Vor exakt 110 Jahren stürzte mit der „Körting” das letzte Militärluftschiff der k.u.k. Armee ab, nachdem es mit einem Doppeldecker kollidiert war. Heute um 09:30 Uhr findet in Fischamend eine Gedenkfeier für die neun Opfer dieser Katastrophe statt. Militär Aktuell beleuchtet die größte Tragödie der Luftfahrt der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Nachdem die Heeresführung der k.u.k. Armee zwischen 1910 und 1912 entschieden hatte, dass Luftschiffe keine Zukunft beim Militär haben sollten, wurden die vorhandenen Lenkballone abgewrackt oder außer Dienst gestellt. Im Jahr 1914 war die „Körting” damit das letzte verbliebene Luftschiff der k.u.k. Armee. Stationiert war dieser Lenkballon auf der Militäraeronautischen Anstalt Fischamend, der größten Luftfahrtforschungsstätte der gesamten Donaumonarchie – Militär Aktuell berichtete in einer eigenen Reportage. 2009 fand hier übrigens ein historischer Jubiläumsflugtag statt, zu dem im heurigen Jahr ein eigener Bildband erschienen ist.

110 Jahre „Körting”-Tragödie – ©Archiv „Interessengemeinschaft Luftfahrt Fischamend”
In diesem Bild sind die Hallen, also der Startplatz der „Körting”, sowie die Flugzeughangar und der Absturzort eingezeichnet.

Die „Körting” – genaue Typenbezeichnung „M.III Körting” – war in halbstarrer Bauweise aufgeführt. Der Auftrieb wurde durch eine Wasserstofffüllung (maximal 3.600 Kubikmeter Fassungsvermögen) der Luftschiffhülle erzeugt. Gesteuert wurde das Luftschiff über die Schwerpunktverlagerung mittels Wassergewicht. Weiters waren zwei Luftballonets zur Höhensteuerung im Luftschiffbauch eingebaut. Die „Körting” hatte eine Länge von 68 Metern, einen Durchmesser von 10,5 Metern und erreichte eine Maximalgeschwindigkeit von 57 Stundenkilometern. Die reguläre Reisegeschwindigkeit lag bei 40 Stundenkilometern, ihre Reichweite betrug etwa 500 Kilometer. Als Antrieb dienten ihr zwei 75 PS starke Motoren mit zwei vierflügeligen Luftschrauben mit je drei Meter Durchmesser.

Der Erstflug des Luftschiffes fand am 1. Jänner 1911 in Fischamend statt, wo es auch in der eigens errichteten „Körting-Halle” untergebracht war. Heute stehen an dieser Stelle Einfamlienhäuser.

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Das Luftschiff wurde zuletzt zur Landvermessung aus der Luft genutzt und zu diesem Zwecke hatte man einen „Scheimpflug’schen Apparat” zur Erstellung von Lichtbildern eingebaut. Derart ausgestattet hob die „Körting” am 1. Juni 1914 zum ersten Mal seit gut 6 Monaten wieder ab, nachdem zuvor etliche Reparaturen ausgeführt worden waren. Es folgten weitere Fahrten und am 19. Juni nahm das Luftschiff mit seiner Besatzung sogar noch an einer Übung teil, die sie unter anderem nach Aspern (seit 1912 die Wiege der Fliegerei in Österreich) und Orth an der Donau führte. Am Samstag, den 20. Juni 1914, sollte die „Körting” eine weitere Fahrt durchführen. Doch die endete in einer Tragödie.

Die Besatzung der „Körting“

„Bereits im Vorfeld wurde die ursprünglich vorgesehene Besatzung abgeändert, indem zunächst der aufgrund seiner einschlägigen Vorkenntnisse wohl als fotografischer Gehilfe des Ingenieurs Kammerer, aber auch für die Einschulung in die Bedienung des ,Scheimpflug’schen Apparates’ vorgesehene Feuerwerker Geiswinkler durch Hauptmann Hauswirth in dessen Funktion als Kommandant der Luftschifferstation zur Erledigung von Kanzleiarbeiten von der Fahrt abgezogen wurde. Geiswinkler stammte aus Bruck an der Leitha und eröffnete nach dem Ersten Weltkrieg ein Fotostudio in Fischamend. Die zweite Veränderung entstand vermutlich dadurch, dass Oberleutnant von Pachner zu spät zum Aufstieg erschien. Es kann nur spekuliert werden, dass sein Platz durch einen Unglücklichen eingenommen werden musste”, erläutert Rudolf Ster, Obmann der Interessensgemeinschaft Luftfahrt Fischamend (ILF) und Veranstalter der heutigen Gedenkfeier in Fischamend.

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Hauptmann Hans Hauswirth.

So kam es, dass die Besatzung der „Körting” an diesem Tag aus sieben Personen bestand. Ihr Kommandant war Hauptmann Hans Hauswirth, ein ausgesprochen fähiger Offizier und Luftschiffer. Unter seinem Befehl standen Oberleutnant Ernst Hofstätter zur Bedienung der Steuer oder der Ventile sowie Leutnant Otto Haidinger in der gleichen Funktion. Korporal Franz Chadima und der Gefreite Franz Weber waren als sogenannte „Apparatchauffeure” für die Bedienung der beiden Motoren verantwortlich. Ingenieur Gustav Kammerer wiederum sollte Oberleutant Adolf Breuer, der vom k.u.k. Militärgeoprahischen Institut entsandt worden war, auf die Technik zur fotografischen Landvermessung einschulen.

Kommandant Hauswirth hatte den Ruf, einer der besten Luftschiffer der österreichisch-ungarischen Monarchie überhaupt zu sein. Der 35-Jährige freute sich schon auf seinen 36. Geburtstag am 23. Juni und hatte im Rahmen seiner Militärkarriere die Technische-Militärakademie absolviert. Hauswirth diente zunächst bei der Artillerie, ehe er sich 1904 auf eigenen Wunsch zur Luftschifferabteilung versetzen ließ.

„Vom 1. Mai bis zum 30. September 1905 absolvierte er den ,militäraeronautischen Kurs’ und schloss ihn mit der Bemerkung ,zum Luftschifferoffizier geeignet’ seiner Ausbilder ab”, weiß Experte Rudi Ster von der ILF zu berichten. Weitere Ausbildungen folgten und 1913 berief die militärische Führung Hauswirth zum Kommandanten der Luftschifferstation Fischamend. Oberleutnant Hofstätter hatte die Ausbildung zum diplomierten Lenkballonführer absolviert und war 31 Jahre alt. Die Beurteilungen durch seine Vorgesetzten waren stets makellos. Der am 9. November 1887 in der Steiermark geborene Leutnant Haidinger war Angehöriger der Festungsballonabteilung des Festungs-Artillerieregimentes Nr. 6 und wahrscheinlich der Ersatzmann für den nicht rechtzeitig eingetroffenen Oberleutnant von Pacher.

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Eine Zeichnung des Korporal Franz Chadima.

Korporal Franz Chadima (24) stammte aus Dux (Duchcov) in Nordböhmen, einer Stadt die bis 1945 überwiegend von deutschböhmischen Altösterreichern, den sogenannten Sudetendeutschen, bewohnt war. ILF-Obmann Rudi Ster: „Korporal Chadima war gelernter Maschinenschlosser und daher für die Bedienung der Motoren eingesetzt. Nach Beendigung seiner Dienstzeit wollte er eigentlich heiraten.” Das letzte Mitglied der fliegerischen Besatzung, Gefreiter Franz Weber, wurde in Budapest geboren und war 23 Jahre alt. Auf ihn warteten daheim eine Ehefrau und zwei kleine Kinder.

Der 47-jährige Ingenieur Gustav Kammerer wurde als Sachverständiger und Lehrer zur Weiterentwicklung der luftfahrtgestützten Landesvermessung in Österreich-Ungarn beigezogen und sollte sein Wissen auf den Fahrten der Körting weitergeben – am 20. Juni war sein Auszubildender Oberleutnant Adolf Breuer, ebenfalls ein österreichischer Deutschböhme, der am 5. Februar 1883 als Sohn eines Realschulprofessors in Pilsen (Plzeň) geboren wurde. Ster: „Oberleutnant Breuer war als Vertreter des k.u.k. Militärgeographischen Instituts an Bord und sollte weiterführend in die Praxis der Aërophotogrammetrie eingewiesen werden.”

Die „Körting“ startet ins Verderben

Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, erhob sich die „Körting” am Vormittag von der Militäraeronautischen Anstalt Fischamend langsam in den Himmel und nahm Kurs auf den Königsberg bei Enzersdorf an der Fischa. Die Reiseflughöhe des Luftschiffes betrug etwa 300 Meter. Während die Besatzung befehlsgemäß Fotografien zur Landvermessung anfertigte, näherte sich dem Luftschiff ein etwas später ebenfalls von der Militäraeronautischen Anstalt gestarteter Doppeldecker des Typs „Farman HF-20”. Am Steuer saß der in Bosnien geborene 29-jährige Feldpilot Oberleutnant Ernst Flatz.

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Feldpilot Ernst Flatz sorgte mit seinen Manövern letztlich für den entscheidenden Zusammenprall des Flugzeugs mit der „Körting”.

Mit an Bord befand sich – es war eine Art „Gewöhnungsflug” –  der in Czernowitz, Bukowina (heute Ukraine), geborene Fregattenleutnant Wolfgang Ernst Siegfried Puchta (24), der erst kürzlich zur Fliegerausbildung nach Fischamend abkommandiert wurde. „Oberleutnant Flatz war zwar ein ausgezeichneter Pilot aber auch ein Draufgänger. Er war deshalb im Kameradenkreis gleichermaßen bewundert wie gefürchtet”, hat der Fischamender Lokalhistoriker Rudolf Ster recherchiert. Die Männer an Bord der „Körting” und des Doppeldeckers kamen also aus allen Regionen des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn und repräsentierten damit somit buchstäblich das „alte Österreich” in all seinen Facetten, das auch von Peter Alexander und Heinz Conrads in dem Lied „Wie Böhmen noch bei Österreich war …” besungen wird.

Mehrfach steuerte Feldpilot Flatz seinen Doppeldecker nahe an die „Körting” heran und umkreiste sie. Weshalb er das tat, ist unklar. Gerüchte kamen später auf, dass Flatz von seinen Vorgesetzten den Befehl dazu erhalten haben könnte, sich dem Luftschiff zu nähern, da dieses „ungewöhnliche Flugbewegungen” gemacht habe. Dazu sagt Rudolf Ster: „Dass Flatz aufgrund der ,vom Boden beobachteten ungewöhnlichen Flugmanöver des Luftschiffs’ einen einschlägigen Erkundungsauftrag erhalten hätte, wurde von allen, die einen solchen Befehl erteilen hätten können, oder gar müssen, nach dem Unglück so heftig verneint, dass man zu recht spekulieren darf, dass der Befehl etwa in der ziemlich allgemeinen Form ,… schau‘ halt einmal nach, was los ist …’ ausgesprochen worden sein könnte.”

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Tödliches Flammeninferno nach Kollision

Jedenfalls kam es bei Flatz’ Manövern zur Katastrophe. Seine „Farman HF-20” kollidierte mit dem Luftschiff, drehte sich auf den Rücken und stürzte zu Boden. Beim Aufprall der Maschine brach zwar kein Feuer aus, doch durch die Wucht wurden die beiden Insassen Oberleutnant Ernst Flatz und Fregattenleutnant Wolfgang Ernst Siegfried Puchta augenblicklich getötet und ihre Körper schrecklich entstellt im völlig zerschmetterten Wrack eingeklemmt.

Obwohl es zunächst so aussah, als hätte sie die Kollision einigermaßen unbeschadet überstanden, war das Schicksal der „Körting” und ihrer sieben Mann starken Besatzung ebenfalls besiegelt. Zunächst schwebte der Lenkballon noch einige Sekunden weiter ruhig in der Luft. Laut Augenzeugenberichten waren sich die Männer aber wohl ihres drohenden Endes bewusst, denn laut um Hilfe rufend kletterten die Todgeweihten von der Gondel aus auf den Halteseilen nach oben. Weshalb, weiß wiederum Lokalhistoriker Rudi Ster: „Es war wohl der letzte Befehl von Kommandant Hauswirth. Denn diese erprobte Maßnahme diente dazu, im Ernstfall die Auswirkungen des Aufpralls am Boden zu mindern.” Dann schoss plötzlich eine Stichflamme aus der Ballonhülle und die Körting stürzte in dichten schwarzen Rauch gehüllt als brennende Fackel zu Boden. Alle sieben Männer an Bord kamen dabei ums Leben.

Der Absturz war von mehreren Personen beobachtet worden und schon bald trafen die ersten Helfer an der Unglücksstelle ein – ihnen bot sich ein Bild des Grauens, wie aus zeitgenössischen Berichten zu entnehmen ist. So schilderte ein Hauptmann: „Was ich fand ist zu grässlich, als das ich es beschreiben könnte. In einem Klumpen die Reste des Ballons und seiner Insassen, und dreißig Schritte entfernt der Aeroplan mit den beiden Fliegern. Alle neun Personen waren bereits zweifellos tot. Der Aeroplan wies keinerlei Brandschaden auf. Helfen konnte ich nicht mehr.”

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Die Bergung der Opfer gestaltete sich schwierig. Zuerst musste das Wrack mit Erde gelöscht werden, erst danach konnten die Trümmer weggeschafft werden.

Über die Bergung die Opfer wurde in einem Rapport festgehalten: „Auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass eine Hilfe für die Verunglückten unmöglich war. Die Leichenbergung gestaltete sich sehr schwierig. Die Insassen des Flugzeuges, Oberleutnant Flatz und Fregattenleunant Puchta, konnten unter der Tragfläche bald hervorgeholt werden. Dagegen musste zur Freilegung der Bemannung des Körting-Ballons erst an die Löschung des Brandes durch Erde und dann an die Wegschaffung der Trümmer geschritten werden. Gefreiter Weber war so eingekeilt, dass man unter seinen Armen einen Strick durchziehen musste, um ihn hervorzerren zu können.”

„Die Leichen der Verunglückten sahen entsetzlich aus. Die Gesichtszüge der beiden Flieger waren grässlich verzerrt, die Gliedmaßen mehrfach gebrochen, die Schädeldecke zertrümmert, die Augen voll Entsetzen aufgerissen, und beiden hing die Zunge weit zum Mund heraus. Die anderen sieben Leichen waren in einem Zustand, in dem eine Agnoszierung (Identifikation) im ersten Augenblick unmöglich erschien. Von Kleidungsstücken war fast nichts mehr vorhanden, die Körper waren durchwegs verbrannt, die Glieder zermalmt. Fast alle hielten die verschränkten Arme über dem Kopf. Nur bei einer Leiche konnten Reste eines gelben Schuhes festgestellt werden und daran erkannte man, dass es die des Ingenieur Kammerer war. Die Uhren und Ringe der Verunglückten waren ganz geschmolzen. Sonderbarerweise fand man bei zwei Leichen die Brieftaschen fast ganz unversehrt. Sie gehörten den Oberleutnants Hofstätter und Breuer”, stand weiter in dem Rapport.

©Militär Aktuell

Abschließend wurde berichtet: „Nachdem die Leichen befreit waren, wurden sie auf Teile der Tragflächen des Aeroplans gebettet, mit Gras und Halmen zugedeckt und zu einem Lastautomobil getragen. Es konnten jedoch nur drei Leichen gleichzeitig auf dem Wagen untergebracht werden, der sie in die Totenkammer des Ortsfriedhofs brachte. Dreimal musste das Automobil die Fahrt machen.”

Sogar der Erzherzog kam nach Fischamend

Welche Bedeutung der Absturz der „Körting” für das k.u.k. Militär hatte, zeigt sich auch daran, dass Erzherzog Karl Franz Joseph (Protektor des „Zentralkomitees zur Schaffung der Österreichischen Luftflotte”, 1916-1918 als Karl I. letzter Österreichischer Kaiser, als Karl IV. letzter König von Ungarn) noch am gleichen Tag die Unglücksstelle besuchte und sich über die Geschehnisse unterrichten ließ.

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Erzherzog Karl Franz Joseph besuchte noch am Tag des Unglücks die Absturzstelle.

Die Totenschau der neun verunglückten Luftfahrer wurde vom Fischamender Gemeindearzt Dr. Alexander Blitz vorgenommen. Doch die kleine Leichenkammer des örtlichen Friedhofes bot gar nicht genügend Platz, um die neun toten Körper aufzunehmen. Sie wurden daher zum Teil neben der (beim alliierten Luftangriff 1944 zerstörten) Kapelle des Friedhofs auf den Boden gelegt. In zeitgenössischen Aufzeichnungen ist zu lesen: „Neben dem Eingang lagen die Leichen des Oberleutnants Flatz und des Fregattenleutnants Puchta. Beide waren vollständig bekleidet, nur dem Marineoffizier fehlte ein Schuh. Eine verkohlte Leiche, um die Stirne des guterhaltenen Gesichtes zieht sich ein schwarzer Metallreifen, der Überrest einer Offizierskappe, es war Hauptmann Hauswirth. Zwei Leichen lagen auf Tragbahren, zwei auf einem pritschenartigen Gestell, zwei auf Holzbrettern am Fußboden. Aus den toten Körpern ragten vielfache Knochenstücke heraus, eine Leiche, es soll Oberleutnant Breuer gewesen sein, ist von einem Metallteil der Gondel durchbohrt. Die Totenkammer war versperrt und konnte nur mit Erlaubnis des Militärstationskommandos besichtigt werden.”

Trauerfeierlichkeiten und Beerdigung

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Die Tragödie wurde rasch in der ganzen Monarchie und darüber hinaus bekannt. Hier zu sehen ist ein französischer Zeitungsbericht über das Unglück.

Mit dem Absturz der „Körting” ende die Ära der Luftschiffe bei der k.u.k. Armee auf dramatische Weise. Die Tragödie wurde rasch in der ganzen Monarchie sowie darüber hinaus bekannt und die militärische Führung entschloss sich zu einem großen Festakt zu Ehren der Getöteten. Rudolf Ster: „Mit Rücksicht auf die schrecklichen Verstümmelungen, welche die Körper der Verunglückten aufwiesen, wurden die nur durch deren Bekleidungsfragmente gekennzeichneten Leichen von Soldaten unter Aufsicht des Oberbezirksarztes aus Bruck an der Leitha, Dr. Ehlig, sowie von Dr. Blitz, in die Särge gelegt und dieselben sofort verschlossen. Nicht nur die Leichen der Offiziere ruhten in Metallsärgen, sondern auch die der Unteroffiziere. Jeder Metallsarg, welcher unter militärischer Aufsicht verlötet worden war, trug am Fußende einen Zettel, auf welchem sich der Name des Toten befand.”

Am Vormittag des 22. Juni, zwei Tage nach dem Absturz, trafen zahlreiche Familienangehörige der Opfer im Kommando der Militärluftschifferabteilung ein, um die Vorkehrungen für die Bestattung zu treffen. „Da alle Angehörigen ihre Einwilligung zu einer gemeinsamen Leichenfeier und zu einer Bestattung in einem gemeinsamen Grab gaben, wurde beschlossen, die Leichen auf den Wiener Zentralfriedhof zu überführen und dort zu bestatten”, weiß ILF-Obmann Rudolf Ster. Dabei wurde auch beschlossen, dass am 23. Juni um neun Uhr die Einsegnung der Verstorbenen in Fischamend durch Ortspfarrer Ludwig Noah vorgenommen werden sollte. Am Abend des gleichen Tages hielt der Gemeinderat eine Trauersitzung ab.

Über die Trauerfeierlichkeiten in Fischamend am 23. Juni berichtete die „Neue Zeitung” am 24. Juni: „Zu einer tiefergreifenden Trauerkundgebung gestaltete sich die Leichenfeier für die neun Opfer der aviatischen Katastrophe in Fischamend. In der Totenkammer dieses Ortes waren die neun Metallsärge aufgebahrt, mit zahlreichen Kränzen von militärischen Behörden, Kameraden, Freunden und Angehörigen geschmückt. Es gab tief ergreifende Abschiedsszenen. Über dem Eingang der Totenkammer prangte ein großer Doppeladler, umrahmt von Blumengewinden, ein Werk des Feuerwerkers Geiswinkler, der im letzten Augenblick von der Teilnahme an der letzten Fahrt des Körting-Ballons dienstlich abgehalten wurde und auf diese Weise dem Tode entronnen war.”

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Die „Kronen Zeitung” berichtete über das Flugunglück. Damals war auf der Titelseite auch ein Foto der Trauerfeier abgebildet.

Unter den Trauergästen befanden sich höchste politische, geistliche und militärische Vertreter, darunter Fürst Alfred Montenuovo und Gemahlin sowie seine beiden Töchter Prinzessin Fanny Montenuovo und Gräfin Ledebour, der apostolische Feldvikar Bischof Bjelik und Sektionschef Feldmarschalleutnant Leopold Schleyer vom k.u.k. Kriegsministerium. Auch der Kommandant der Luftschifferabteilung, Oberstleutnant Uzelac und Major v. Umlauff mit den Luftschifferoffizieren, die Gemeindevertretung von Markt Fischamend mit Bürgermeister August Schütz an der Spitze sowie Bürgermeister Burkart von Dorf Fischamend fanden sich ein. Außerdem nahmen Freunde und Kameraden der Verunglückten ebenfalls an der Verabschiedung der Toten teil.

Rudolf Ster: „Es müssen ergreifende Szenen gewesen sein. Laut den Recherchen der ILF in den Archiven stand beispielsweise am Sarg von Korporal Chadima seine junge Braut. Die Angehörigen von Hauptmann Hauswirth und die Witwe von Oberleutnant Hofstätter waren ebenfalls anwesend. Sogar das Abgeordnetenhaus in Budapest, in der ungarischen Reichshälfte, bekundete seine Trauer über das Geschehene.”

Der Trauerzug setzte sich um neun Uhr in Bewegung. Begleitet von den Kirchenglocken, zog er durch ein dichtes Menschenspalier, alle Häuser trugen Trauerbeflaggung. Die Zeit schien stillzustehen. Die gesamte Bevölkerung von Fischamend gab den Opfern des „Körting”-Absturzes bis zum Marktturm das letzte Geleit.

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In weiterer Folge wurden die neun Särge zum Wiener Zentralfriedhof gebracht, wo sie am 24. Juni gegen 13 Uhr „im Beisein von Mitgliedern des Kaiserhauses, des Kriegsministers und der Spitzen der militärischen und zivilen Behörden”, wie in den Archiven zu lesen ist, beigesetzt wurden. Es wurde eine große Trauerfeier mit allen militärischen Ehren und aus der Luft warf eine vom Flugfeld Aspern gestartete Fliegerstaffel Blumen ab.

Das „Fremden-Blatt” widmete dem Ereignis am 25. Juni 1914 einen ausführlichen Bericht (Rechtschreibung im Original): „Gestern nachmittags wurden auf dem Zentralfriedhofe die Leichen der verunglückten Flieger zu Grabe getragen. Se. Majestät der Kaiser hat durch Entsendung eines Vertreters zur Leichenfeier seiner tiefen Anteilnahme an dem tragischen Geschick der unglücklichen Opfer der Katastrophe Ausdruck gegeben, Mitglieder des Hofes fanden sich auf dem Zentralfriedhofe ein oder entsendeten Stellvertreter, Repräsentanten der Regierung und der höchsten militärischen Kreise schritten hinter den Särgen und die Bevölkerung Wiens umstand in weitem Bogen das Ehrengrab, das die letzten Überreste der verunglückten Kämpfer um die Beherrschung der Luft aufnahm. Das ergreifendste Moment der imposanten Trauerfeier bildete der Augenblick, da im blauen Aether (Anm.: aus Norden kommend) Flugapparate sichtbar wurden und die Aviatiker des Asperner Meetings ihren gefallenen Kameraden den letzten Gruß entboten.”

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Eine Traueranzeige zu Ehren der neun Verstorbenen.

„Zu Grabe getragen wurden: Zivilingenieur Gustav Kammerer, Hauptmann Johann Hauswirth des Festungsartillerie-Regiments Nr. 5, Oberleutnant Ernst Hofstätter des Infanterie-Regiments Nr. 47, Oberleutnant Adolf Breuer des Feldjäger-Bataillons Nr. 8, zugeteilt zum Militärgeographischen Institute, Oberleutnant Ernst Flatz des Infanterie-Regiments Nr. 91, Fregattenleutnant Wolfgang Puchta der Kriegsmarine, Leutnant Otto Haidinger des Festungsartillerie-Regiments Nr. 6, Motorchauffeur Korporal Franz Chadima des Infanterie-Regiments Nr. 35 und Gefreiter Franz Weber des Infanterie-Regiments Nr. 32, die alle der Luftschifferabteilung angehörten. Die neun Särge, die unter den zahllosen Blumenspenden fast verschwanden, waren in der Leichenhalle aufgebahrt.”

„Bald nach halb 1 Uhr waren vor dem Haupteingang der Leichenhalle zwei Kompagnien mit der Musik, der Kreuzträger und zwei Unteroffiziere mit 20 Mann als Spalier vom Infanterie-Regiment Nr. 4 aufmarschiert. Vor der Kapelle stellten sich für jeden Sarg sechs Mann von der Luftschifferabteilung auf. Zur gleichen Zeit hatten auf der Simmeringer Hauptstraße vier Geschütze des Feldhaubitz-Regiments Nr. 2 in Marschkolonne Aufstellung genommen Ihre Spitze hielt vor dem 2. Tor des Friedhofes. Bald danach begann die Auffahrt der Trauergäste, nachdem schon lange vorher der Zuzug des Publikums aus der Stadt begonnen hatte. Schwere Seidenschleifen in vielen Farben, meistens Regiments-Egalisierungsfarben, schmückten die Gewinde. Es waren an 200 Kränze abgegeben worden. Einlaß in die Kapelle hatten nur die fremden Miliärattaches und die Generalität. Um 1 Uhr begann der apostolische Feldvikar Dr. Bjelik mit Assistenz der Feldgeistlichkeit die Einsegnung. Tief ergriffen folgten die Trauergäste der Zeremonie.”

„Als sie beendet war, stimmte der Hofopernchor „Wanderers Nachtlied” von Reißiger an (Hinweis siehe unten), worauf Feldbischof Bjelik folgenden Nachruf sprach: ‚Ihr lieben Toten, Helden der Pflicht, Eltern und Verwandte weinen Euch nach, wir Krieger und Kameraden beweinen Euren Verlust, preisen Euch aber glücklich, daß euch das schöne Los zufiel, zu sterben fürs Vaterland! Das Höchste, was Liebe und Pietät den teuren Toten zu geben vermag, das bringen wir euch dar: wir entbieten euch mit dem Gebete die Ehrensalve ins frühe Grab! Ruhe sanft! Gottes seliger Friede umschwebe eure Gruft und im Himmel schmücke euch die Krone der Unsterblichkeit! Amen!‘ Nun hoben Bedienstete der städtischen Leichenbestattung die Särge und trugen sie aus der Kapelle. In der Allee davor traten die Soldaten der Luftschifferabteilung je sechs zu einem Sarg vor und übernahmen die Särge, die mit Bandschleifen mit den Namen des betreffenden Toten kenntlich waren.”

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Die Ehrenplakette am Fliegerdenkmal in Fischamend.

„Unteroffiziere flankierten die Särge, jenen des Fregattenleutnants Puchta ein Unteroffizier der Kriegsmarine. Als erster Sarg wurde der des Ingenieurs Kammerer getragen, dann die der Offiziere und zum Schlusse die der Mannschaftspersonen. An der Spitze des Zuges schritt der Kreuzträger, dann folgte der Bischof Bjelik mit der Geistlichkeit. Nun folgten die Särge, die von den Mitgliedern der Familien begleitet waren, hinter diesen schritt allein G.d.K. Graf Paar als Vertreter des Kaisers, dann Erzherzog Peter Ferdinand und die Vertreter der Erzherzoge. Es folgten die Minister, die Generalität, das Offizierskorps, die fremdländischen Attachés und die übrigen Trauergäste. Auf dem Wege zum Ehrengrabe stimmte die Musik Trauermärsche an. Beim Grabe segnete Bischof BJELIK die Särge nochmals ein. Darnach segnete der protestantische Feldkurat die Leiche des Oberleutnants Hofstätter ein. Die Särge wurden in die Tiefe gesenkt.”

„In diesem Moment wurden die von Aspern kommenden Flugapparate in der Luft sichtbar, die sich in raschem Flug dem Friedhof näherten. Um 1 Uhr 35 Min. mittags stiegen die Franzosen Chevillard, Audemars, Prevost, Garros, Gilbert, Bathiart und Bielovucic, ferner der deutsche Flieger Hirth und der Österreicher Sparmann zu dieser Trauerparade auf. Von ihren Flugmaschinen wehten auf beiden Seiten Trauerfahnen. Die Piloten flogen in einem Schwarm auf und steuerten direkt auf den Zentralfriedhof zu. Dort umkreisten sie, sich in mehreren Schleifen niedersenkend, mehrmals den Friedhof. Es war eine überwältigende Trauerfeier, die tiefen Eindruck machte. Aus der Höhe warfen die Piloten Blumen auf den Friedhof herab, die für ihre unglücklichen Kameraden bestimmt waren. Dann wendeten die Aviatiker zum Rückflug nach Aspern, wo sie um 1 Uhr 54 Min. landeten. Nachher stiegen noch Legagneux und Stiploschek, letzterer mit Ingenieur Kürth an Bord, zum Zentralfriedhof auf, um den Toten von Fischamend Blumenspenden aus den Lüften darzubringen. Gegen 2 Uhr war die Leichenfeier zu Ende. Die beiden Kompagnien hatten in der Nähe des Grabes Aufstellung genommen und gaben nun die Ehrensalve ab. Sie marschierten durch das Schwechater Tor auf die Simmeringer Hauptstraße, während die Artillerie auf der Nordostecke des Evangelischen Friedhofes die Ehrensalve löste. Dann defilierten Infanterie und Artillerie und rückten ein.

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Das Ehrengrab am Zentralfriedhof gibt es auch heute noch.

Das Ehrengrab, in dem die Toten der „Körting”-Katastrophe ihre letzte Ruhe fanden, existiert auch heute noch und liegt auf dem Zentralfriedhof in Gruppe 0, Reihe F, Nummer 1 (vis-a-vis der Gräber Gruppe 0, Reihe 0, Nummer 69–71). In Fischamend selbst erinnert ein Mahnmal bei der Kirche namentlich an die Opfer des 20. Juni 1914 sowie an etliche weitere Flugpioniere, die auch dank des Einsatzes von Lokalhistoriker Rudolf Ster und seines 2022 leider viel zu früh verstorbenen Freundes, Hauptmann a. D. Reinhard Ringl, seines Zeichens Mitbegründer der Interessensgemeinschaft Luftfahrt Fischamend, vor dem Vergessen bewahrt werden.

Quelle©Archiv „Interessengemeinschaft Luftfahrt Fischamend”, Archiv, Patrick Huber