Die gute Nachricht vorweg: Inzwischen gibt es das Tempsky-Bowie von Svörd bei einer Mehrzahl von Anbietern, vor einem halben Jahrzehnt war das noch ganz anders. Jetzt die schlechte Nachricht: Es wird auch ein erheblich höherer Preis in unseren Breiten aufgerufen, früher rund 250 Euro, jetzt um die 390 Euro.
Der erste Eindruck – optisch – ist schon beeindruckend. Mit seiner stolzen Gesamtlänge macht dieses Messer was her, man muss den Zollstock schon aufklappen, um nachzumessen. Der zweite Eindruck – haptisch – bestärkt den ersten. Man hat richtig etwas in der Hand (930 Gramm). Der Griff ist bequem, bei sehr kleinen Handschuhgrößen könnte das aber tatsächlich auch mal nicht der Fall sein.

Dank seines annähernd quadratischen Querschnitts behält man das Tempsky Bowie auch bei Drehbewegungen gut in der Hand. Die wuchtige Parierstange verhindert zuverlässig ein Abrutschen auf die Klinge und zwar auch bei glitschigen Fingern oder bei behandschuhter Hand. Mit 425 Millimetern Gesamtlänge, wovon schon 280 Millimeter auf die Klinge entfallen, ist das viel Messer für sein Geld.
Es stellt sich die Frage, welchen Maßstab man bei einem solchen Stück anlegen soll. Das Tempsky-Bowie von Svörd ist natürlich eine Hommage an das originale Tempsky-Bowie aus den 1860er-Jahren, von dem nur sehr wenige gefertigt wurden.
Das Original war Ausrüstungsgegenstand der neuseeländischen Forest Rangers, sowohl Waffe als auch Werkzeug. Den Waffencharakter des Originals kann man sich lebhaft vorstellen: Mit dem Bowie in der Linken, einem Revolver in der Rechten traten die Forest Rangers im Wald der Nordinsel aufständischen Maori gegenüber. Nun sieht aber das Einsatzspektrum moderner Einsatzmesser etwas anders aus, den Waffencharakter des Tempsky-Bowies von Svörd sieht man am ehesten in der Möglichkeit einer Abfangwaffe für die Jagd realisiert.

Da bleibt noch der Einsatzwert als Werkzeug. Für die Forest Rangers war es auch ein Camp Knife, mit dem man einen Weg durchs Dickicht bahnen, Feuerholz hacken, Kisten aufhebeln und Pflöcke anspitzen konnte.
Einem so wuchtigen Messer vorzuwerfen, es eigne sich wenig, um Hechte zu filetieren oder Austern kunstgerecht aufzubekommen, ist natürlich Unsinn. Genauso gut kann man auch einem Formel-1-Boliden den Vorwurf machen, er habe keinen Stauraum für den wöchentlichen Großeinkauf.
Für filigrane Arbeiten eignet sich das Tempsky von Svörd also nur sehr bedingt. Es ist als Bootsmesser gut vorstellbar, als Expeditionsmesser auch. Der überzeugende Vorteil ist, dass dieses wuchtige Messer auch bei vielfachem Nachschliff (der ohnehin kaum nötig sein dürfte) nicht seinen Charakter verliert, und das ist genau das, was die Benutzer des originalen Tempsky-Bowies damals daran so schätzten: ein Messer, das Jahrzehnte intensiver Beanspruchung aushält.

Das Testexemplar durfte gleich seine Schärfe an den Unterarmhaaren des Testers beweisen, was ohne Beanstandung funktionierte. Nachdem etliche Buchenzweige abgehackt, Holzreste aller Art zu Anmachholz zerkleinert und ein starkes Hanftau einige Male gekürzt wurde, erfolgte der Eingangstest noch einmal und erbrachte das gleiche Ergebnis. Das dank des bis sieben Millimeter starken Klingenrückens sehr wuchtige Messer weist eine progressive Härtung zur Schneide hin auf. An der Schneide hat das Messer eine Rockwell-Härte von 57, am Rücken eine Rockwellhärte von 46 bis 48, womit es wohl absolut bruchsicher ist. Bei der Fertigung wurden die Klingen vom Rücken her mit der Flamme angelassen. Die verschiedenen Härtestufen lassen sich sehr schön erkennen, was einen großen optischen Reiz ausmacht. Der bei der Testwaffe verwendete Stahl ist 15N20 dessen Eigenschaften sich kaum von denen des Sandvik-L-6-Stahl der ersten Tempsky-Bowies von Svörd oder den etwas späteren Ausfertigungen in AISI 8670 unterscheiden (der Nickelanteil ist höher, Chrom und Molybdän sind nicht enthalten).
Wichtiger vielleicht ist aber, dass das Klingenmaterial des Tempskys von Svörd in seiner chemischen Zusammensetzung nicht besonders vom Material der originalen Tempsky-Bowies abweicht (abgesehen vom höheren Nickelgehalt).
Die Verarbeitung ist sauber, die Übergänge zwischen Griffholz und dem Stahl der Angel beziehungsweise der Parierstange sind sauber. Als Holz der aufgenieteten Griffschalen wurde bei der Testwaffe afrikanisches Wenge verwendet. Das Tempsky-Bowie ist aber wahlweise auch mit Wallnussholz-Griffschalen erhältlich. Auf eine spit-and-polish-Politur wurde wohl bewusst verzichtet, sie würde auch wohl nicht passen. Ein runder Durchbruch im Griffbereich eignet sich für eine Fangschnur, die bei der Testwaffe in (etwas zu dünnem) Paracord ausgeführt ist. Will man der Authentizität ein Stück weiterhelfen, sollte man hier einen Ersatz schaffen. Die Scheide ist aus starkem schwarzen Rindsleder, vernäht und mit zwei Nieten verstärkt. Die nicht unattraktive umlaufende Vernietung der ersten Serien hat Svörd (leider) nicht mehr fortgesetzt.
Hier sind wir bei der Frage, für wen dieses Messer infrage kommt. Vergleicht man den modernen Nachbau mit dem im Waikato-Museum in Neuseeland aufbewahrten Original, fallen sofort Unterschiede ins Auge, allerdings muss man sich dessen bewusst sein, dass dieses Original wohl unzählige Male nachgeschliffen wurde. Auch die Griffschalen mögen irgendwann ersetzt worden sein, afrikanisches Wenge war es im Original aber ganz bestimmt nicht.
So bleibt als Zielgruppe der Reenactor, ein Darsteller, der sich im Bereich Civil War oder ähnlichem bewegt. Dieser könnte sich durchaus angesprochen fühlen. Auch die Fraktion der Outdoor-Enthusiasten, ob motorisiert oder nicht, könnte an dem Tempsky-Bowie von Svörd gefallen finden, Messersammler allemal. Für die Jagd (im Sinne von „einige jagdliche Anwendungen”) ebenfalls geeignet kommt das Tempsky Bowie auch als Bootsmesser in Frage.
Mit dem Tempsky-Bowie hat Bryan Baker von Svörd etwas geschaffen, was das Herz eines Messerenthusiasten höher schlagen lassen dürfte. Der Neuseeländer fertigt mit seiner Firma Svörd bekanntermaßen hauptsächlich Gebrauchsmesser für den lokalen Markt, wurde dann natürlich durch seine Filmwaffen für den Blockbuster „Herr der Ringe” berühmt.
Das Tempsky-Bowie vereint beide Elemente: langlebiges Gebrauchsmesser für Anwendungen, bei denen ein stabiles Messer gefragt ist und Sammlermesser für den historisch Interessierten.
Fazit
Das Messer besticht durch seine gute Schnitthaltigkeit, eine sehr robuste Grundkonzeption und einer sauberen Verarbeitung. Außerdem bietet es eine zuverlässige Rutschsicherheit nach vorne aufgrund der Parierstange. Auch die Handlage und die stabile Lederscheide können durchaus überzeugen. Negativ muss man anführen, dass das Griffmaterial deutlich von der Originalausführung abweicht und das Messer mit einem stolzen Preis von rund 400 Euro nichts für den kleinen Geldbeutel ist.