Das Streitgespräch mit Wolodymyr Selenskyj verdeutlicht Trumps Kurswechsel in der US-Außenpolitik. Die USA nehmen zunehmend Abstand von der Einstufung Russlands als Bedrohung, zudem gewinnen Forderungen nach einem NATO-Austritt – etwa von Elon Musk – an Einfluss.
Trump hält NATO-Engagement offen, fordert aber höhere Verteidigungsausgaben
Während Trump nicht explizit einen Austritt der USA aus der NATO angekündigt hat, übt er weiter massiven Druck auf die europäischen Partner aus, ihre Verteidigungsausgaben auf bis zu 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Immer wieder betont er, dass die USA nicht länger die finanzielle Hauptlast des Bündnisses tragen wollen.
EU-Kommissar Thierry Breton erinnerte kürzlich an ein Treffen in Davos 2020 mit Trump und der inzwischen wiedergewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, bei dem Trump sagte: „Übrigens, die NATO ist tot. Wir werden sie verlassen.”
Vor der Wiederwahl 2024 äußerte Trump sogar, dass er Russland „ermutigen würde, mit jedem NATO-Mitglied, das die Verteidigungsausgabenrichtlinien nicht einhält, zu machen, was zum Teufel sie wollen” – eine Äußerung, die als direkte Missachtung der kollektiven Verteidigungsverpflichtung nach Artikel 5 gewertet wurde.
Die dramatische Verschiebung der US-Außenpolitik stimmt mit der sicherheitspolitischen Weltsicht Moskaus offenbar gut überein. „Die neue US-Regierung verändert rapide alle außenpolitischen Strukturen. Das stimmt größtenteils mit unserer Vision überein”, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in einem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen, das am 2. März veröffentlicht wurde – geführt wurde es aber bereits am Mittwoch, also noch vor Trumps Streitgespräch mit Selenskyj im Oval Office.
I agree https://t.co/ZhjBXCTQfp
— Elon Musk (@elonmusk) March 2, 2025
Elon Musk unterstützt NATO-Austritt – Einfluss auf Trump-Administration wächst
Inmitten dieser strategischen Neuausrichtung sorgt Elon Musk für zusätzliche Unruhe. Musk, der eine Schlüsselfigur mit erheblichem Einfluss auf die Trump-Administration ist und die Stelle für Regierungseffizienz (DOGE) verantwortet (offizielle Leiterin ist Amy Gleason), befürwortete öffentlich einen Austritt der USA aus der NATO.
Am 1. März antwortete er auf einen Beitrag auf X (ehemals Twitter) mit „Ich stimme zu”, in dem es hieß: „Es ist Zeit, die NATO und die UN zu verlassen.”
Seine Haltung steht im Einklang mit den Forderungen einiger republikanischer Politiker, darunter Senator Mike Lee, der die NATO als „Relikt des Kalten Krieges” bezeichnet und fordert, dass das Bündnis „zum Stillstand kommen muss”. Lee argumentiert, dass die NATO zwar ein „großartiger Deal für Europa”, aber ein „harter Deal für Amerika” sei – und dass die USA durch ihr Engagement in der Allianz von der Fokussierung auf China und den Pazifik abgehalten würden.
Strategische Unsicherheiten – NATO reagiert mit Sondergipfel und neuen Initiativen
Der anhaltende Krieg in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) und die zunehmende Rolle der NATO bei der Bereitstellung von Militärhilfen lassen einen möglichen US-Ausstieg aus dem Bündnis zu einer sicherheitspolitischen Zäsur werden.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben ihre Besorgnis über Trumps Haltung zur NATO wiederholt geäußert. Großbritannien hat daher einen Sondergipfel einberufen, um die russische Aggression weiter einzudämmen und die Stabilität in Osteuropa zu sichern. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte an, dass auf einem EU-Treffen am kommenden Donnerstag über den Aufbau einer eigenständigen europäischen Verteidigungsarchitektur beraten werde: „Wir sprechen hier von Hunderten Milliarden Euro.”
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte bereits, dass die EU einen eigenen Verteidigungsfonds in Höhe von 700 Milliarden Euro plane. 110 Milliarden Euro davon seien speziell für die Ukraine vorgesehen.
Fazit: Transatlantische Partnerschaft vor einer Zerreißprobe
Die derzeitigen Spannungen zwischen den USA und Europa könnten das NATO-Bündnis auf eine historische Probe stellen. Während Trump die europäische Verteidigungsarchitektur ins Wanken bringt, beginnen die EU-Staaten zunehmend eigene Sicherheitsstrategien zu entwickeln.
Ob die USA unter Trump das Bündnis verlassen oder lediglich ihre Bedingungen verschärfen, bleibt ungewiss – sicher ist jedoch, dass die transatlantischen Beziehungen tiefgreifenden Veränderungen gegenüberstehen. Oder daraus möglicherweise sogar etwas ganz anderes entwächst, wie der frühere SACEUR der NATO (Supreme Allied Commander Europe = Alliierter Oberkommandierender in Europa) Admiral James Stavridis gegenüber dem Telegraph meinte: „Die schwankende Unterstützung der USA für den Verteidigungsblock könnte die Tür für eine neue ,Europäische Vertragsorganisation’ öffnen. Vielleicht erleben wir gerade die letzten Tage des Bündnisses wie wir es kannten.”
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