Milizangehörige des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia” rückten kürzlich zur beorderten Waffenübung ein. Militär Aktuell war mit dabei und nutzte die Chance, die Miliz besser kennenzulernen. Welche Motivation bringen Miliz-Soldaten mit ins Feld? Welche Vorteile ziehen sie aus dem Dienst und mit welchen Herausforderungen sehen sie sich konfrontiert?
Die Übung
Rund 400 „Staatsbürger in Uniform” wurden zur Übung am Truppenübungsplatz Bruckneudorf einberufen. An sechs Tagen standen für die Männer und eine Frau in Miliztätigkeit des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia” das Schießen und der Gefechtsdienst im Fokus. Auch die Organisation der Übung, von der Planung über Logistik und Küche, lag im Aufgabenbereich der Miliz-Soldaten des Österreichischen Bundesheeres.
Im Schießbetrieb gab es zwei Besonderheiten für die Miliz-Soldaten: Zum einen fand ein Teil der Ausbildung am Schießsimulator statt, der, wie bei einem Schießkino, den Schützen auch dynamische Drills und komplexere Szenarien vorgibt. Des weiteren fand eine Einweisung in das neue Sturmgewehr Stg77 A1 MOD statt (-> Alles zum neuen Modell des Stg77).
„Die Miliz ist ein wesentlicher Bestandteil des Österreichischen Bundesheeres. Um den Auftrag zu erfüllen, braucht es aber die entsprechenden politischen Entscheidungen.“
Oberst Markus Hornof, Kommandant Jägerbataillon Wien 2
Das zweite Schwergewicht der Übung lag im Gefechtsdienst. Der Aufklärungszug übernahm die Schulungen, beispielsweise im Beziehen von Stellungen, im Vorgehen im Gelände oder im Absetzen.
Gleichheit
Gestern noch im Büro, heute im Felde – wie gelingt das Wechselspiel aus ziviler und militärischer Welt wirklich? Gelingt ein Beisammensein der verschiedenen Kompetenzen tatsächlich? Bataillons-Kommandant Oberst Markus Hornof ist davon und somit auch von der Relevanz einer solchen Übung überzeugt: „Ob Handwerker, Ingenieur oder Rechtsanwalt – so viele Spezialisten bringen ihre Kapazitäten aus dem zivilen Bereich in das Bundesheer ein. Im Gegenzug lernen sie bei uns Kompetenzen, die sie im Berufsleben einbringen können.” Auch wäre, so Hornof, der Austausch zwischen Miliz- und Berufsoldaten von hohem Wert. „Im Einsatz ist es egal, von woher sie kommen – beide haben den gleichen Auftrag zu erfüllen.”
Motivation
Rund 33.000 Milizsoldatinnen und -soldaten sind im Österreichischen Bundesheer aktiv (-> Österreichs Miliz: Rückgrat der Landesverteidigung). Was motiviert sie, im In- und Ausland im Einsatz zu dienen? Bataillons-Kommandant Oberst Hornof bekommt zahlreiche Rückmeldungen dazu. Für die Büroarbeit wäre es der ideale Ausgleich, sagen ihm viele. Auch Selbständige wissen das Arbeiten im größeren Team und bei abwechselnden Führungsaufgaben zu schätzen. In den Gesprächen mit den Miliz-Soldaten hören wir ebenfalls oft starke Schlagworte wie „Gemeinschaft”, „Kameradschaft” und „Spaß”.
„Es ist eine sinnvolle Sache. Spaß macht es auch. Und man wächst an den Aufgaben”, erzählt uns der Kompaniekommandant, der im zivilen Leben ein Medizinstudent ist. Ähnliches berichtet auch Harald K., der als Sanitäter am Schießgelände eingeteilt ist. Sieben Jahre Erfahrung in der Notfallambulanz bringt er ins wortwörtliche Feld. Für ihn sind seine Kameraden die Motivation: „Bei jeder Übung kommt man geschlossen zusammen und das ist immer toll. Unser Kommandant ist ebenfalls ein super Kamerad, menschlich sowohl wie fachlich. Und somit macht es einfach einen Spaß.”
„Die Motivation? Die Erfüllung des Schutzauftrags.“
Lukas Kopinitz, Miliz-Soldat im Aufklärungszug, Jägerbataillon Wien 2
Bei allem Spaß – die eigene Rolle, die man als Uniformierter mit Waffe einnimmt, wird in einer krisenbesetzten Zeit von allen Gesprächspartnern reflektiert. Miliz-Soldat Herbert Meixner ist im Berufsleben Head of Projekt Management in der Österreichischen Staatsdruckerei. Wir hatten ihn bereits vor fünf Jahren im Interview (-> Einer von 61.000: Zugsführer Herbert Meixner im Interview) und trafen ihn überraschend am MG-Stand wieder. Seine Begeisterung für den Dienst, den er beim Bundesheer leistet, ist seit dem ersten Interview ungebrochen. Ihn treibt der Schutz des Wirtschaftsstandorts Österreich an. „Wo das Geschäft floriert, da wollen die Leute gerne leben und da mag die Wirtschaft auch gerne investieren. Und wer kümmert sich um den Schutz der Wirtschaft? Das Militär. Da mag ich ein kleines Rädchen dabei sein, dass ich diesen Schutz sicherstellen kann für dieses Land.” Von einem „Pflichtgefühl” ist noch öfters in den Gesprächen die Rede, „da zu sein, weil es sonst kein anderer macht”, wie es Oberleutnant Robert Erdödy ausdrückt.
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Wissen aus zwei Welten
Miliz-Soldaten bringen ihr berufliches Wissen in das Militär mit ein und – umgekehrt – setzen militärische Fähigkeiten im Zivilberuf um. Erdödy, der im zivilen Leben IT-Einzelunternehmer ist, profitiert täglich davon: „Die Führungsfähigkeiten, die ich hier zuerst als Zugskommandant und jetzt als Stabsoffizier erlernt habe, ermöglichen mir auch mit meinen Kunden dementsprechend umzugehen. Ich fordere ein, was es für ein Projekt braucht, ohne unprofessionell zu wirken.”
„Aus meiner Sicht ist die Verbindung zwischen Wirtschaft und Militär in einer Führungsrolle perfekt vereint. Ich kann das, was ich hier lerne, dort anwenden und vice versa.“
Herbert Meixner, Miliz-Soldat im Jägerbataillon Wien 2
Professionalität ist auch für den ausgebildeten Fälschungserkennungsexperten Herbert Meixner zentral. Das Wissen setzt er direkt in Personen- und Kfz-Kontrollen um und er vermittelt es darüber hinaus in Schulungen. Auch umgekehrt gelingt die Symbiose als Abteilungsleiter – und damit als Führungskraft – in der Österreichischen Staatsdruckerei. „Wie man verschiedene Menschentypen führt, das lernt man unter anderem bei der Ausbildung zum Unteroffizier auf der Heeresunteroffiziersakademie und bei der Ausbildung zum Offizier auf der Militärakademie. Aus meiner Sicht ist diese Verbindung zwischen Wirtschaft und Militär in einer Führungsrolle perfekt vereint. Ich kann das, was ich hier lerne, dort anwenden und vice versa.”
Alle Gesprächspartner nehmen ihre Rolle im zivilen und militärischen Umfeld sehr ernst. Das Wissen aus zwei Welten – insbesondere „Softskills” – wird überall geschätzt. „Kommunikation und Führung in beide Richtungen” sind für Lukas Kopinitz vom Aufklärungszug alltäglich gelebte Fähigkeiten. Ihn treibt beim Bundesheer ebenfalls die Gemeinschaft sowie an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten an. Und: „Die Erfüllung des Schutzauftrags.”
Fachlich gibt es ebenso Überschneidungen, berichtet Sanitäter Harald K., der zivil im Anästhesiebereich tätig ist. „Die Selbst- und Kameradenhilfe wird im Zivilen so nicht unterrichtet. Da lernt man auch mal jemanden 100 oder 200 Meter zu tragen oder aus irgendeiner ungewöhnlichen Position rauszuziehen. Alles unter erschwerten Bedingungen, vielleicht noch in einem Schusswechsel.”
Herausforderungen
Es ergibt sich, hört man den Miliz-Soldaten genau zu, schnell das Bild, dass man bei Übungen auch darum gerne zusammenkommt, um miteinander, in einem Netzwerk, für sich selbst und für ein größeres Ganzes ein „Handwerk” zu lernen. Aber reichen dafür überhaupt sechs Tage „Lernzeit” und nur alle zwei Jahre eine Volltruppenübung für das ganze Bataillon?
Es sind sich viele einig: Die Übungen finden zu selten statt und dauern zu kurz. Die erste Woche wäre bei vielen primär mit Planungen und Vorbereitungen belegt. Eine zweite Woche würde den eigentlich vorgesehenen regulären Dienstbetrieb ermöglichen. Miliz-Soldat Erdödy bringt es auf den Punkt: „Ich wünschte, wir hätten einen ausgedehnteren Übungszeitraum, damit wir in der zweiten Übungswoche das wirklich durchsetzen können, was wir in der ersten Woche nur mal zum Aufschalten gebraucht haben.”
Auch von Bataillons-Kommandanten Oberst Hornof kommt eine sehr ähnliche Einschätzung: „Die Motivation ist da – der Rückhalt aus der Politik fehlt aber.” Damit spricht Hornof die wieder aktuelle Diskussion um eine verlängerte Wehr- sowie Übungspflicht an. „Die Miliz ist ein wesentlicher Bestandteil des Österreichischen Bundesheeres. Um den Auftrag zu erfüllen, braucht es aber die entsprechenden politischen Entscheidungen.”
„Wenn man weiß wofür, dann zahlt es sich aus, auch darin zu investieren oder im Ernstfall zu kämpfen.“
Milizangehöriger und Kompaniekommandant des Jägerbataillons Wien 2
Aber auch in Richtung Zivilgesellschaft müsse noch mehr Öffentlichkeitsarbeit getan werden, so Hornof: „Meine Milizoffiziere übernehmen hier Verantwortung. Viele Unternehmen wissen das gar nicht zu schätzen.” Rückhalt in der Berufswelt erhalten Miliz-Offiziere in Form des Miliz-Zertifikats, das vom TÜV Austria ausgestellt wird, und einen Nachweis für die militärisch erworbenen Führungskompetenzen darstellt. Daneben gibt es für Miliz-Offiziere die Möglichkeit, in der Theresianischen Militärakademie Seminare zu besuchen. Für alle Milizsoldaten steht außerdem der inoffiziell so genannte „Milizbildungsscheck” zur Verfügung. Damit ist die Anrechnung von militärischen Befähigungen im Zivilen gemeint. Eine wachsende Anzahl an Kursen, von Sprachkursen, über den Werkmeister Lehrgang Elektrotechnik bis hin zum Nahkampfkurs, stehen den Miliz-Soldaten zur Auswahl.
Neue Kameraden
Die Leistungen des Bundesheeres werden in der Breite der Bevölkerung hoch angesehen, auch die Zustimmung zur Wehrpflicht ist zuletzt gestiegen (-> Zur Erhebung des Gallup-Instituts). Dennoch, ein Mangel an Personal, beispielsweise im Nachschub und der Kraftfahrt, ist im Jägerbataillon Wien 2 spürbar. Dabei sind „junge Heranwachsende und Führungskräfte des Landes sicher gut beim Bundesheer aufgehoben”, ist Herbert Meixner überzeugt. Es gäbe „viele Parallelen zwischen Wirtschaft und dem Bundesheer, wie Führungsstrukturen und Prozesse gestaltet sind”. Auch bei Diskussionen, „bei denen es heiß hergeht”, hilft das Wissen.
Die Gründe, „dabei” zu sein und zu bleiben, können individuell unterschiedlich sein. Der Kompaniekommandant und Medizinstudent rät Interessierten, sich zuerst mit dem Auftrag auseinanderzusetzen und das „Warum” für sich zu klären. „Wenn man weiß wofür, dann zahlt es sich aus, auch darin zu investieren oder im Ernstfall zu kämpfen.” Familie, Freunde und Gesellschaft stehen bei ihm persönlich ganz oben. „Das ist mir schon was wert. Freiheit und Unabhängigkeit erhalten sich nicht von selbst.”
Egal, mit wem wir am Truppenübungsplatz Bruckneudorf sprachen, der feste Zusammenhalt und die Überzeugung, etwas Gutes und Richtiges zu tun, waren sich wiederholende Themen in den Gesprächen. Weitere motivierende Worte findet am Abschluss unseres Besuchs beim Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia” auch der Sanitäter Harald K.: „Die Miliz ist ausbildungsmäßig super. Vor- und Nachteile gibt es überall. Wer aber kommen möchte, ist willkommen. Der Sanitätszug braucht auch immer wieder Personal. Wir sind eng besetzt, da ist Hilfe immer erwünscht. Unser Zug ist sehr nett und kameradschaftlich – wir sind wie eine kleine Familie.”
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