Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte in den vergangenen Monaten gebetsmühlenartig höhere Verteidigungsausgaben für die Bundeswehr gefordert, erhält nun aber erneut nicht genug Geld, um die Streitkräfte schnell verteidigungsfähig zu machen.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius – ©Georg Mader
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius wurde bei seiner Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr erneut enttäuscht.

Der unpopulären „Ampel-Regierung” aus SPD, Grünen und FDP wurde schon oft ihr Ende vorhergesagt, wie in Österreich hat man sich aber nun auch in Berlin (Kanzler Olaf Scholz: „Schlaf wird überbewertet”) zusammengerauft, um gemeinsam bis zum regulären Ende der Regierungszeit weiterzumachen. Allerdings: Unter den Koalitiionspartnern herrscht nach wie vor alles andere als gute Stimmung, wie die jüngste Bundespressekonferenz einmal mehr deutlich machte: FDP Finanzminister Christian Lindner verkündete dabei, dass im gefundenen Haushaltskompromiss die „Schuldenpresse” nicht aufgemacht werde, Deutschland werde also keine neuen Schulden aufnehmen, wie von Rot und Grün gefordert.

Konsequenzen hat diese Entscheidung – volatile Weltlage hin und Gerede von Verteidigungs- oder gar Kriegsbereitschaft her (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) – vor allem für die Bundeswehr. Der Etat für das kommende Jahr wurde nur geringfügig erhöht. Lindner zufolge sehe es für die deutschen Streitkräfte mit Blick auf das NATO-Ziel von jährlichen Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwar ab 2028 wieder besser aus, Details dazu wollte er aber nicht nennen.

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„Desaster für die Bundeswehr”

In den deutschen Medien ist die Kritik an der nur moderaten Erhöhung der Verteidigungsausgaben groß. Die SPD-geführte Regierung lasse ihren eigenen Minister Boris Pistorius im Regen stehen und riskiere die von Olaf Scholz 2022 ausgerufene Zeitenwende, so der Tenor. Faktum ist jedenfalls, dass Pistorius wie schon im vergangenen Jahr erneut nicht die Mittel bekommt, um die Streitkräfte „schnell” verteidigungsfähig zu machen. Wobei „schnell” ohnehin einen langjährigen Prozess beschreibt, von Kriegsbereitschaft darf aktuell im Land noch keine Rede sein. Und wird das wohl auch noch länger nicht sein: Der Verteidigungsetat soll im nächsten Jahr nämlich lediglich um 1,2 Milliarden Euro auf etwa 53 Milliarden anwachsen. In den Folgejahren sind – das betrifft wohlgemerkt das zum Gutteil laufende Budget und nicht das kreditfinanzierte bis 2027 wohl aufgebrauchte Beschaffungs-„Sondervermögen” – keine weitere Steigerung geplant.

Deutschlands Finanzminister Christian Lindner – ©BPK
Nur eine moderate Erhöhung – der deutsche Finanzminister Christian Lindner bei der Pressekonferenz zu den geplanten deutschen Haushaltsausgaben im kommenden Jahr.

Vor einigen Wochen hatten deutsche Verteidigungsfachleute hochgerechnet (Erklärung), dass man schon im kommenden Jahr deutlich mehr Geld brauche, damit die die „Zeitenwende” nicht scheitere. Von jährlich 25 Milliarden Euro mehr bis 2028 war die Rede – sonst könne Deutschland mittelfristig nicht verteidigungsfähig werden. Minister Boris Pistorius hatte immerhin noch 6,5 Milliarden Euro mehr gefordert, nachdem er im Vorjahr noch gut zehn Milliarden Euro angemeldet hatte – aber sein Parteigenosse und Kanzler Olaf Scholz ließ ihn sozusagen „auflaufen”. Denn mit dem nunmehrigen Regierungskompromiss seien nun nicht einmal die Inflationskosten im Wehretat gedeckt und die hunderten Beschaffungen aus dem „Sondervermögen” sind – laut der oppositionellen CDU auch kaum finanzierbar.

©Militär Aktuell

Die – schon beim NATO-Gipfel in Wales 2014 verpflichteten – zwei Prozent des BIP habe die „Ampel” in diesem Jahr mit einigen Mogeleien (@NZZ) erstmals erreicht. Gerade so. Aber auf dem Gipfel 2023 in Vilnius hatten sich die NATO-Staaten in Anbetracht der wachsenden Bedrohung durch Russland darauf verständigt, dass der 2-Prozent-Wert nur noch als Untergrenze gelte. Ohne ein weiteres sogenanntes „Sondervermögen” müsste der Wehretat, würde er auf dem heutigen Stand bleiben, 2028 schlagartig um etwa 30 Milliarden Euro anwachsen. Deutschlands Militärausgaben müssten in naher Zukunft dann eher noch stärker steigen. Fachleute forderten daher seit gut zwei Jahren, dass man parallel zum Sondervermögen den regulären Wehretat sukzessive so weit erhöht, dass der Sprung im Jahr 2028 dann nicht mehr so heftig ausfällt. Aber nach den nun gemachten Angaben scheint klar, dass das vorerst nicht passieren wird.

Die Folgen sind erheblich – und werden für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und für Deutschlands Glaubwürdigkeit in der NATO wohl gravierend sein. Und global gesehen werden das natürlich auch die oft zitierten autokratischen und antidemokratischen Mächte und Gegner des Westens registrieren und daraus ihre harten und hybriden Ableitungen treffen.

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Quelle©Georg Mader, BPK