Am 30. April gedachte die kommunistische Volksrepublik Vietnam in Ho-Chi-Minh-Stadt mit einer großen Festparade im sowjetischen Stil – einschließlich eines historischen Vietcong-Marschblocks in den sogenannten „schwarzen Pyjamas” – dem 50. Jahrestag des Sieges über die USA. Zeitgleich berichten verschiedene Medien unter Berufung auf das US-Portal 19fortyfive.com, dass Hanoi Interesse am Erwerb von F-16-Kampfflugzeugen aus den USA zeigt.

Klingt unwahrscheinlich? Ja! Laut mehreren, nicht näher benannten Quellen sollen sich Vietnam und die USA nach längeren Verhandlungen allerdings grundsätzlich auf einen Kauf geeinigt haben. Offiziell ist das noch nicht – aber offenbar durchaus realistisch. Was bedeutet das?

Bemühen um Trumps Wohlwollen

Ein Erwerb von US-Kampfflugzeugen würde Vietnam außenpolitisch eng an die USA binden – eine bemerkenswerte politische Kehrtwende für einen einstigen Kriegsgegner aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Das Land wäre im Verteidigungsfall auf das Wohlwollen Washingtons angewiesen, insbesondere bei der Lieferung von Ersatzteilen und Munition. Die kommunistische Parteiführung müsste sich demnach genau überlegen, wie sie etwa mit innenpolitischem Widerstand, Konterrevolutionären oder Demokratiebewegungen umgeht – repressives Vorgehen könnte die Versorgung mit US-Ersatzteilen gefährden oder gar zum vollständigen Ausfall der Systeme führen.

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Vietnam war auch eines der ersten Länder, das sich in Washington meldete, nachdem Donald Trump seinen umstrittenen Zollkrieg angekündigt hatte. Aufgrund seiner hohen Exportquote in die USA – etwa bei Solarpanels, Textilien oder Produkten von Nike – ist das Land massiv betroffen. Politisch ergibt es daher durchaus Sinn, sich durch Waffengeschäfte mit den USA „wohlwollend” zu positionieren. Solche Deals könnten in einem geopolitischen Kontext als Maßnahme zur Sicherung von Wohlstand und wirtschaftlicher Stabilität interpretiert werden – und somit als indirekte Stütze für das kommunistische Regime.

Sicherheitspolitisch kein Risiko für die USA – im Gegenteil

Ein künftiger Krieg Vietnams würde sich mit großer Sicherheit weder gegen die USA noch gegen deren Verbündete richten. Vielmehr bleibt China – ebenfalls kommunistisch und Hauptfokus der Trump-Administration – der traditionelle Rivale Vietnams. Die Feindschaft reicht historisch über tausend Jahre zurück und fand in jüngerer Zeit ihren Ausdruck im Grenzkrieg von 1979 sowie in aktuellen Spannungen im Südchinesischen Meer bei den Spratly- und Paracel-Inseln. Auch chinesische Bohrinseln in der vietnamesischen Wirtschaftszone (EEZ) trugen zur Eskalation bei. Für Washington ergibt sich hier der klassische Fall: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.”

Bundesheer will Loitering Munition beschaffen

Ein weiterer Beweggrund für Vietnam ist die Distanzierung von seinem bisherigen Hauptwaffenlieferanten Russland. Die Abhängigkeit ist hoch – vom T-90-Panzer über Kilo-Klasse-U-Boote bis hin zu Artillerie, Flugabwehr und natürlich Kampfflugzeugen. Letztere – etwa die Sukhoi Su-27SK und Su-30MK2V – bereiten zunehmend Wartungsprobleme, während die Su-22-Bomber bereits über 30 Jahre alt sind. Einige Maschinen wurden bereits außer Dienst gestellt. Ersatzteile und neue Wartungsverträge von Rosoboronexport oder UAC/Suchoi erfordern hohe Vorauszahlungen – deren Lieferung ist jedoch ungewiss, auch wegen Russlands zunehmender Abhängigkeit von China und seiner Kriegsführung in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg).

Zudem drohen Vietnam bei weiteren russischen Rüstungskäufen Sanktionen seitens der EU und der USA. Die Zweifel bezüglich Russland als Partner haben sich in Hanoi seit 2014 und insbesondere seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 erheblich verstärkt.

Kaste Ostasien – ©US Department Of Energy
Viele Ansprüche und hohe Brisanz – so stellt sich aktuell die Situation in Südostasien dar.

Wie viele F-16 – und in welcher Version?

Bei der möglichen Anzahl und Version der Flugzeuge sind noch Fragen offen. Gemessen an bisherigen Flottenumfängen könnten mindestens 24 F-16-Jets beschafft werden – möglicherweise sogar deutlich mehr. Im Gespräch ist auch ein Paketdeal, der zusätzlich Transportflugzeuge vom Typ C-130J Hercules umfassen könnte. Unklar ist zudem, welche Version der F-16 geliefert werden soll. Ältere Maschinen sind kaum verfügbar – sie wurden meist weiterverkauft (zum Beispiel von Portugal nach Rumänien, Niederlande nach Chile und Ukraine) oder zu Zieldrohnen umgebaut.

Eine Su-30MK2 der vietnamesischen Luftwaffe – ©VPLAF
Die Kampfflugzeuge aus Russland sind bereits in die Jahre gekommen, und Ersatzteile immer schwerer sowie teurer zu beschaffen.

Neu gebaute F-16V Block 70/72 aus Greenville sind zwar technisch hochmodern (unter anderem mit AN/APG-83 AESA-Radar), aber teuer und mit mehrjähriger Lieferzeit verbunden – wie aktuelle Bestellungen von Bahrain, der Slowakei, Bulgarien oder Taiwan zeigen. Die Lieferung moderner Radarsysteme an ein kommunistisches Regime mit nach wie vor engen Beziehungen zu Russland könnte zudem für die USA politisch problematisch sein.

Noch unklarer ist die Bewaffnung: Die F-16 ist ohne moderne luftgestützte Radarsuchlenkwaffen vom Typ AIM-120C AMRAAM im Luftkampf weitgehend ineffektiv – ein Problem, wie es sich aktuell auch in der Ukraine zeigt. Sollte Vietnam diese Bewaffnung nicht erhalten, dürfte der Deal scheitern. Eine Beschränkung auf veraltete AIM-7 Sparrow-Raketen – wie im Fall Ägyptens – gilt als unwahrscheinlich. In einem solchen Szenario würden europäische Alternativen von Dassault (Frankreich) oder Saab (Schweden) wohl schnell in Stellung gebracht.

©Militär Aktuell

Sollten die Berichte von 19fortyfive.com oder auch The Diplomat zutreffen und tatsächlich bereits ein Vertrag vorbereitet werden, würde Vietnam künftig eine deutlich amerikanischere Außenpolitik betreiben (müssen) als bislang. Für Hanoi wäre dies eine halbe „Revolution” – ein weiter Weg seit dem 30. April 1975 – und für die USA ein erheblicher Prestige- und Einflussgewinn. Zusammen mit Initiativen wie Quad (-> Quads-Bündnis gegen China formiert sich) und AUKUS entstünde so eine weitere tragende Säule der Anti-China-Strategie in der Asien-Pazifik-Region.

Quelle©Taiwan Military News Agency, VPLAF