Im Juni 1942 besetzten die Japaner die Aleuteninseln Attu und Kiska. Was als Ablenkungsmanöver für den japanischen Vorstoß gegen Midway gedacht war, entwickelte sich zu einer Schlacht unter schwersten Bedingungen und dabei spielten die Bomberstaffeln der United States Army Air Force (USAAF) eine besondere Rolle.
Ihr Kommandeur Colonel William Eareckson war genauso unkonventionell wie die von seinen Bomberbesatzungen angewandten Verfahren. Dabei konnte er sich aber der Rückendeckung seines Vorgesetzten sicher sein. General Simon Bolivar Buckner, der Kommandeur der amerikanischen Heereskräfte in Alaska, hatte zwei Feldflugplätze auf den östlichen Aleuten anlegen lassen, die er so geheim gehalten hatte, dass nicht einmal seine Vorgesetzten davon wussten. Er schätzte Eareckson, machte aber auch seine Missbilligung deutlich, wenn er es für nötig hielt. Dabei kam es wohl zu der bizarrsten Verleihungszeremonie in der Geschichte der US Army.
Vom Stützpunkt auf Umnak aus startete eine Handvoll B-17 und LB-30 (eine frühe Version der B-24) der USAAF und warf ihre Bomben über Kiska ab. Die B-18-Bolo-Bomber, mit denen die Staffeln zunächst ausgerüstet waren, hatten noch nicht einmal die nötige Einsatzreichweite gehabt. Und dass man überhaupt über LB-30 verfügte, war ein Glücksfall, eigentlich waren diese Bomber als „Lend-and-Lease”-Hilfe für Großbritannien bestimmt gewesen.
Aber auch die Navy hatte ihren Anteil an der „Kiska Blitz” genannten Luftoperation. Bei der Insel Atka lag der Seeflugzeugtender USS Gilles. Die dazu gehörenden Catalina-Flugboote unter dem Kommando vom Captain Leslie E. Gehres waren eigentlich für Seenotrettung, Langstreckenpatrouillen und U-Boot-Jagd vorgesehen. Jetzt operierten sie als Bomber, die ihre Ziele sogar im Sturzflug angriffen, wofür die Catalinas nun ganz und gar nicht geeignet waren. Die Todesverachtung und das fliegerische Geschick der amerikanischen Piloten nötigte den Japanern Respekt ab, allerdings bewirkte es zunächst nicht sehr viel.
Bald hatte das Bomberkommando der in Alaska stationierten 11th Air Force aber mehr Maschinen zur Verfügung. Es stand unter der Führung eines charismatischen Kommandeurs, Colonel William O. Eareckson. Er war ein Draufgänger, die meisten seiner Kameraden auch. Als er vor dem Krieg seine Hochzeit im Spielerparadies Reno feierte, lud er seine Staffelkameraden ein. Die kamen auch, mitsamt ihren Maschinen im Tiefflug.
In Alaska entwickelten die Bomberbesatzungen der USAAF Verfahren, die sonst nirgendwo praktiziert wurden. Meist flog ein einzelnes Wetterflugzeug voraus. Wenn das einigermaßen fliegbare Bedingungen über dem Zielgebiet meldete, starteten die anderen Bomber. Mit Einsätzen in Europa hatten diese Unternehmen aber nicht viel gemeinsam. Bombenangriffe aus großer Höhe mit Bodensicht gab es höchst selten. Manchmal flogen die Bomber den durch die Wolkendecke ragenden Gipfel des Mount Kiska an, drehten genau über dem Gipfel auf Zielkurs, flogen in exakt festgelegter Geschwindigkeit und Höhe und lösten nach Stoppuhr die Bomben aus. Manchmal unterflogen sie auch die Wolken. Dann schossen die viermotorigen Bomber in nur wenigen Metern Höhe über den Wellen heran. Das war ausgesprochen gefährlich, nahm aber den Japanern die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Über dem Zielgebiet schossen die MG-Schützen Dauerfeuer, dann wurden die Bomben ausgelöst. Die waren mit Zeitzündern versehen, Aufschlagzünder hätten in der Höhe unweigerlich den Absturz des Bombers herbeigeführt.
Den Japanern gelang es nicht, einen Feldflugplatz für Jagdflugzeuge anzulegen, so sehr sie sich auch bemühten. Die einzige Abwehr gegen amerikanische Bomber bestand in den Schwimmerflugzeugen vom Typ Nakajima A6M-2N Rufe, einer wesentlich langsameren maritimen Ausführung der Zero.
Colonel Eareckson hielt es nicht in seiner Kommandobaracke auf Umnak. Etliche Einsätze flog er selbst mit, mal als Pilot, dann als Kopilot, als Navigator, als Bombenschütze, sogar als MG-Schütze im Heckstand. Die amerikanischen Jagdflieger, zunächst nur eine Staffel P-40-Jagdflugzeuge unter dem Kommando von Jack Chennault (Sohn des berühmten Kommandeurs der „Flying Tigers” in China, Claire Lee Chennault), hatten wenig zu tun. Auf die lange Entfernung von den Flugfeldern im Osten der Aleutenkette bis hin nach Kiska konnten die Jagdflieger keinen Begleitschutz gewähren, die Abwehr sporadischer japanischer Luftangriffe (oft durch Flugboote) blieb die Hauptaufgabe – zunächst.
Am 30. August 1942 landeten 4.500 Soldaten der US Army auf Adak, einer Aleuteninsel, die nicht von den Japanern besetzt war. Sofort machten sich die Pioniere an die Anlage eines Flugfeldes, das schon bald einsatzfähig war. Am 14. September starteten die ersten B-24-Bomber zu ihren Angriffen auf Kiska, das rund 300 Kilometer entfernt war, von Umnak aus waren es rund 1.000 Kilometer. Nun konnte man den Bombern Jäger als Begleitschutz mitgeben, gegen die die „Rufes” keine Chance hatten. Außerdem machten die P-39-Airacobras und P-38-Lightnings mit ihrer Kanonenbewaffnung kurzen Prozess mit mancher japanischen Flakstellung auf Kiska. Bereits am 9. August 1942 waren zwei P-38Es der 343rd Fighter Group am Ende einer Langstreckenpatrouille von mehr als 1.500 Kilometern auf zwei japanische Kawanishi H6K-Mavis-Flugboote gestoßen und hatten sie abgeschossen.
Am 12. Januar 1943 erfolgte die Landung der Amerikaner auf Amchitka bei miesestem Wetter. Nun war Kiska sogar in Sichtweite – theoretisch, denn die Wetterverhältnisse erlaubten selten gut Sicht. Die Japaner flogen wütende Luftangriffe von Kiska aus, mit Flugbooten, denn eine Landepiste hatten sie immer noch nicht errichten können. Das in Eile gebaute amerikanische Flugfeld auf Amchitka war aber schon am 16. Februar einsatzbereit.
Am 11. Mai 1943 erfolgte die Landung der 7th Infantry Division auf Attu („Operation Landcrab”). Die nachfolgenden Kämpfe waren ausgesprochen hart. Der amerikanische Vormarsch wurde zusätzlich noch durch das Wetter und das Terrain erschwert.
Colonel Eareckson hielt es natürlich nicht länger in seiner Kommandobaracke. Er lieh sich bei der Navy ein Schwimmerflugzeug von Typ Kingfisher aus, mit dem er über der Insel herumkreiste und das Feuer der vor der Insel liegenden Schiffe der US Navy dirigierte beziehungsweise die Angriffe seiner Bomber und Jagdbomber. Manchmal setzte sich auch General Buckner auf den Beobachtersitz und ließ es sich nicht nehmen, die Japaner eigenhändig mit dem MG zu beschießen. Die ganze Angelegenheit war natürlich gefährlich und Eareckson führte immer eine Handvoll Korken mit sich, um den zerlöcherten Schwimmkörper der Maschine nach der Landung abzudichten, damit sie nicht versankt. Eareckson beschloss, sich an den Kämpfen am Boden zu beteiligen, lieh sich ein Gewehr und erhielt einen Treffer in den Rücken, der nicht lebensbedrohlich war. Dafür bekam er sofort von Buckner das Verwundetenabzeichen „Purple Heart” und außerdem einen Tritt in den Hintern für eigenmächtiges Verhalten („For being where you had no business being”).
Dabei wäre Eareckson beinahe gar nicht Pilot geworden. Der 1900 geborene Sohn von Thomas B. Eareckson kämpfte als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg in Frankreich. Dort wurde er verwundet. Nach dem Krieg blieb er in der Armee und erhielt die Zulassung nach West Point. Nach seiner Graduation meldete er sich zur Pilotenausbildung und fiel durch. Die Ausbildung zum Ballonfahrer bestand er aber. Im Jahre 1939 bekam er schließlich das Kommando über die 36th Bombardment Squadron. Obwohl seine Qualitäten außer frage standen, wurde er nach dem Einsatz über den Aleuten nicht mehr befördert. 1954 schied er als Colonel aus dem Dienst aus, er hatte diesen Rang schon 13 Jahre inne.
Colonel William „Eric” Olmstead Eareckson starb am 25. Oktober 1965. Er überlebte Buckner um 20 Jahre. Buckner war nämlich auch nicht viel anders als Eareckson. Auf Okinawa kam er ums Leben, weil er die Angewohnheit hatte, sich häufig in Frontnähe aufzuhalten. Dabei agierte er nicht immer vorsichtig und zog das Feuer der Japaner auf sich, dem er schließlich zum Opfer fiel.