Nachwuchs dringend gesucht: Das Bundesheer bildet mit zeitgemäßen Unterrichtsmethoden und modernster Technik seine eigenen Fluglotsen aus. Militär Aktuell warf einen Blick hinter die Kulissen.
Die Kontrolle des zivilen Luftraums Österreichs ist eine hoheitliche Aufgabe, die von der zivilen Flugsicherung Austro Control GmbH wahrgenommen wird. Doch auch das Bundesheer verfügt über eigene Fluglotsen (Tower- und Radarlotsen), der korrekte Überbegriff in der englischen Fachterminologie lautet „Air Traffic Controller”.
Die Militärfluglotsen verrichten ihren Dienst auf den Fliegerhorsten Leopold Figl – Flugplatz General Pabisch (-> Neuer Name für Fliegerhorst Brumowski) in Langenlebarn, Wiener Neustadt West, Fiala Fernbrugg in Aigen im Ennstal, auf dem Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg und im Military Control Center Wien (MCC). Die sogenannten „Radarleitoffiziere” dagegen haben ihren Arbeitsplatz in einem geheimen Bunkersystem in einem Berg in Salzburg. Sie sind unter anderem dafür verantwortlich, unsere Eurofighter im Falle eines „Priority-A” Fluges an ein Target (Luftfahrzeug) heranzuführen. „Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Luftfahrzeug, egal ob zivil oder militärisch, den Funkkontakt mit der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle verloren hat oder ein in den österreichischen Luftraum unrechtmäßig eingedrungenes Luftfahrzeug identifiziert, eskortiert oder zur Landung gezwungen werden muss”, schildert Oberst Roman Janoschek beim Besuch von Militär Aktuell auf dem Fliegerhorst in Langenlebarn.
Der 52-Jährige ist selbst „Air Traffic Controller” mit jahrzehntelanger internationaler Erfahrung, aktuell leitet er die Ausbildung des militärischen Nachwuchses. Wer Fluglotse beim Bundesheer werden will, auf den wartet übrigens auch ein ausgesprochen attraktives Einstiegsgehalt von circa 3.300 Euro netto, das ist in etwa das Gleiche, das ein ziviler Fluglotse bei Austro Control zu Beginn seiner Karriere verdient. Zum Vergleich: Ein Erster Offizier bei Austrian Airlines hat ein Einstiegsgehalt von etwa 3.100 Euro netto, dafür aber gut 100.000 Euro Schulden für seine Ausbildung. Die Kosten für die Ausbildung zum militärischen Fluglotsen übernimmt hingegen das Bundesheer.
Allerdings ist das Auswahlverfahren für diese verantwortungsvolle Tätigkeit streng. Schließlich geht es um Menschenleben. Begeht ein Fluglotse einen Fehler, kann es zu kritischen Situationen und im schlimmsten Fall zur Kollision von Luftfahrzeugen kommen. Die Folgen wären verheerend.
„Die Bewerber durchlaufen deshalb im Wesentlichen die gleiche Selektion wie die Pilotenanwärter. Neben der körperlichen Eignung müssen sie auch psychisch eine ausgesprochen gute Konstitution haben. Eine hohe Stressresistenz sowie ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen sind ebenfalls unabdingbar”, weiß Oberst Janoschek. Der Dienstgrad oder die bisherige militärische Laufbahn spielen hingegen nur untergeordnete Rollen. Auch zivile Quereinsteiger sind willkommen und werden regelmäßig ausgebildet. Weitere Grundvoraussetzungen für die Tätigkeit des militärischen Fluglotsen sind Matura, ein einwandfreier Leumund und gute Englischkenntnisse. Die internationale Flugfunksprache ist Englisch und mitunter muss auch mit Piloten ausländischer Luftfahrzeuge kommuniziert werden, was auf Grund verschiedener Akzente nicht immer einfach ist.
Am Basis-Auswahlverfahren scheitern 80 bis 90 Prozent der Bewerber. Wer die Hürde nimmt, darf mit der eigentlichen Ausbildung beginnen. Die ersten fünf Monate des Trainings finden an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule auf dem Fliegerhorst in Langenlebarn statt, wo den Anwärtern Theoriekenntnisse und Grundlagen der Flugsicherung vermittelt werden. Danach folgt die Praxisausbildung in Simulatoren, dabei kooperiert das Bundesheer erfolgreich mit ausländischen Partnern. Angehende Militärfluglotsen gehen dafür nach Deutschland oder Tschechien, die Radarleitoffiziere lernen bei der US Air Force (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte). Oberst Janoschek: „Ein großer Vorteil dieser Variante ist, dass unsere Schüler so erste Erfahrungen im internationalen Umfeld sammeln können. Das ist unbezahlbar.”
Danach geht es zurück nach Österreich, wo an den jeweiligen Ziel-Arbeitsplätzen weitere Kenntnisse in Praxis und Theorie im sogenannten „On the Job Training” im realen Flugbetrieb unter Aufsicht eines Instruktors vermittelt werden. Parallel dazu steht für das Lotsentraining auch ein hochmoderner Tower-Simulator an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule in Langenlebarn zur Verfügung. „Noch vor ein paar Jahrzehnten stand man bei der „Simulator-Ausbildung” einfach um einen Tisch mit Flugplatz-Layout und ein Instruktor bewegte Flugzeugmodelle händisch oder mit Seilzügen. Heute können wir mit dem modernen Sicht- und Sprechfunksystem im Tower-Simulator sämtliche Szenarien aller österreichischen Militärflugplätze annähernd zu hundert Prozent realitätsnah nachstellen. Sowohl die Luftfahrzeuge, insgesamt mehr als 180 militärische wie zivile, aber auch die Darstellung der Umgebung, Wetterphänomene, Nebel, Rauch und so weiter sind kaum von der Realität zu unterscheiden. Das ist ein enormer Fortschritt in der Qualität der Ausbildung”, unterstreicht Oberst Janoschek stolz.
So ist es beispielsweise möglich, Flugnotfälle, aber auch Sichtbeeinträchtigungen oder unerwartete Hindernisse auf den Bewegungsflächen ebenso zu simulieren wie technische Probleme im Tower selbst, beispielsweise durch den Ausfall von Teilen der Kommunikationseinrichtung. „Damit bringen wir die Auszubildenden an ihre Grenzen und sie lernen, in besonders stressigen Situationen Ruhe zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen.”
Zu den theoretischen Kenntnissen, welche die angehenden Fluglotsen sich aneignen müssen, gehören unter anderem nationales und internationales Luftfahrtrecht, Navigation, Flugplanung, Luftfahrtenglisch, Meteorologie, aber auch die Leistungsdaten verschiedener militärischer und ziviler Flugzeugmuster, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, welche Anweisungen ein Pilot überhaupt umsetzen kann.
Die erste Ausbildungsstufe ist der „klassische” Tower-Fluglotse. Rund zwei Jahre nach Beginn der Ausbildung kann man die kommissionelle Prüfung ablegen und darf danach als eigenverantwortlicher „Air Traffic Controller”, wie es in der Fachsprache heißt, arbeiten. Danach setzt sich die Ausbildung zum Radarlotsen fort und man muss noch einmal die Schulbank drücken. Erneut geht es nach Deutschland oder nach Tschechien (diesmal für etwa drei Monate), danach folgen weitere zwölf Monate Ausbildung an der Dienststelle in Österreich, bevor man nach abgelegter Prüfung auch als Radarlotse arbeiten darf. Auf Militärflugplätzen, auf denen es kein Radar gibt (Aigen im Ennstal und Wiener Neustadt West), ist die Ausbildung nach Erreichen der „Tower-Lizenz” abgeschlossen. Das Military Control Center Wien verfügt hingegen nur über Radar, und somit ist nach Erreichen dieser Radar-Lizenz die Ausbildung abgeschlossen. Das MCC ist hauptsächlich für Lufträume außerhalb der Militärflugplätze verantwortlich, beispielsweise wenn Eurofighter in temporären Lufträumen über Österreich Abfangmanöver, Kunstflug oder Luftkampf trainieren oder den Luftraum bei internationalen Veranstaltungen wie WWF Davos (-> „Daedalus 2024” erfolgreich beendet) sichern.
Einer der Nachwuchslotsen, die sich derzeit in Ausbildung befinden und die wir beim Besuch in Langenlebarn trafen, ist Fähnrich Flora Danner (Name geändert), 37. Sie interessierte sich schon als Jugendliche für Helikopter. Durch eine Werbekampagne erfuhr sie von den Jobmöglichkeiten beim Bundesheer. Ursprünglich absolvierte Danner die Pilotenselektion und wurde dabei auf die Möglichkeit zur Fluglotsenausbildung aufmerksam. „Ich fand das spannend und mich reizte der hohe Grad an Verantwortung”, schildert Frau Fähnrich im Gespräch mit Militär Aktuell. Parallel absolviert sie gerade ihre Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Läuft alles nach Plan, schließt sie ihre Ausbildung im März 2025 ab.
Bereits voll qualifiziert ist dagegen Wachtmeister Thomas Bauer (Name geändert). Nach Absolvierung einer HTL entschied sich der junge Mann für diesen Berufsweg beim Bundesheer und versieht aktuell Dienst als Towerlotse auf dem Fliegerhorst in Langenlebarn: „Die Technik und die Tätigkeit an sich haben mich gereizt. Die Ausbildung ist sehr fordernd, aber auch extrem praxisnah. Ich habe meinen Entschluss noch keinen Tag bereut.”
„Wir haben einen jährlichen Bedarf an vier bis fünf neuen Lotsen”, so Ausbildungsleiter Janoschek. Derzeit verfügt das Heer über etwa 45 Lotsen, es gibt aber auch mit Blick auf zahlreiche anstehende Pensionierungen trotzdem großen Bedarf. Noch nie waren die Chancen auf eine Karriere als militärischer Fluglotse also besser als derzeit. „Wer sich für diesen spannenden, abwechslungsreichen und extrem verantwortungsvollen Beruf interessiert”, so Janoschek, „kann sich jederzeit an seinen Vorgesetzten wenden und das bekannt geben.”
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