Bei den mechanisierten Verbänden heutiger Armeen ist kaum ein anderes taktisches Einsatzfahrzeug so wichtig wie der Schützenpanzer – neben dem Kampfpanzer natürlich, mit dem er auf dem Gefechtsfeld Schritt halten soll. Bis die Schützenpanzer ihren heutigen Stellenwert erhielten, war es aber ein langer Weg.
Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte (KSE-Vertrag) in Europa von 1990 definiert den Schützenpanzer folgendermaßen: „Der Begriff ‚Schützenpanzer (SPz)‛ bezeichnet ein gepanzertes Kampffahrzeug, das in erster Linie für den Transport einer Infanteriegruppe konstruiert und ausgerüstet ist, es den Soldaten normalerweise ermöglicht, geschützt durch die Panzerung aus dem Fahrzeug heraus zu schießen, und mit einer integrierten oder organischen Kanone von mindestens 20 Millimetern Kaliber sowie gelegentlich mit einem Abschussgerät für Panzerabwehrflugkörper bewaffnet ist. Die Schützenpanzer dienen als Hauptwaffensystem von gepanzerten, mechanisierten oder motorisierten Infanterietruppenteilen und Truppenteilen der Landstreitkräfte.”
Die Anfänge
Das Fahrzeug machte einen so klobigen Eindruck, dass die Besatzung ihm den Beinamen „The Pig” verlieh. Die Rede ist vom Mark IX Tank, der von Lieutenant G. R. Rackham Mitte 1917 entworfen und in einer Stückzahl von 34 vom Traktorenhersteller Marshall, Sons & Co. produziert wurde. Allerdings wurden davon nur drei bis zum Ende des Ersten Weltkriegs fertig, so konnte das Fahrzeug niemals unter Kriegsbedingungen seine Tauglichkeit beweisen.
Die Bezeichnung „Tank” ist missverständlich, der Mark IX Tank basierte auf dem Mark VIII Tank, einem britischen Kampfpanzer. Dieser Mark IX sollte aber einen anderen Zweck erfüllen, er war als „Infantry Carrier” entworfen, was die an der Seite aufgemalte Bezeichnung „IC” anzeigte. Das 27 Tonnen schwere Gefährt sollte unter Panzerschutz (zehn Millimeter stark) bis zu 30 Infanteristen auf dem Gefechtsfeld befördern. Es war der erste eigens zu diesem Zweck entwickelte Schützenpanzer.
Während sich seit dem französischen FT-17 (auch ein Produkt des Ersten Weltkriegs) bei der Entwicklung der Kampfpanzer einige Grundmuster immer wieder gleichen (Hauptwaffe im mittig angebrachten Drehturm, Auslegung als Vollkettenfahrzeug, Heckmotor), war die Geschichte der Schützenpanzer von sehr vielgestaltigen Konzepten geprägt. Da gab es Radfahrzeuge, Voll- und Halbkettenfahrzeuge, Fahrzeuge mit Heck- oder mit Frontmotor, Fahrzeuge mit und ohne Drehturm und viele andere Änderungen. Aufgabe war aber immer der geschützte Transport von Infanterie zum und auf dem Gefechtsfeld.
Transportpanzer versus Schützenpanzer
Man muss auch unterscheiden zwischen dem echten „Schützenpanzer” – dem „mechanized infantry combat vehicle” – und dem „Transportpanzer” – dem „armored personel carrier”. Der Übergang zwischen beiden Typen ist fließend. Soll der Transportpanzer den geschützten Transport von Infanteristen zum Einsatzort gewährleisten, so ist die Aufgabe des Schützenpanzers die eines Kampffahrzeuges. Er soll die Infanterie nicht nur transportieren, sondern Feuerunterstützung leisten. Der Einsatz der Infanterie erfolgt weitgehend abgesessen, also zu Fuß. Nach der in den 1970er-Jahren verbreiteten taktischen Doktrin war für einen echten Schützenpanzer (im Gegensatz zum Transportpanzer) die Möglichkeit wichtig, die aufgesessene Infanterie unter Panzerschutz mitkämpfen zu lassen.
Die Panzergrenadiere der Bundeswehr hatten die Möglichkeit, aus dem hinteren Kampfraum des Schützenpanzers Marder durch Kugelblenden mit Maschinenpistolen des Typs Uzi ins Gefecht einzugreifen. Dazu gab es noch eine Hecklafette mit einem Maschinengewehr, das aus dem hinteren Kampfraum bedient werden konnte. Der Autor dieses Artikel arbeitete Mitte der 80-Jahre als Waffenmechaniker in einem Panzergrenadierbataillon im Rahmen der zweiten Kampfwertsteigerung des SPz Marder beim Ausbau der Hecklafetten mit. Mit der in den 1990er-Jahren durchgeführten dritten Kampfwertsteigerung fielen dann auch die Kugelblenden weg.
Von der Halbkette zur Vollkette
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs und noch einige Jahre danach herrschten bezüglich der Einsatzmöglichkeiten von Kampfpanzern verschiedene Ansichten vor: Sollte der Kampfpanzer nur Unterstützungsfahrzeug der Infanterie sein oder sollte er massiert – unterstützt durch beispielsweise Infanterie oder Artillerie – zu schnellen, raumgreifenden Operationen eingesetzt werden? In letzterem Falle müssten geländegängige und gepanzerte Fahrzeuge für die unterstützenden Waffengattungen entwickelt werden, damit diese mit den Panzerverbänden Schritt halten könnten. Tatsächlich hatte die Entwicklung von Schützen- und Transportpanzern in der Zeit zwischen den Weltkriegen nie den Stellenwert wie die Kampfpanzerentwicklung.
Gepanzerte Mannschaftstransportwagen auf Radfahrgestell wurden in einigen Ländern entwickelt, erreichten aber keine besondere Bedeutung. Wichtiger waren die in der Zwischenkriegszeit entwickelten Halbkettenfahrzeuge. Vorreiter der Entwicklung war Frankreich, die Halbkettenfahrzeuge von Citroën-Kégresse fanden aber hauptsächlich als Zugmaschinen der Artillerie Verwendung. Von einer gepanzerten Variante, der Citroën-Kégresse AMR P28, wurden nur 50 Stück gebaut. Die französische Infanterie war nicht motorisiert beziehungsweise wurde mit Lastwagen transportiert.
Die Briten hatten es da besser, ihre Infanteristen waren fast alle motorisiert, außerdem befand sich ein kleines Vollkettenfahrzeug im Einsatz, der Bren Carrier, der schnell und wendig war, allerdings keinen richtigen Panzeraufbau besaß. Mit über 113.000 produzierten Einheiten aller Varianten und einer Einsatzgeschichte noch weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus gehört er zu den wichtigsten Mannschaftstransportwagen überhaupt. In den zu den britischen oder kanadischen Panzerdivisionen beziehungsweise unabhängigen Panzerbrigaden gehörenden „Motor Battalions” kamen Halbkettenfahrzeuge amerikanischer Bauart, die „Half Tracks”, zum Einsatz.
Allerdings gehörten nur rund acht Prozent der britischen oder kanadischen Infanteristen zu den Motor Battalions. Bei den Amerikanern war der Half Track das Transportfahrzeug der Armored Infantry, der zu den Panzerdivisionen gehörenden mechanisierten Infanterie. Der M3-Half-Track bot außer dem Fahrer noch zwölf Personen Platz, war bis zu zwölf Millimeter stark gepanzert und sein rund 150 PS starker Motor brachte das Fahrzeug auf über 70 km/h Straßengeschwindigkeit. Die Soldaten mochten das Fahrzeug nicht sonderlich, der grimmige Spitzname „Purple Heart Box” bezog sich auf die ihrer Meinung nach unzureichende Schutzwirkung.
Die war auch in den deutschen „Schützenpanzern” – dem Ende der 1930er-Jahre entwickelten mittleren Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 251 beziehungsweise leichten Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 250 – nicht optimal. Beide Fahrzeuge hatten einen nach oben offenen hinteren Kampfraum und waren mit 100 PS etwas untermotorisiert. Im Gegensatz zum mittleren Schützenpanzerwagen, der in den gepanzerten Panzergrenadierkompanien die Hauptausstattung darstellte, setzte die Wehrmacht den leichten Schützenpanzerwagen in den gepanzerten Aufklärungskompanien der Panzeraufklärungsabteilungen ein. Über 6.600 Sd.Kfz. 250 liefen vom Band, beim Sd.Kfz. 251 waren es 15.252. Da viele der Fahrzeuge für verschiedenste Spezialaufgaben vorgesehen waren, reichte die Produktionszahl kaum zur Ausrüstung aller Panzergrenadierbataillone der Wehrmacht.
Als Panzergrenadiere wurden bei der Wehrmacht alle Infanterietruppenteile der Panzer- und der Panzergrenadierdivisionen bezeichnet, unabhängig davon, ob sie tatsächlich mit Schützenpanzern ausgerüstet waren. Die Rüstungsproduktion konnte den Bedarf an Schützenpanzern nicht decken. Tatsächlich verfügte nur etwa ein Viertel der Panzergrenadiere im Verlauf des Krieges über Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 251, der eine vollständige Panzergrenadiergruppe in Stärke von zehn Mann plus Fahrer transportieren konnte. Nur die Panzer-Lehr-Division war ein vollständig gepanzerter Großverband – der einzige der Wehrmacht.
„Der Begriff ‚Schützenpanzer (SPz)‛ bezeichnet ein gepanzertes Kampffahrzeug, das in erster Linie für den Transport einer Infanteriegruppe konstruiert und ausgerüstet ist, es den Soldaten normalerweise ermöglicht, geschützt durch die Panzerung aus dem Fahrzeug heraus zu schießen, und mit einer integrierten oder organischen Kanone von mindestens 20 Millimetern Kaliber sowie gelegentlich mit einem Abschussgerät für Panzerabwehrflugkörper bewaffnet ist.”
Definition eines Schützenpanzers im KSE-Vertrag.
Dabei waren einige Konstruktionsmerkmale der deutschen Schützenpanzerwagen (SPW) dem amerikanischen Pendant überlegen (die abgeschrägte Panzerung zum Beispiel). Das Konzept wurde aber nach dem Krieg nicht mehr weiterverfolgt, einzig Skoda in der Tschechoslowakei baute von 1958 bis 1962 eine Weiterentwicklung der deutschen SPW, den OT-810, der allerdings einen oben geschlossenen Kampfraum hatte.
Im Kalten Krieg
Während noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs amerikanische Halftracks der Varianten M2, M3, M5 und M9 bei vielen Armeen im Einsatz blieben, entwickelte man in der Sowjetunion den BTR-152, einen Transportpanzer auf einem 6×6-Radfahrgestell. Trotz der unzureichenden Geländegängigkeit blieb der BTR-152 mit speziellen Ausrüstungssätzen bei der Roten Armee bis Ende der 1980er-Jahre im Gebrauch und befindet sich bei einigen Staaten der Dritten Welt bis heute im Bestand. Wesentlich geländegängiger ist der britische FV603 Saracen, ebenfalls ein Radfahrzeug.
Wichtiger als Radfahrzeuge und die immer seltener werdenden Halbkettenfahrzeuge wurden Vollkettenfahrzeuge als geschützte Transportmittel für die Infanterie. Führend bei der Entwicklung waren die USA, die den M75-APC von 1952 bis 1954 produzierten und in der Endphase des Koreakrieges zum Einsatz brachten. Das Fahrzeug hatte einen geschlossenen Kampfraum, war schnell und relativ gut gepanzert. Seine enormen Produktionskosten führten allerdings dazu, dass die Fertigung zugunsten des wesentlich billigeren M59-APC eingestellt wurde. Dieses Fahrzeug war schwimmfähig und wurde in eine ganze Reihe von Ländern exportiert. Bei der US Army wurde es durch den sehr ähnlich konfigurierten M113 abgelöst, der dort und auch in vielen anderen Ländern heute noch im Einsatz ist. Aber selbst die unzähligen Kampfwertsteigerungen und mannigfachen Varianten des M113 (bei der Bundeswehr wurde er als MTW – „Mannschaftstransportwagen” – eingeführt) machten daraus keinen echten Schützenpanzer – wenn man von der, unter anderem von den Niederlanden verwendeten, Weiterentwicklung YPR-735 absieht.
Einem Gefechtsfahrzeug, das den Panzertruppen unter Beschuss ins Gelände folgen und der abgesessenen Infanterie Feuerschutz gewähren kann, kamen einige Entwicklungen der 1960er-Jahre recht nahe: der französische AMX VTT, der österreichische 4K4 und auch der berühmt-berüchtigte HS30 von Hispano-Suiza, dessen Einführung bei der Bundeswehr zu einem politischen Skandal führte.
Der „echte” Schützenpanzer
Das Auftauchen des sowjetischen BMP-1 löste bei den NATO-Militärs Besorgnis aus. Dieser erste „echte” Schützenpanzer verlieh den „Motorisierten Schützen” der Armeen des Warschauer Paktes eine erhöhte Feuerkraft und Beweglichkeit. Als das Fahrzeug anlässlich der Militärparade zum Jahrestag der Oktoberrevolution 1967 vorgeführt wurde, waren aber ähnliche Entwicklungen im Westen bereits fortgeschritten. 1971 kam dann der deutsche Schützenpanzer Marder zur Truppe, ganz ähnlich ausgelegt wie der BMP, aber größer, mit rund 26 Tonnen doppelt so schwer und mit 600 PS doppelt so stark motorisiert. Kleiner, aber ansonsten sehr ähnlich war der 1973 eingeführte französische AMX-10P.
Die Sowjets entwickelten den BMP-2, bei dem die Niederdruckkanone des BMP-1 wie bei westlichen Schützenpanzern durch eine Maschinenkanone ersetzt wurde. Auch wurde die Position des Kommandanten verlegt. Der jugoslawische M-1975 war eng am BMP angelehnt. Bald folgten die Amerikaner mit dem M2/M3 Bradley, der sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zu einer formidablen Kampfmaschine entwickelte, wie man nun in der Ukraine sehen kann. 1988 kam der britische FV510 Warrior zur Truppe, bei dem besonderer Wert auf den Panzerschutz gelegt wurde. Das Grundkonzept aller dieser Fahrzeuge war ähnlich: Frontmotor, Zwei-Mann Turm mit Maschinenkanone und Koaxial-MG plus eventuell Flugkörper und heckseitig Raum zum Transport einer Schützengruppe. Das Konzept des aufgesessene Kampfes mittels Schießluken oder Kugelblenden wurde bald aufgegeben, da das Anbringen von Zusatzpanzerungen notwendig wurde.
Die spanisch-österreichische Entwicklung ASCOD (läuft in Österreich als „Ulan”, in Spanien als „Pizarro”) stellt eine Weiterentwicklung dieses Grundkonzepts dar, ebenso der kampfstarke CV 90 aus Schweden. Und fast bei allen modernen Armeen werden die häufig hochgezüchteten und teuren Schützenpanzer als Hauptkampffahrzeug der mechanisierten Infanterie genutzt, ergänzt durch einfachere und billigere Transportpanzer. Bei der leichten Infanterie nehmen Radtransportpanzer diese Rolle ein.
Der sich im Zulauf befindende Schützenpanzer Puma der Bundeswehr ist mit knapp 1.100 PS hochmotorisiert und folgt nicht mehr ganz dem Vorbild des Marders: Im Puma sitzen Gruppenführer und Richtschütze nicht mehr im Turm, sondern in der Wanne.
Der israelische Weg
So ganz und gar nicht dem Konzept des Schützenpanzers folgen wollten die israelischen Militärs. Hier hatte die einem Kampfpanzer ähnliche Geländegängigkeit unter Beschuss oberste Priorität. Ein israelischer Infanterist sollte den gleichen Panzerschutz haben wie ein Panzersoldat. Folgerichtig bauten die Israelis alte Centurion-Kampfpanzer zu schweren Transportpanzern um („Nagmachon”). Dann folgte der aus erbeuteten T-55-Kampfpanzern umgebaute „Achzarit”. Neueste Entwicklung ist der auf dem Merkava-IV-Kampfpanzer basierende „Namer”, mit 60 Tonnen Gewicht und 1.200 PS Motorleistung ein wahres Monstrum. Die aus Maschinengewehren auf ferngelenkten Waffenstationen bestehende Bewaffnung ist zwar nicht besonders eindrucksvoll, aber darauf liegt hier nicht das Augenmerk. Eingangs erwähnter Lieutenant G. R. Rackham hätte das Konzept begrüßt.