können – bleiben die europäischen Luftstreitkräfte bei der NATO-Schule auf der Sheppard Air Force Base in Texas , gehen entweder allein voran oder schließen bilaterale Abkommen.”

Hier geht es zu weiteren Bundesheer-Meldungen und hier zu weiteren Meldungen rund um Leonardo.

Quelle©Archiv