Wie bekämpft man Drohnen am effektivsten? Richtig – mit Abfangdrohnen! Weltweit arbeiten derzeit Verteidigungsunternehmen und Start-ups gleichermaßen an Systemen, die anfliegende unbemannte Luftfahrzeuge effizient, flexibel und vor allem kostengünstig neutralisieren sollen. Militär Aktuell gibt einen Überblick über die neue Klasse sogenannter „Interceptor-Drohnen”.

Schon kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde in Kiew deutlich, dass die Bedrohung durch anfliegende Drohnen wie Geran und Shahed weit über die Frontlinie hinausreicht. Immer häufiger gerieten nicht nur Soldaten und militärische Systeme, sondern auch zivile Ziele und kritische Infrastrukturen tief im Hinterland ins Visier der Angreifer.

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Auch das eigentliche Problem offenbarte sich schnell: Die schiere Masse an Angriffsdrohnen, die Russland produzieren und einsetzen konnte, überforderte selbst moderne Flugabwehrsysteme. Teure Lenkflugkörper gegen billige Kamikaze-Drohnen einzusetzen, erwies sich als ineffizient – militärisch wie wirtschaftlich. Die Ukraine stand damit vor einer neuen Herausforderung: der Entwicklung kostengünstiger, skalierbarer Abwehrlösungen gegen eine Bedrohung aus der Luft, die in dieser Form zuvor noch nie existiert hatte.

Ein Hackathon als Ausgangspunkt

Typisch für die Ukraine folgte auf die Problemdefinition rasch der Lösungsansatz – in Form eines vom ukrainischen Ministerium für digitale Transformation veranstalteten nationalen Hackathons im Juni 2023. Ingenieure, Start-ups und Militärexperten entwickelten gemeinsam damals erste Konzepte und Prototypen, die heute die Grundlage für ein völlig neues Segment der Luftverteidigung bilden: mobile, autonome Abfangdrohnen, die feindliche Systeme orten, verfolgen und gezielt ausschalten können – ohne teure Lenkflugkörper und mit deutlich höherer Flexibilität.

Hackathon in der Ukraine – ©Archiv
Und wenn nichts mehr hilft – wird ein Hackathon veranstaltet: Im Juni 2023 diente er als Ideenplattform für neue Ansätze im Kampf gegen Drohnen.

Zwischen 50 und 60 Teams konnten ihre Vorschläge einreichen. Drei Gewinnerteams wurden ausgewählt und erhielten jeweils einen Vertrag über eine Million Dollar (rund 860.000 Euro) zur Weiterentwicklung und Skalierung der Produktion ihrer Projekte.

Der nächste Impuls folgte beim Drone XL Defence Tech Hackathon im April 2024 in London. Dort wurde die sogenannte Paraceptor-Drohne vorgestellt – ein Hochgeschwindigkeits-Quadcopter auf Basis von FPV-Technologien mit aerodynamisch kegelförmigem Rumpf, dessen Abfangkurs präzise über Positionsdaten berechnet wird.

Wild Hornets Sting beim Abfangen einer russischen Lancet-Loitering-Munition – ©Wild Hornets
Wild Hornets Sting beim Abfangen einer russischen Lancet-Loitering-Munition.

Doch nicht nur Quadcopter, sondern auch Flächen- und Jet-Drohnen befinden sich derzeit in Planung, Entwicklung und Fertigung – für den Einsatzbereich zwischen klassischer Flugabwehrkanone und den verschiedenen Klassen von Flugabwehrraketen kurzer und mittlerer Reichweite.

Wild Hornets Sting

Die Wild Hornets sind ein ukrainisches MilTech-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Produktion von Kampfdrohnen spezialisiert hat. Gegründet wurde es im Frühjahr 2023. Bekannt wurden die Wild Hornets vor allem durch die Bilder und Videos auf ihren Social-Media-Kanälen. Diese dienen jedoch nicht nur der Selbstdarstellung – im Hintergrund steht eine Spendeninitiative, die Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen dazu aufruft, die Entwicklung und Produktion aktiv zu unterstützen.

Ukrainische Sting-Abfangdrohne und russische Geran-2-Drohne – ©Archiv
Viele hundert Geran-2-Drohnen kann Russland innerhalb einer einzigen Nacht starten. Billige, in hoher Stückzahl produzierte Kamikaze-Drohnen wie Sting mit größerer Reichweite als konventionelle Flugabwehrkanonen stellen damit eine neue, ökonomisch schwierige Herausforderung dar — sie sind in Menge und Kostenstruktur häufiger als herkömmliche Fliegerabwehrraketen.

Im Oktober 2024 veröffentlichte die britische Zeitung The Telegraph einen Artikel mit Einblicken in die jüngste Entwicklung der Wild Hornets und einem Foto des Abfangdrohnen-Prototyps Sting. Nachdem das Projekt öffentlich geworden war, erschienen gegen Ende 2024 Videos von Testflügen. Anfang 2025 begann die Serienproduktion. Stand Mitte Oktober 2025 hat Wild Hornets nach eigenen Angaben 900 Ziele mit der Abfangdrohne zerstört. 70 Prozent der Sting-Einsätze führten demnach zu einem erfolgreichen Abfang.

Vielfalt

Inzwischen ist Sting kein Einzelprojekt mehr. Mehrere vergleichbare Vorhaben laufen in der Ukraine, auch in Russland existieren entsprechende Entwicklungen – daneben treten bekannte Start-up-Projekte im Westen hinzu.

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Sie alle arbeiten an der Lösung einer Reihe technischer und operativer Herausforderungen:

  • Eine möglichst hohe Höchstgeschwindigkeit, um fliegende Ziele einholen zu können. Über 300 km/h elektrisch gelten mittlerweile als normal.
  • Eine gute Steigleistung; jüngste Entwicklungen nutzen kleine Starthilfsraketen, um Abfangdrohnen rasch auf 4 bis 5 Kilometer Höhe zu bringen.
  • Der teilweise oder vollständige Ersatz des Piloten durch automatische Steuerungssysteme. Zwar haben die Ukraine und später auch Russland massiv in FPV-Piloten investiert, langfristig sollen Abfangdrohnen jedoch ohne menschliche Steuerung auskommen.
Russische Archangel-Abfangdrohne im Einsatz – ©Archiv
Eine russische Archangel (Erzengel)-Abfangdrohne neutralisiert eine ukrainische Langstrecken-Drohne auf Kleinflugzeugbasis, vermutlich eine E-300 Cobra.
  • Skalierbarkeit und Modifizierbarkeit: Die Produktionsmengen müssen die herkömmlichen Flugabwehrraketen um mehrere Größenordnungen übertreffen – statt ein paar Tausend Systeme pro Jahr wären ein paar Tausend pro Tag erforderlich. Parallel dazu muss die Anpassungsfähigkeit an neue Bedrohungen gewährleistet sein; technische und taktische Änderungen des Gegners sollen schnell durch Modifikationen der Abfangdrohnen beantwortet werden.
  • Integration und Interaktion mit bestehenden Flugabwehrsystemen: Die Vielzahl unterschiedlichster Luftbedrohungen kann langfristig nur bewältigt werden, wenn Abwehrmaßnahmen koordiniert erfolgen – das heißt, wenn jeweils das günstigste, verfügbare und gleichzeitig noch ausreichend wirksame Mittel in ausreichender Zahl parallel eingesetzt werden kann.
Ukrainische Abfangdrohne – ©Archiv
Ein noch unbenanntes ukrainisches Flächen-Abfangsystem umfasst einen Steuercomputer, eine Datenlink-Antenne sowie zehn Abfangdrohnen.
  • Hit-to-Kill oder Gefechtskopf mit Annäherungszünder: In einem Krieg, in dem potenziell zehntausende Drohnen täglich auch im Hinterland fliegen, ist jede Drohne, die ihr Ziel durch reine Aufprallenergie statt durch eine Sprengladung mit Splitterwirkung zerstört, ein zukünftiges Problem weniger. Denn alles, was explodiert, fällt irgendwann wieder herunter – und die Kapazitäten der Entminungsdienste sind ebenfalls begrenzt.
  • Kostenfaktor als zentraler Treiber: Der eigentliche Grund für den Bedarf liegt im Preis. Flugabwehrraketen kosten oft sechs- bis siebenstellige Summen pro Stück. Im Idealfall sollen Abfangdrohnen zwischen 1.000 und 5.000 Euro kosten. Die derzeitige „Schallmauer” für die günstigsten Modelle liegt bei rund 10.000 Euro pro Einheit. Systeme, die darüber liegen – teils deutlich – müssen im Gegenzug entsprechend mehr leisten.

Westliche Abfangdrohnen im Überblick

Die beiden folgenden Systeme positionieren sich preislich zwischen den günstigen Abfangdrohnen und den teuren Flugabwehrraketen.

Sie operieren im Unterschallbereich — langsamer als Raketen, dafür mit deutlich längerer Einsatzdauer: die Flugzeit wird auf rund 30 bis 60 Minuten geschätzt. Ihr Einsatzradius übertrifft den von Kurzstrecken-Flugabwehrraketen deutlich. Zudem können sie im Fall eines abgebrochenen Einsatzes landen und wiederverwendet werden, was die Wirtschaftlichkeit und taktische Flexibilität erhöht.

Übersicht über bekannte russische Drohnen-Abfangjäger

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Quelle©Archiv, Wild Hornets, Harmattan AI, Quantum Systems, London Defence R&D, Odin Drones, Aero Rozvedka, WIY Drones, Rafael, Piranha Tech, Ukrspecsystems, Tytan Technologies, Serhiy Prytula Foundation, Nordic Air Defence, Anduril