Die deutsch-französisch-spanische Zusammenarbeit am größten europäischen Rüstungsprojekt, dem Future Combat Air System (FCAS), steht offenbar vor dem Aus. Schon länger deuteten sich Brüche an – Militär Aktuell hat wiederholt berichtet – nun dürfte das Vorhaben aber endgültig in einer Sackgasse stecken.

Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich nach einem Treffen mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez vergangene Woche bereits ungehalten: „Wir kommen mit diesem Projekt nicht voran. Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig. Wir werden versuchen, bis Jahresende eine Lösung herbeizuführen.”

FCAS Mock-up – ©Airbus
Da war die Welt noch in Ordnung: 2019 wurde in Paris das erste FCAS-Mock-up enthüllt.

Rafale statt FCAS?

Am 23. September sprach Dassault-Chef Eric Trappier bei der Eröffnung einer neuen Rafale-Fertigung in Cergy-Pontoise Klartext – und stellte dem FCAS praktisch den Totenschein aus. Zwar stand der Ausbau der Produktionskapazitäten angesichts von Exportaufträgen für die VAE, Indonesien und Indien im Vordergrund, doch zur „dahin siechenden 6. Generation” befragt, reagierte er unmissverständlich: „Sollen die Deutschen es alleine machen – wir können das jedenfalls.”

Und Trappier legte weiter nach: Man sei jederzeit offen für Kooperationen, aber Führung sei unverzichtbar. „Der beste Athlet muss führen. Dassault ist in der Lage, den nächsten europäischen Kampfjet von Anfang bis Ende allein zu bauen – wir haben das Know-how, die Erfahrung und die Einrichtungen.”

©Militär Aktuell

Europas „Testament“ zerbricht

Das FCAS, in Frankreich als SCAF bezeichnet, sollte Europas 6.-Generation-Kampfjet werden – ein Symbol gemeinsamer Handlungsfähigkeit. Doch seit der ILA 2018 litt das Programm an internen Machtkämpfen: Frankreich beanspruchte über Dassault eine Führungsrolle von bis zu 80 Prozent, Deutschland pochte auf Gleichberechtigung und wollte Airbus Defence & Space schützen, Spanien forderte seinen fairen Anteil. Am Verhandlungstisch drehte man sich seither im Kreis – um Governance, Rechte an Technologien und Arbeitsanteile.

Dassault-Chef Eric Trappier – ©Dassault
Dassault-Chef Eric Trappier fordert mehr Tempo beim FCAS und forciert daher bei der Entwicklung einen Alleingang seines Unternehmens.

Trappier stellte nun klar: „Wir haben keine Zeit mehr. Wenn Europa zögert, riskiert es, dauerhaft zurückzufallen.” Mit Blick auf Ukraine-Krieg, China (J-20, J-36, Prototypen der 6. Generation, -> Neues zu Chinas J-36), Russland (Su-57) und US-Projekte wie NGAD (-> Neues zum NGAD F-47) warnte er: „Können wir es uns leisten, noch Jahre mit internen Streitigkeiten zu vergeuden? Nein, können wir nicht. Rivalen warten nicht.”

Schwerwiegende Folgen drohen

Sollte das Mega-Projekt tatsächlich scheitern, wären die Folgen gravierend: Europa verlöre wertvolle Zeit, die technologische Kluft zu den USA, China und Russland würde wachsen, die industrielle Basis weiter fragmentieren und die gemeinsame Sichtbarkeit auf dem Weltmarkt schrumpfen.

„DroneVation & Defence 2025”: Erfolgreiche Premiere in Wien

Die Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Boris Pistorius bemühten sich zwar immer wieder um Auswege – doch FCAS steht in seiner bisherigen Form offenbar vor dem Ende. Airbus-Betriebsratschef Thomas Pretzl zweifelt bereits öffentlich am Nutzen der Partnerschaft mit Dassault und hält ein Weiterführen des Projekts ohne Frankreich für denkbar.

Im Verteidigungsministerium wurden längst Alternativen durchgespielt. Deutschland hat 2025 seine Kooperation mit Großbritannien vertieft – ein Abkommen, das allgemein „engere Industrie- und Fähigkeitskooperation” vorsieht. Parallel prüft Berlin konkrete Optionen für einen Einstieg in das bereits weit fortgeschrittene britisch-italienisch-japanische Konkurrenzprojekt GCAP (-> GCAP-Projekt auf Schiene). Dort ist die Projektstruktur längst fixiert, ein Joint Venture gegründet, das Programmbüro in Reading eröffnet und der erste Demonstrator in Warton zu zwei Dritteln fertiggestellt. Der Erstflug ist für 2027 geplant. Beobachter sehen daher derzeit kaum realistische Chancen für einen deutschen Quereinstieg – zu weit ist das Programm bereits fortgeschritten.

Wohl eine Entscheidung letztendlich den beteiligten Regierungen, allenfalls – so britische Medien – könnte Berlin schlicht als Käufer bei GCAP einsteigen und sich vielleicht noch bei den Drohnenplattformen einbringen, die es begleiten sollen.

Koncept för Framtida Stridsflyg – ©Saab
Das schwedische Koncept för Framtida Stridsflyg (KFS) ist ganz sicher das kleinste der derzeit laufenden 6-Generations-Kampfjet-Projekte, scheint aber auf schwedische Bedürfnisse zugeschnitten zu sein. Mit seinem Einzeltriebwerk dürfte das Konzept aber gegenüber FACS Leistungs-Nachteile zu haben.

Alternativ böte sich vielleicht Schweden an: Saab arbeitet im Rahmen des staatlich finanzierten Programms KFS – Koncept för Framtida Stridsflyg an einer eigenen 6.-Generations-Studie, die bis 2030 läuft. Verteidigungsminister Pistorius bestätigte am 24. September, dass es bereits Gespräche mit London und Stockholm gebe.

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Quelle©Saab, Airbus, Dassault, Georg Mader