Ein kürzlich veröffentlichter Beitrag im ukrainischen Militärfernsehen stellte das Iris-T-Mittelstrecken-Flugabwehrsystem von Diehl Defence in den Mittelpunkt. Besonders bemerkenswert dabei: Ein Bild eines Gefechtsstand-Containers einer Batterie, der mit zahlreichen Killmarks versehen war – ein eindrucksvoller Beleg für den anhaltenden Erfolg des Luftverteidigungssystems im Ukraine-Krieg (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg).

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Wie aus dem Landesverteidigungsbericht 2023 unter Punkt 7.2.3.3. hervorgeht, hat Österreich Interesse am Iris-T SLM-System bekundet. Darüber hinaus fördert die European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement (EDIRPA) mit dem Programm JAMIE die gemeinsame Beschaffung von Iris-T SLM-Luftverteidigungssystemen mittlerer Reichweite durch sechs Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich. Zudem ist Österreich Teil der European Sky Shield Initiative (ESSI), in deren Zentrum ebenfalls IRIS-T steht.

Grund genug für uns, das System einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

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Die Wurzeln des Iris-T-Systems von Diehl Defence

Die Ursprünge von Iris-T gehen auf den Wunsch mehrerer europäischer Luftstreitkräfte zurück, einen Nachfolger für die US-amerikanische Sidewinder-Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete zu entwickeln. Dabei spielte die Erkenntnis eine Schlüsselrolle, die nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung mit der russischen MiG-29 und der dazugehörigen Vympel R-73 (NATO-Code: AA-11 Archer) gewonnen wurde: Bei zahlreichen NATO-Luftkampfmanövern erwies sich die hochagile R-73, die vom MiG-29-Piloten per Helmvisier gesteuert wurde, als überlegene Waffe im Nahbereichs-Luftkampf – ein entscheidender Impuls für die Entwicklung der Iris-T.

Heute ist das System die primäre Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete für den Eurofighter, die Saab Gripen sowie weitere Kampfflugzeugtypen. Sie wird in den Luftstreitkräften von mehr als zehn Ländern eingesetzt – darunter auch Österreich.

Iris-T Luft-Luft-Rakete – ©Diehl Defence
Die Kompatibilität mit bestehenden Sidewinder-tragenden Flugzeugen war eine zentrale Anforderung bei der Entwicklung der IRIS-T. Daher nutzt sie die gleichen Startschienen und Anschlüsse und weist nahezu identische Abmessungen und Masse auf.

Die IRIS-T Luft-Luft-Rakete

Die Bezeichnung Iris-T steht für InfraRed Imaging System Tail/thrust vector-controlled – also ein infrarotbildgebendes System mit Schubvektorsteuerung. Und der Name ist Programm: Am vorderen Ende der Rakete befindet sich ein schwenkbarer Suchkopf mit einem bildgebenden Infrarot-Sensor. Dieser erzeugt mithilfe eines Spiegelsystems 80-mal pro Sekunde ein hochauflösendes Infrarotbild mit 128 × 128 Pixeln. Die Zielerfassung kann dabei über verschiedene Quellen erfolgen:

  • ein angeschlossenes Waffensystem (z. B. Radar),
  • ein Helmvisier,
  • einen Raketenanflug-Warner,
  • oder Datenlink.
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Nach dem Start übernimmt das Steuersystem am Heck der Rakete die Kontrolle. Es besteht aus vier aerodynamischen Steuerflächen zur Lageregelung. Die außergewöhnliche Manövrierfähigkeit, insbesondere in der Startphase, wird jedoch durch vier Strahlruder erreicht, die den Abgasstrahl des Feststoffmotors gezielt umlenken und so extreme Richtungswechsel ermöglichen.

Der leistungsstarke Feststoffmotor beschleunigt die Iris-T auf über Mach 3, während sie gleichzeitig mit einer Drehrate von bis zu 60 Grad pro Sekunde manövrieren kann. Theoretisch wäre es ihr so möglich, bei vollem Schub auf der Fläche von zwei Fußballfeldern im Flug eine Kehrtwende zu vollziehen.

Die dabei auftretenden Belastungen von über 100 g hält die Rakete problemlos aus. Mit einer Länge von 2,9 Metern und einem Gewicht von 88 Kilogramm erreicht sie eine theoretische Reichweite von bis zu 25 Kilometern.

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Flexibler Suchkopf für 360-Grad-Bekämpfung

Das Alleinstellungsmerkmal der Iris-T: Sie ist in der Lage, selbst andere Luft-Luft-Raketen im Flug abzufangen und dient damit als zusätzliches Selbstverteidigungssystem für das Trägerflugzeug.

Der Suchkopf der Iris-T benötigt zum Start noch kein Ziel im Blickfeld, sondern kann dieses auch erst nach dem Abschuss erfassen. Dadurch können nicht nur Ziele vor dem Trägerflugzeug, sondern auch hinter der Maschine bekämpft werden. Das Einsatzgebiet der Rakete erstreckt sich somit nahezu kugelförmig um das Trägerflugzeug.

Der bildgebende Infrarot-Sensor greift zur Zielerkennung und Identifikation auf eine interne Bibliothek mit typischen Infrarot-Signaturen verschiedener Luftziele aus unterschiedlichen Blickwinkeln zurück. Dadurch kann die Rakete zwischen einem Störkörper und dem eigentlichen Ziel unterscheiden.

Damit der Treffer möglichst effektiv ist, enthält die Bibliothek zudem Informationen darüber, wo ein Ziel getroffen werden sollte, um maximalen Schaden zu verursachen.

Iveco 4x4 mit Iris-T SLS – ©Archiv
In der Ukraine wird ein Iveco 4×4-Lkw als Startfahrzeug für das Iris-T SLS-System eingesetzt.

Gefechtskopf und Zündung

Die Nutzlast der Iris-T besteht aus einem 11,4 Kilogramm schweren Gefechtskopf mit vorfragmentierten Splittern. Dieser wird entweder durch Aufschlag oder über einen Radarnäherungssensor gezündet und gewährleistet eine hohe Zerstörungswirkung gegen das anvisierte Ziel.

Da die bildgebende Infrarottechnologie der Iris-T nach mittlerweile 20 Jahren allmählich in die Jahre kommt, hat das BAAINBw (Beschaffungsamt der Bundeswehr) Ende Dezember 2024 einen Vertrag mit Diehl Defence zur Weiterentwicklung der Iris-T Block II unterzeichnet.

Im Mittelpunkt der Block II-Variante steht eine umfassende Modernisierung der Elektronik, um die Rakete für die kommenden Jahre fit zu machen. Wichtige Verbesserungen betreffen:

  • Reaktionsgeschwindigkeit,
  • Reichweite,
  • Qualität der Zielerfassung,
  • Störresistenz,
  • sowie die Datenlink-Fähigkeiten.

©Militär Aktuell

Die Iris-T Boden-Luft-Rakete

Die Entwicklung des Iris-T SLS-Systems basiert zu einem großen Teil auf einer ökonomischen Entscheidung.

Die auf Kampfflugzeugen mitgeführten Iris-T-Raketen sind während ihres Einsatzes ständig Belastungen wie Vibrationen, extremen Temperaturen und Druckunterschieden ausgesetzt. Mit der Zeit summieren sich diese Einflüsse so weit, dass die Herstellergarantie erlischt – selbst wenn die Raketen grundsätzlich noch funktionstüchtig sind.

Im Gegensatz dazu können ungenutzte Raketen, Raketen, die rechtzeitig aus dem Flugbetrieb genommen werden, bei sorgfältiger Lagerung in Containern über viele Jahre hinweg einsatzfähig bleiben. So entsteht im Laufe der Zeit ein wachsender Bestand an fluguntauglichen, aber technisch intakten Raketen.

Die Lösung: Ein zweites Leben als Boden-Luft-Rakete – und genau darauf basiert Iris-T SLS.

Iris-T-Rakete im Flug – ©Diehl Defence
Vom Boden gestartete Iris-T-Raketen erzielen etwa die doppelte Reichweite und Flughöhe im Vergleich zu tragbaren MANPADS-Boden-Luft-Raketen.

Das Iris-T SLS-System setzt genau dieses Konzept um: Es nutzt die Luft-Luft-Rakete als Basis für ein bodengestütztes Kurzstrecken-Flugabwehrsystem.

  • Schweden verwendet als Trägersystem den BV410 Hägglunds und bezeichnet das System als RBS 98.
  • In der Ukraine kommen Iveco 4×4-Lkw (siehe Bild oben) als Startfahrzeuge zum Einsatz.

Bei einem Bodenstart erreicht die Rakete eine Reichweite von bis zu 10 Kilometern und kann Ziele in Höhen von bis zu 8 Kilometern bekämpfen.

Das Iris-T SLM-System

Mitte der 2000er-Jahre forderte das BAAINBw dann die Entwicklung eines bodengestützten Flugabwehrsystems, das den Luftraum unterhalb der Langstreckensysteme wie Patriot und des nie realisierten MEADS abdeckt.

Iris-T SLS und Iris-T SLM im Vergleich – ©Diehl Defence
Die große SLM fliegt mit rund 3.300 km/h bis zu 40 Kilometer weit, die kleinere SLS mit nur rund 2.200 km/h bis zu 10 Kilometer weit.

Die Iris-T SLM nutzt das Sensorpaket der Luft-Luft-Rakete, kombiniert es jedoch mit einem deutlich größeren Feststoffmotor, der ebenfalls über Schubvektor-Steuerung verfügt.

Das Ergebnis: Ein 240 Kilogramm schwerer Flugkörper mit einem erweiterten Durchmesser von 152 mm, der beim Bodenstarteine Geschwindigkeit von über 1.000 Metern pro Sekunde erreicht.

Beim Start ist der Suchkopf von Iris-T SLM durch eine stromlinienförmige Abdeckung geschützt. Diese wird abgeworfen, sobald die Rakete eine Distanz erreicht, ab der sie ein Ziel erfassen kann.

Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt die Steuerung über:

  • eine verbesserte interne Fluglageregelung (INS),
  • GPS-Navigation,
  • sowie einen 2-Wege-Datenlink zum Radar der Flugabwehrbatterie.

Die Iris-T SLM kommt auf eine Reichweite von bis zu 40 Kilometern und kann Ziele in Höhen von bis zu 20 Kilometern bekämpfen.

Bis zum Abschuss verbleibt die Rakete in einem versiegelten Lager-, Transport- und Startbehälter, was die Wartung reduziert und ihre Einsatzbereitschaft über Jahre hinweg sicherstellt.

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Die Batterie

Diehl Defence fungiert als Generalunternehmer und Systemintegrator des Iris-T SLM-Systems und liefert die Raketen.

Das Herz und Hirn der Batterie ist der C2-Gefechtsstand (TOC – Tactical Operations Centre), untergebracht in einem Container. Die Gefechtsstand-Software, IBMS-FC (Integrated Battle Management Software – Fire Control), stammt von Airbus und steuert die gesamte Einsatzkoordination.

Als Sensor der Batterie dient das TRML-4D-Multifunktionsradar von Hensoldt. Mit einer Reichweite von bis zu 250 Kilometern kann es eine Fläche von rund 200.000 Quadratkilometern überwachen und simultan bis zu 1.500 Ziele verfolgen.

Blick in den Gefechtsstand einer Iriis-T SLM Batterie – ©Archiv
Blick in den Gefechtsstand einer Iriis-T SLM Batterie. Von mehreren Bildschirmarbeitsplätzen wird das Gefecht geführt.

Der Gefechtsstand-Container, das Radar sowie die drei bis acht Startfahrzeuge, die jeweils bis zu acht startbereite Raketen mitführen, sind auf geländegängigen 8×8 HX-Lkw von Rheinmetall MAN Military Vehicles montiert – gefertigt in Wien.

Das Iris-T SLM-System ermöglicht eine 360-Grad-Rundumverteidigung gegen Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen (-> Zum Militär Aktuell Drohnen-Themenschwerpunkt) und andere Flugkörper. Dank der Fähigkeit, die Startfahrzeuge in einem Radius von bis zu 20 Kilometern vom Radar- und C2-Gefechtsstand entfernt in Gefechtsposition zu bringen, kann eine Batterie ein Einsatzgebiet von rund 5.000 bis 7.000 Quadratkilometern abdecken.

Die Kosten für eine vollständige Batterie, einschließlich Flugkörpern, liegen bei etwa 200 Millionen Euro.

TRML-4D-Radar – ©Hensoldt
Das Hensoldt TRML-4D-Radar dient der Zielsuche und Verfolgung. Es liefert die Daten für den Flugpfad der Rakete, bis diese ihr Ziel eigenständig erfasst.

Iris-T SLM in der Ukraine

Bis Februar 2025 hat die Ukraine insgesamt sechs Flugabwehrsysteme Iris-T SLS/SLM erhalten. Das erste System wurde nach einer zehnwöchigen Ausbildungsphase im Oktober 2022 in Dienst gestellt.

Bereits im ersten Jahr konnte die Ukraine damit laut Diehl Defence mehr als 100 erfolgreiche Abschüsse verzeichnen – bei einer nahezu hundertprozentigen Trefferquote.

Dass diese Zahlen stimmen, dürfte außer Frage stehen, denn alle Einsatzdaten der abgefeuerten Raketen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt an den Hersteller übermittelt. Diese realen Gefechtsdaten sind essenziell für kontinuierliche Verbesserungen und Optimierungen des Systems.

Nachladen eines Iris-T SLM-Startfahrzeuges – ©Archiv
Der Nachschub an Raketen war bisher eines der schwierigsten zu lösenden Probleme in der Ukraine. Im Bild: Nachladen eines Startfahrzeuges.

Wachsende Nutzerzahl und Produktionssteigerung

Auch Ingo Gerhartz, Chef der deutschen Luftwaffe, zeigt sich zufrieden. Deutschland nahm im September 2024 als drittes Land nach der Ukraine und Ägypten das Iris-T SLM-System in Todendorf bei der Flugabwehrraketengruppe 61 (FlaRakGrp 61) in Dienst (-> Iris-T SLM für die Bundeswehr). Weitere (geplante) Nutzerstaaten sind Estland, Lettland (-> Bericht0), Slowenien (-> Bericht) und Bulgarien (-> Bericht).

Besonders bemerkenswert – und keineswegs selbstverständlich – ist die rasche Produktionssteigerung bei Diehl Defence. Da es sich um ein brandneues System ohne Lagerbestände handelt, musste die Fertigungskapazität massiv ausgebaut werden (-> Diehl Defence baut Standort Nonnweiler aus).

  • 2023 verdreifachte Diehl die Lenkflugkörper-Produktion.
  • 2024 war das Ziel eine weitere Verdoppelung.
  • Bis Februar 2025 wurden nach vorliegenden Informationen bereits 658 Iris-T-Raketen an die Ukraine geliefert.

Diese hohe Anzahl verdeutlicht aber auch, dass keine Raketenbatterie wahllos auf Ziele feuert. Vielmehr werden Ziele nach Priorität geordnet und, wo möglich, kostengünstigeren Abwehrsystemen zugewiesen.

Killmarks auf Iris-T SLM – ©Archiv
Abschusserfolge werden sowohl auf dem Startfahrzeug als auch auf dem Gefechtsstand-Container der Batterie vermerkt.

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin 2024 (ILA) standen weitere Investitionen im Fokus.

Um der steigenden Nachfrage nach Flugabwehrsystemen und Lenkflugkörpern gerecht zu werden, plant Diehl Defence in den kommenden Jahren Infrastrukturmaßnahmen im Wert von rund einer Milliarde Euro. Diese Investitionen sollen die Produktionskapazitäten erheblich ausweiten und die langfristige Lieferfähigkeit sicherstellen.

Die Situation in Österreich

Trotz der Erwähnung im Landesverteidigungsbericht 2023, der Unterstützung durch EDIRPA und der Mitgliedschaft in der ESSI, hat das Österreichische Bundesheer offiziell noch keine Entscheidung über die Beschaffung eines Mittelstrecken-Flugabwehrsystems getroffen.

Iris-T SLM-Batterie – ©Diehl Defence
Eine Batterie besteht aus einem C2-Gefechtsstand (links), drei bis acht Startfahrzeugen mit je bis zu acht Raketen (mitte) und einem Radar (rechts).

Ausgehend von einer Liste mit rund 15 Systemen bewerten Fachleute die Vor- und Nachteile jedes einzelnen Kandidaten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich die Favoritengruppe auf folgende Systeme verengen:

Dabei sind sowohl militärisch-technische als auch operative Fragen zu klären, darunter die Einbindung in das bestehende Sensor- und Datennetzwerk des Bundesheeres, sowie die Tauglichkeit für die in Österreich herrschenden geografischen und meteorologischen Bedingungen.

Darüber hinaus spielen auch wirtschafts- und außenpolitische Faktoren eine entscheidende Rolle. Erst nach deren sorgfältiger Abwägung kann auf höchster Ebene eine finale Beschaffungsentscheidung getroffen werden.

 

Quelle©Diehl Defence, Archiv, Hensoldt