Anfang Mai hat mit der „Fujian” der dritte Flugzeugträger der chinesische Volksmarine (PLAN) über den Yangtse-Fluss den Ausrüstungspier der Jiangnan-Werft nördlich von Shanghai für erste Seeversuche im Ostchinesischen Meer verlassen. Die Regierung versucht dem Wildwuchs an von Zivilisten veröffentlichten Bildern des Trägers mit Drohungen über Haftstrafen beizukommen.

Im Gegensatz zu den auf ehemals sowjetischen Konzepten basierenden beiden ersten Trägern des Landes (CV16 „Liaoning” und CV17 „Shandong”) handelt es sich bei der CV18 „Fujian” um eine Neuentwicklung, die auf Katapulte statt der Startrampe setzt. Dabei handelt es sich – wie auch bei der Fangseilanlage beziehungsweise deren Abbremsung – um elektromagnetische Anlagen (EMALS), wie sie auch auf dem neuesten US-Täger CVN78 „USS Gerald Ford” zum Einsatz kommen. Doch im Gegensatz zur „USS Gerald Ford” wurde die „Fujian” in „nur” sechs Jahren fertiggestellt, um drei Jahre schneller. Stapellauf und Namenstaufe waren am 17. Juni 2022.

Allerdings: Bei der „Fujian” handelt es sich – im Gegensatz zu den US-Trägern — um kein nuklear betriebenes Schiff, was ihren Radius und ihre Einsatzdauer im Vergleich stark reduziert. Wegen der elektromagnetischen Schlüsselsysteme muss das Schiff aber wohl trotzdem über eine äußerst stark dimensionierte elektrische Anlage verfügen. Der bereits in Bau befindliche vierte chinesische Flugzeugträger soll dann einen Nuklearantrieb verpasst bekommen. Im Jahr 2035 will die chinesische Marine dann bereits über sechs Träger verfügen und damit seine bis über 1.000 Kilometer ins Südchinesische Meer hinein bis Japan und Guam reichenden, selbst definierten „Einflusszonen” und seine lebenswichtigen See- und Nachschubwege schützen. Innerhalb dieses Gebiets liegt auch die von Peking beanspruchte abtrünnige Insel Taiwan. In Kombination mit tausenden Seezielflugkörpern (auch hypersonisch beziehungsweise ballistisch) soll zudem der Hauptgegner, die US-Navy, möglichst weit von chinesischem Territorium ferngehalten werden.

Das ebene Flugdeck der „Fujian” hat drei EMALS-Katapulte, zwei Aufzüge (alle auf der Seite der Aufbauten) und vier Fangseile. Die Länge wird – auf Basis der bisher verfügbaren Fotos – auf 316 Meter geschätzt, die maximale Breite auf 76 Meter. Die Verdrängung dürfte sich in der Region von knapp 80.000 Tonnen bewegen. Zum Vergleich: Die „USS Gerald Ford” ist mit einer Länge von 337 Metern und einer Breite von 78 Meter etwas größer, auch mit ihrer Verdrängung von 100.000 Tonnen. Dennoch stellt die „Fujian” für die PLAN einen erheblichen Leistungssprung dar, auch wenn das bordeigene Luftgeschwader weit kleiner ist, als bei den Amerikanern.

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Neue Flugzeugtypen

Die beiden ersten Träger sind in erster Linie mit dem Kampfflugzeug J-15 bestückt, eine navalisierte Version beziehungsweise Kopie der russischen Su-27, welche als Su-33 auch auf dem einzigen problembehafteten russischen Träger „Kuznetzow” dient. Ein einst in der Ukraine verbliebener Prototyp fand vor vielen Jahren einen Weg nach China, darauf ist die J-15 aufgebaut. Diese konnte aber bisher wegen der fehlenden Katapulte nicht ihre volle Waffenlast zum Einsatz bringen, das soll sich nun ändern. Prototyp dazu ist die J-15T mit Katapultstange am Bugfahrwerk. Darüber hinaus ist ein neues Stealth-Flugzeug im Werden, genannt Shenyang J-35. Drei oder vier existieren einstweilen, eines oder zwei waren als Mockups bereits zum Ausprobieren der Deckrangierverfahren auf die „Fujian” gesehen worden. Weiters bei Testflügen beobachtet wurden Prototypen des Marine-Frühwarnflugzeuges KJ-600, welches dem US-Gegenstück  E-2D Hawkeyes täuschend ähnlich sieht. Dazu noch Hubschrauber Z-20 und Trainingsjets JL-10. J-35-Mockups wurden neuerdings übrigens auch auf den älteren Rampen-Trägern gesichtet.

In Bau befindlicher Flugzeugträger „Fujian” – ©Weibo
Blick aus einer Passagiermaschine auf den in Bau befindlichen chinesischen Flugzeugträger „Fujian“.

China warnt „Militärfans”: Auf Fotos droht Gefängnis

Eine Quelle zur Beobachtung des Baufortschritts der „Fujian” – aber auch anderer neuer chinesischer Rüstungsprojekte – ist die Auswertung von offenen Quelle (OSINT), dazu zählen auch hunderte Fotos neuer Ausrüstung der Volksbefreiungsarmee pro Jahr, die von chinesischen Amateur-Militär-Enthusiasten von außerhalb von staatlichen Werften und Flugzeugwerken (hier während Testflügen) geschossen und in Folge in diversen Foren sowie auf sozialen Medienaccounts wie WeiBo online gestellt werden. Diese Plattformen haben viele Millionen aktive Nutzer, die Postings dort dürfen allerdings nicht als Zuarbeit für ausländische Dienste missverstanden werden. Meist werden die Fotos von Patrioten geteilt, die damit die riesigen Fortschritte ihres Landes auf dem Rüstungssektor dokumentieren wollen.

Unbeabsichtigt profitieren davon aber auch westliche Dienste, wie aus einer WeChat-Warnung von Ende 2023 durch das Ministerium für Staatssicherheit und den zivilen Inlandsgeheimdienst hervorgeht: „Dies mag ein cooles Hobby sein, aber Sie müssen sehr vorsichtig sein. Einzelne Militärenthusiasten gefährden ernsthaft die nationale militärische Sicherheit, indem sie illegal Informationen über die Landesverteidigung erlangen und diese im Internet verbreiten. Dies geschieht mit einem Fokus auf Militärflughäfen, Häfen, Einheiten der nationalen Verteidigung und militärisch-industrielle Anlagen, in deren Nähe man heimlich mit Fahrzeugen, von extra bestiegenen Fähren aus, oder sogar aus der Luft mit eigens beschafften und ausgerüsteten Drohnen, gelangt. Oder aus zivilen Flugzeugen, die auf bestimmten Routen daran vorbeiführen, stets verfertigt mithilfe von großen Teleobjektiven und hochauflösenden Kameras”, heißt es in dem Beitrag.

Gerade die „Fujian” als neueste chinesische Errungenschaft war in den vergangenen Monaten ein häufiges „Target” von Amateur-Spottern, Aufnahmen wurden dadurch erleichtert, dass die Jiangnan-Werft von Maschinen im Landeanflug auf den internationalen Flughafens Shanghai/Pudong aus, links zu sehen ist. Sogar die Katapult-Tests im Hafenbecken mit einem roten Schlitten wurden aus einem landenden Verkehrsflugzeug fotografiert und kurz danach auf WeiBo veröffentlicht. Den Aufnahmen bediente sich in Folge die Pariser Marinespezialpublikation „Naval News”: „Bilder, die von Passagierflugzeugen aufgenommen wurden, sind zu einer üblichen Quelle geworden, um den Fortschritt mehrerer großer Programme der PLAN zu verfolgen”, so die Plattform.

Acta non verba: Einsatzmesser mit Charakter

Bis zu sieben Jahre Gefängnis

Offizielle Stellen weisen darauf hin, dass notorischen Wiederholungstätern für derartige Aufnahmen bis zu sieben Jahre Gefängnis drohen, Erst- oder Gelegenheitstäter dürften hingegen mit einer Verwarnung davonkommen. Die im Land und auch international tätige Behörde für Aufklärung und Spionageabwehr startete erst Anfang des Jahres einen eigenen Social-Media-Account, der alle chinesischen Bürger vor den Risiken warnt, militärische Geheimnisse nach außen zu tragen, und sie auffordert, sich dem Kampf gegen Spionage anzuschließen. Speziell genannt wurden in diesem Zusammenhang der Bau von Kriegsschiffen oder Flugzeugen und das Zeigen von operativen und technischen Details der chinesischen Militärausrüstung. Flugzeugträger wurden dabei ausdrücklich als ein Bereich genannt, in dem die nationale Sicherheit gefährdet sein könnte.

Im April 2023 enthüllte der staatliche Sender CCTV dazu in einem Nachrichtenbericht, dass Herr Luo, ein „ziemlich populärer Militärenthusiast”, im November 2021 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde, nachdem er vom nationalen Sicherheitsbüro in Shanghai verhaftet worden war, weil er eben den neuen „Fujian”-Träger fotografiert hatte. Er habe dazu eine Drohne benutzt, die in der Lage sei, hochauflösende Fotos aus großer Entfernung zu filmen, heißt es in dem Bericht.

©Militär Aktuell

Auch ein Signal der Stärke und Abschreckung

Natürlich nutzen Militärs Open-Source-Geheimdienstinformationen zu ihrem Vorteil, so Carl Schuster, ein ehemaliger Operations-Director des Joint Intelligence Centers des US Pacific Command. Er sagte gegenüber CNN, dass sich die Volksbefreiungsmarine aber angesichts des Standorts der Werft auch der Wahrscheinlichkeit bewusst sei, dass Fotos eines so großen Objekts (und den Details darauf) gemacht werden. Ähnliches gilt auch für die Flugzeugwerke Chengdu (CAC) und Shenyang (SAC) oder Marinebasis der Südflotte, die von den gehobenen Hotels in Hainan gut einsehbar ist. Möglich natürlich auch, dass Fotos und Aufnahmen gezielt lanciert werden, um dem Gegner falsche Informationen zuzuspielen.

Quelle©China Web, Archiv