Portugal wird der erste europäische Kunde für Embraers Kampf- und Trainingsflugzeug A-29N Super Tucano. In einer parlamentarischen Anhörung kündigte der neue portugiesische Verteidigungsminister Nuno Melo jedenfalls eine Beschaffung des Turboprop-Musters für die heimische FAP an. In einigen Jahren könnte das Modell auch beim Bundesheer zum Thema werden.
Der derzeitige Rechtsrahmen sieht durch das Finanzierungsgesetz „Military Programming Law” (LPM) ein Budget von 180,5 Millionen Euro für die Anschaffung von Luftnahunterstützungsflugzeugen (CAS) als Ersatz für die 2018 abgestellten Alpha-Jets (Anmerkung: es handelte sich dabei – optisch an den spitzen Nasen erkennbar – um frühere deutsche Maschinen) vor.
„Das Flugzeug weist ideale Eigenschaften für den Einsatz in Afrika auf, wo Portugal mehrere Missionen hat”, so Melo. Der Politiker weiter: „Wir wissen auch, dass unabhängig von uns weitere NATO– und Nicht-NATO-Länder Interesse an einer Beschaffung haben.”
Schon während der LAAD Defence & Security 2023 (–> Aktuelle Eindrücke von der LAAD Defence & Security) in Rio kündigte Embraer die Einführung der Version A-29N Super Tucano des leichten Angriffs-, bewaffneten Aufklärungs- und Trainingsflugzeugs an. Dabei handelt es sich um eine NATO-Konfiguration, die abgestimmt auf die Bedürfnisse der europäischen Nationen gestaltet wurde. Dabei geht es beispielsweise um eine neue Datenverbindung, die den Betrieb mit nur einem Piloten erlaubt. Aber auch um andere Modifikationen wie einbettete Virtual, Augmented und Mixed Reality.
Super Tucano-Fertigung in Portugal
Natürlich ist Portugals Wahl zu einem guten Teil auch durch die Präsenz von Embraer im Land motiviert. Die Brasilianer halten 65 Prozent der portugiesischen Tochtergesellschaft OGMA in Alverca (nördlich Lissabons). Die Firma ist auch dem Bundesheer von zwei C-130 Überholungen (-> Bundesheer-Hercules übersiedeln nach Portugal) gut bekannt. Dort finden sich Wartungseinrichtungen und logistische Unterstützung für die technologische Ausrüstung des Flugzeugs, geplant ist vor Ort aber auch eine Teilfertigung der für Portugal bestimmten Maschinen. Das haben die Präsidenten Brasiliens und Portugals bereits im April 2023 in Alverca vereinbart. Der damalige Verteidigungsminister Jose Mucio erklärte, dass die im Vorjahr erfolgte Zertifizierung der Flugzeuge durch die NATO „verschiedene Türen auf dem europäischen Markt und anderen Märkten öffnet, und dass die Produktion in Portugal auch bereits die Voraussetzungen der NATO erfüllt”.
Portugal will Ausbildung „heimholen”
Entscheidend für die nun getroffene Kooperation ist auch die langjährige Kooperation von Portugal und Brasilien im militärischen Bereich, zu nenen wären dabei zum Beispiel diverse Austausch- und Ausbildungsprogramme. Und auch hier ergeben sich Synergien, da die Super Tucano auch als fortschrittliches Trainingsflugzeug eingesetzt wird und eine vielseitige Plattform für die Ausbildung von Kampfpiloten bietet. Die FAP plant bereits, die Super Tucanos in der 103. Staffel Caracóis einzusetzen und damit die nach dem Abzug der Alpha Jets im Jahr 2018 ausgesetzte heimische Pilotenausbildung wieder aufzunehmen.
Das Cockpit der A-29N ähnelt sehr dem von Jet-Kampfflugzeugen samt Schleudersitzen. Dadurch reduziert sich die Arbeitsbelastung der Piloten und das Situationsbewusstsein wird maximiert, mit einer fortschrittlich-ergonomischen Mensch-Maschine-Schnittstelle. Und Embraer bietet – Simulationspartner ist hier Rheinmetall – eine vollständige Palette von Bodentrainingsgeräten und -stationen an, welche die für die Pilotenausbildung erforderlichen Flugstunden reduzieren, den Lernprozess beschleunigen und Betriebskosten optimieren, so der Hersteller.
Mehr „Kämpfer“ oder mehr Trainer?
Hoffnungen macht sich Embraer mit seiner A-29N neben Portugal auch in Österreich: Hierzulande dürfte mittelfristig ein Ersatz für die seit 1981 in Betrieb befindlichen PC-7 Mk.1 zum Thema werden – obwohl die Maschinen noch keineswegs abgeflogen sind und sie sogar ein moderates Instrumenten/NavAid-Upgrade erhalten sollen. Die BMLV-Rüstungsdirektion, die 2023 die LAAD und Embraer besuchte, zeigte sich jedenfalls interessiert. Neben Embraer haben das Thema aber längst auch andere Hersteller wie Beechcraft-Textron, Grob oder Diamond Aircraft auf dem Radar.
Hört man sich dort um, wird die Super Tucano mehr als leichtes Angriffsflugzeug etwa für die „Aufstandsbekämpfung” (COIN) und speziell für taktisches (Waffen)Training gesehen, denn als Basistrainer. So wird etwa ins Treffen geführt, dass Muster wie die T-6II stets ein Drittel pro Stück günstiger und auch günstiger im Betrieb wären. Zudem wäre die Super Tucano aerodynamisch instabiler, nicht weil sie schlecht konstruiert wäre, sondern weil sie als leichtes Kampfflugzeug schwerer konzipiert sei. Vor diesem Hintergrund wird etwa der gegenüber der Konkurrenz deutlich längere Rumpf angeführt. Dieser soll das Leitwerk aus der Flügelströmung heraushalten.
Aber andererseits kann man natürlich mit der Super Tucano auch zeitgemäß und fortgeschritten ausbilden, beispielsweise mit HOTAS-Auslegung oder der bordeigenen Simulation des APG-68 Radars. Zudem will man im Bundesheer die optionale Bewaffnung jedenfalls beibehalten, nicht zuletzt im Hinblick auf eine Einsatzrolle gegen sogenannte „Slow Mover”, aber auch mit Blick auf die Bekämpfung von Drohnen. Das schließt wiederum den Schweizer Hersteller Pilatus aus, sind von den Eidgenossen doch – nach der Aufregung um „bombenwerfende” PC-9 in Afrika – keine Maschinen mehr mit Verkabelungen für Waffeneinsätze erhältlich.
Am Ende werden in Österreich – das Thema hat aktuell allerdings keinerlei Priorität – der Preis, das Gesamtpaket und die heimische Wertschöpfung die Typenwahl zumindest mitentscheiden. Dabei kann es für die Brasilianer ein Vorteil sein, dass Österreich mit der C-390M dann schon Kunde ist (-> ÖBH: Nächster Schritt zur Embraer C-390M-Beschaffung), und natürlich auch, dass die Super Tucanos dann auch in der EU hergestellt werden können.
Rückkehr der Flügel-MG
Aktuell ist die Super Tucano als A-29 (also ohne NATO-„N”) offiziell bereits in 15 Ländern exportiert. Das Design ist robust und für den Einsatz unter rauen Bedingungen auf Langlebigkeit konzipiert, bei gleichzeitig geringem Wartungsaufwand. Die Maschine kann auf unpräparierten Start- und Landebahnen betrieben werden und bietet eine hohe Überlebensfähigkeit mit aktiven und passiven Schutzfunktionen (Radarwarnempfänger, Raketenannäherungswarner und automatisierte Täuschkörperwerfer). Die intuitive Steuerung ermöglicht es Piloten, sich auf die Missionsergebnisse zu konzentrieren und gleichzeitig von einem verbesserten Schutz durch gepanzertes Cockpit und Motorraum zu profitieren. Zu den Bordsystemen gehören auch ein Gimbal‘mit modernen elektrooptischen sowie Infrarotsensoren, ein integrierter Lasermarkierer für präzise Luftnahunterstützung sowie sichere taktische Kommunikations- und Navigationssysteme.
Das Waffenmanagementsystem (SMS) der A-29N wird wie behauptet „vollständig integriert” sein und fünf NATO-Standardstationen verwalten. Interessant ist die Positionierung von zwei überschweren Maschinengewehren des Kalibers .50 (12,7 Millimeter) samt Munition nicht an sondern IN den Tragflächen. Zudem wird bei der A-29N Flexibilität mit mehr als 160 Konfigurationsmöglichkeiten (siehe Tabelle oben) groß geschrieben. Aber natürlich müssen Waffen kundenseitig extra beschafft werden.
Die technischen Daten der Super Tucano:
Höchstgeschwindigkeit: 590 km/h
Flugdauer: Mehr als drei Stunden mit internem Kraftstoff, mit zwei externen Tanks und beispielsweise einem EO/IR-Sensor knapp mehr als fünf Stunden
Steigleistung: 990 Meter pro Minute
Gipfelhöhe: 10,6 Kilometer
Startstrecke (in Standardkonfig.): 900 Meter
Landestrecke in Standardkonfig: 860 Meter
Update: Am 4. Juli wurde in einem Kommuniqué des Ministerrats in Oliveira de Azeméis eine Resolution gebilligt, mit der die Aufnahme von technischen Gesprächen und Verhandlungsgesprächen im Hinblick auf den Erwerb von A-29 Super Tucano-Flugzeugen durch den portugiesischen Staat sowie die Konstruktion und Entwicklung ihrer NATO-Konfiguration genehmigt wurde.
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