Kurz nach dem Besuch von Militär Aktuell bei der taktischen NATO-Livex-Übung „Ramstein-Flag 2024” in Andravida am Peleponnes fand auf Santorin auch die erste in Griechenland abgehaltene Konferenz der europäischen Air Chiefs (EURAC) statt. Beim sogenannten EURAC-Meeting mit dabei war auch der österreichische Luftwaffenchef Generalmajor Gerfried Promberger.

Hauptthema des zu Situation und Ausblick der westlichen europäischen Luftwaffen jährlich abgehaltenen Treffens war „Navigieren von Luftmacht durch Entropie und Chaos”, was sich auf das derzeitige, rasch verändernde, instabile und ungeordnete geopolitische Umfeld bezieht. Vor diesem Hintergrund gelte es nicht nur daran angepasste Luftdomain-Operationen zu meistern, sondern auch Logistik und Unterstützung zu gestalten und – wie betont wird – ganze Luftwaffen danach auszurichten, auszubilden und personell mit den richtigen Leuten zu besetzen.
An dem Gipfel nahm als Gastgeber der Chef des Generalstabs der griechischen Luftwaffe, Generalleutnant Demosthenes Grigoriadis teil, ebenfalls der Kommandeur des Allied Air Command, US-General James B. Hecker und die Chefs der Luftwaffen aus Österreich, Belgien, Frankreich, Dänemark, der Schweiz, Estland, Irland, Spanien, Kroatien, der Republik Zypern, Lettland, Litauen, Norwegen, aus den Niederlanden, aus Polen, Rumänien, Slowenien, Schweden und Finnland. Sie konnten sich in Gesprächsrunden – was stets als sehr fruchtbar gesehen wird – in Fragen von gemeinsamer operativer Innovation, Technik und Ausbildung vertiefen.
Entropie und Chaos – was heißt das?
Generalleutnant Grigoriadis ist seit heurigem Jänner griechischer Air Chief und darf als ehemaliger Jet-Staffelpilot und Geschwaderkommandant auf rund 4.000 Flugstunden auf T-41D, T-2E, T-33, F-5A/B und F-16C/D zurückblicken. In seiner Eröffnungsrede zur Konferenz illustrierte er das Motto mit der Vulkanlandschaft von Santorin, welche die unvorhersehbaren Kräfte symbolisieren, denen man im eigenen Bereich gegenüberstehe: „Da sind Kräfte, die uns entweder inspirieren oder unsere Entschlossenheit herausfordern können. Das griechische Wort ‚Chaos’ ist aber nicht nur eine Kraft der Zerstörung, es kann auch zur Erschaffung von etwas Außergewöhnlichem führen. Und Entropie steht im einfachsten Sinne für Unordnung oder Unberechenbarkeit, im militärischen Kontext bezieht sie sich auf die inhärente Unberechenbarkeit von Operationen. Unser Thema könnte somit aktueller und relevanter nicht sein, denn die Welt, in der wir heute agieren, wird zunehmend komplexer und unberechenbarer.”
Grigoriadis weiter: „Rasche technologische Fortschritte, sich verändernde geopolitische Landschaften und neu entstehende Bedrohungen stellen erhebliche Herausforderungen für unsere Luftstreitkräfte dar. Unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, auf diese Veränderungen zu reagieren, sondern auch unsere Strategien proaktiv zu gestalten und sicherzustellen, dass wir in einer sich ständig wandelnden Umgebung auch effektiv bleiben. Wir sind als Luftstreitkräfteführer mit einer Vielzahl von Faktoren konfrontiert, die zu dieser Unberechenbarkeit beitragen, wie beispielsweise unkonventionelle Kriegstaktiken, Cyberbedrohungen und die Verbreitung fortschrittlicher und miniaturisierter Technologien. Wir müssen anerkennen, dass sich die Dynamik um Luftstreitkräfte stark geändert hat. Die operative Landschaft traditioneller Konzepte der Luftüberlegenheit werden durch all diese Entwicklungen, bis hin zur immer rascheren Verbreitung unbemannter Systeme und Künstlicher Intelligenz in Frage gestellt.”
Der griechische Air Chief erinnerte in seiner Ansprache speziell an den vielleicht revolutionärsten Aspekt der jüngeren Zeit: „Man denke nur an den Aufstieg des umfassenden Drohnenkriegs (-> zum Militär Aktuell Drohnen-Themenschwerpunkt), der die Schlachtfeldlandschaft verändert hat. Drohnen ermöglichen präzise Schläge – auch in der Tiefe gegen Flugplätze – minimieren aber gleichzeitig das Humanrisiko. Sie bringen neue Herausforderungen mit sich, darunter Fragen zum Maßstab der Eskalation. Diese Entwicklungen haben neue Komplexitäten mit sich gebracht und es Gegnern ermöglicht, auf eine Weise zu operieren, die unsere traditionellen Rahmenbedingungen für Luftoperationen in Frage stellen. Das zwingt uns, Taktiken, Ausbildung, Partnerschaften und sogar unsere Organisationsstrukturen zu überdenken. Wir müssen uns fragen, wie wir in einem so dynamischen Umfeld die Luftüberlegenheit aufrechterhalten können, aber auch, wie wir unsere Strategien anpassen müssen, um diesen Herausforderungen zu begegnen.”
Grigoriadis: „Diese fördern aber auch Innovationen, im Laufe der Geschichte sind viele der größten Fortschritte in der Militärstrategie aus Zeiten von Unsicherheit und Chaos hervorgegangen. Die Lehren können und sollten uns in einer Kultur der Anpassungsfähigkeit bei der Gestaltung einer widerstandsfähigeren Zukunft leiten. Und das bitte nur mehr gemeinsam! Denn die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, sind nicht mehr auf einzelne Nationen beschränkt. Nur gemeinsam können wir Chaos in Klarheit, und Unsicherheit in Chancen verwandeln.”