Durch das Ende des INF-Vertrags im Jahr 2019 – die Regierung Trump I hatte am 2. Februar 2019 mit sechsmonatiger Kündigungsfrist den Austritt verkündet – ist Europa in eine strategische Lücke im Bereich der landgestützten konventionellen Angriffskapazität geraten.
Russland hat seither nicht nur neue Fähigkeiten im Bereich bodengestützter ballistischer Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern entwickelt, sondern setzt diese auch täglich gegen die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) ein.

Während die European Sky Shield Initiative (ESSI) die Stärkung der Raketen- und Flugabwehr der teilnehmenden Staaten in den Fokus stellt, versteht sich ELSA als offensive Antwort auf die derzeit noch asymmetrische Bedrohung.
ELSA – die European Long-range Strike Approach – geht auf eine im Juli 2024 unterzeichnete Absichtserklärungzurück, die von Frankreich, Deutschland, Polen und Italien beim NATO-Gipfel in Washington geschlossen wurde. Im Oktober 2024 traten auch Schweden und Großbritannien dem Projekt bei.
La guerre en Ukraine montre que les frappes longue portée sont un enjeu clé pour la défense de l’Europe.
Au sommet de l’OTAN à Washington, signature d’une lettre d’intention 🇫🇷🇩🇪🇮🇹🇵🇱 pour initier une coopération dans ce domaine mobilisant notre industrie de défense européenne. pic.twitter.com/NfZMM1QSIP
— Sébastien Lecornu (@SebLecornu) July 11, 2024
Insbesondere Frankreich sieht eine erhebliche Fähigkeitslücke zwischen konventionellen landgestützten Angriffen auf große Entfernungen und der Schwelle zur nuklearen Abschreckung. Ein französischer Parlamentsbericht weist auf das Risiko hin, dass Russland die nukleare Abschreckung umgehen könnte – da es über die Fähigkeit verfügt, militärische Einrichtungen und kritische Infrastruktur tief im Hinterland konventionell und bodengestützt zu zerstören. Den europäischen NATO-Partnern fehlt bislang diese Fähigkeit.
ELSA hat 13 Entwicklungssäulen identifiziert. Diese sind so strukturiert, dass sich die Mitgliedsstaaten und ihre Industrie gemäß ihrer technologischen Stärken und operativen Prioritäten einbringen können. Es geht dabei um Technologien und Doktrinen für Marschflugkörper, ballistische Raketen, deren Zielsysteme sowie Langstreckensensorik. Geplant sind Plattformen mit Hyperschall-, Tarnkappen- oder Dual-Fähigkeiten.
Voraussichtlich im Juni soll bekannt gegeben werden, welche Unternehmen jeweils für welche Projekte federführendsein werden. Erwartet wird, dass der europäische Lenkflugkörperriese MBDA – mit Standorten in Frankreich, Großbritannien, Italien, Deutschland und Spanien – eine zentrale Rolle bei ELSA übernehmen wird.

Deutschland und Großbritannien haben sich bereits auf die gemeinsame Entwicklung einer weitreichenden Präzisionswaffe mit einer Reichweite von über 2.000 Kilometern verständigt. Grundlage dafür ist das im Oktober 2024 geschlossene „Trinity House”-Abkommen.
Derzeit verfügen die europäischen NATO-Mitglieder hauptsächlich über luft- oder seegestützte Raketen, deren Reichweite – entsprechend den Regeln des inzwischen obsoleten INF-Vertrags – 500 Kilometer nicht überschreitet.