Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius stellte am Donnerstag zu Mittag zusammen mit Generalinspekteur Carsten Breuer und einem Staatssekretär die neue Kommandostruktur der Bundeswehr vor. Sie sieht ein neues und gemeinsames operatives Führungskommando sowie vier Teilstreitkräfte vor: Heer, Luftwaffe, Marine sowie Cyber- und Informationsraum (kurz CIR).
Wegen der verschärften Bedrohungslage in Europa will Minister Pistorius eine kriegstüchtige Bundeswehr. Sie wird entlang von vier Teilstreitkräften mit einem gemeinsamen Unterstützungskommando umorganisiert. Die vier Teilstreitkräfte sind neben dem Heer, der Luftwaffe und der Marine nun auch die Truppe für den Cyber- und Informationsraum CIR. Letztere soll auf elektronische Kampfführung und Cyberoperationen, Aufklärung und den Schutz der elektronischen Infrastruktur spezialisiert sein. Personalentscheidungen zu den Umstrukturierungen wurden noch keine bekanntgegeben.
Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime
Im November des vergangenen Jahres hatte Pistorius auf der Bundeswehr-Tagung im Lichte im Lichte einer verschärften Kriegsgefahr in Europa auch für Deutschland neue verteidigungspolitische Richtlinien zu „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime” ausgerufen. In der Pressekonferenz sagte Pistorius dazu: „Die Bedrohungslage in Europa hat sich verschärft. Wir stellen uns den sich daraus ergebenden Herausforderungen. Dazu zählt, dass wir unsere Bundeswehr so reformieren, dass sie optimal aufgestellt ist, vor allem im Verteidigungsfall. Es muss allen klar sein: Wir verteidigen unser Land und unsere Bündnispartner. Niemand soll auch nur auf die Idee kommen, uns anzugreifen!”
„Es muss allen klar sein: Wir verteidigen unser Land und unsere Bündnispartner. Niemand soll auch nur auf die Idee kommen, uns anzugreifen!“
Verteidigungsminister Boris Pistorius
Doppelstrukturen beseitigen
Pistorius will mit der Umstrukturierung auch gegen Doppelstrukturen vorgehen, die sich gegenseitig behindern und aufhalten. Die Bundeswehr hatte bisher in Schwielowsee bei Potsdam ein Einsatzführungskommando für die Planung und Steuerung von Auslandseinsätzen wie in Westafrika oder nun mit der Fregatte „Hessen” im Roten Meer. Zudem wurde in Berlin ein Territoriales Führungskommando für die Landesverteidigung geschaffen, in dem auch der Operationsplan (OPLAN) für eine gesamtstaatliche Verteidigung Deutschlands erarbeitet wurde. Die beiden Stellen haben sehr unterschiedliche Aufgaben, aber auch einige potenzielle Überschneidungen. Sie werden nun organisatorisch zusammengelegt, bleiben aber an ihren Standorten. Alle Ziele sollen in den nächsten Monaten umgesetzt werden.
Als eine weitere Großbaustelle bleibt nun das Personal der Bundeswehr und die Frage, ob Deutschland nach der Aussetzung der Wehrpflicht eine allgemeine Dienstpflicht einführen könnte. Pistorius betonte in mehreren Antworten, dass er die Wehrpflicht – Zitat: „wie auch immer geartete Wehrdienstpflicht” – wieder einführen möchte. Dies sei auch in den neuen Strukturen verankert, jene seien jedoch unabhängig davon geplant worden. Der Minister lässt dafür Modelle prüfen und orientiert sich an der Praxis in skandinavischen Staaten (-> Dänemark führte zuletzt sogar die Wehrpflicht für Frauen ein). Grund dafür ist, dass die Personaloffensive der Bundeswehr in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen und die Zahl der Soldatinnen und Soldaten zuletzt sogar auf 181.500 gesunken ist.
Die vier Teilstreitkräfte:
- Heer: Das Deutsche Heer ist mit knapp 65.000 Soldaten die größte Teilstreitkraft und operiert naturgemäß vorrangig an Land. Zu den zehn Truppengattungen zählen unter anderen die Panzertruppe, die Infanterie, die Artillerietruppe und die Fernmeldetruppe. Zu den Aufgaben gehören unter anderem Gefechtslagen, humanitäre Hilfe, Unterstützung bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und internationales Krisenmanagement. Dem Heer werden nun auch die neuen „Heimatschutzkräfte” der Bundeswehr unterstellt.
- Luftwaffe: Jene überwacht den Luftraum über Deutschland und den Einsatzbereichen der Bundeswehr, hält zur Sicherung der Lufthoheit Jagdflugzeugverbände und eine bodengebundene Luftverteidigung bereit, übernimmt Transportflüge und nimmt an Hilfs-, Rettungs- oder Evakuierungseinsätzen in Deutschland und im Ausland teil. Ihr gehören knapp 28.000 Soldaten an. Der Luftwaffe wird in der neuen Struktur auch das Luftfahrtamt der Bundeswehr zugeordnet.
-
Marine: Etwa 15.000 Bundeswehrangehörige dienen in der Marine. Sie ist weltweit auf See im Einsatz, etwa um internationale Schifffahrtswege zu schützen. Sie trägt ihren Beitrag zu Landes- und Bündnisverteidigung, weltweitem Krisenmanagement, Heimatschutz und zur internationalen, humanitären Hilfe. Die Marine soll einen möglichen Seekrieg über, auf und unter Wasser führen können.
- Cyber- und Informationsraum (CIR): Die bislang etwa 16.000 Angehörigen dieses Organisationsbereiches sind auf elektronische Kampfführung und Cyberoperationen, Aufklärung und Sicherung der elektronischen Infrastruktur spezialisiert. Dabei werden auch die Informationstechnik der Bundeswehr in Deutschland und im Einsatz sowie die kritische Infrastruktur vor Cyber-Angriffen geschützt.
„Die Reform soll keine Dienstposten einsparen, sondern die Strukturen verbessern und Verantwortlichkeiten klarer organisieren – darauf kommt es im Kriegsfall an.“
Verteidigungsminister Boris Pistorius
Statements von Pistorius und Breuer
Zum Ende der Pressekonferenz standen Verteidigungsminister Pistorius und Generalinspekteur Breuer den zahlreichen Reportern Rede und Antwort. „Es ist eine richtungsweisende Reform, eine die Struktur der Bundeswehr verändernde Form”, so Pistorius dabei. „Sie ist kein Selbstzweck, sondern dient genau dem Zweck. Sie soll keine Dienstposten einsparen, sondern die Strukturen verbessern und Verantwortlichkeiten klarer organisieren – darauf kommt es im Kriegsfall an.”
Auf die Frage, warum er während der Verkündung der Reform kein einziges Mal das Wort „kriegstüchtig” in den Mund genommen hatte, antworte Pistorius: „Ich wusste nicht, dass wir hier Bingo spielen. Ich benutze das Wort nach wie vor, weil es eines der wenigen Wörter ist, dass die Notwendigkeit nüchtern beschreibt.“
Generalinspekteur Carsten Breuer wurde nach dem Sitz des neuen Führungskommandos gefragt: „Beide Kasernen werden bleiben. Die Aufgaben werden so miteinander verschmolzen, dass wir diese zusammenführen. Ich verspreche mir davon, dass wir eine gemeinsame Operationszentrale betreiben. Aber der Sitz der Streitkräftebasis bleibt unverändert.”
Pistorius über Deutschland in der NATO: „Die NATO wäre ohne Deutschland eine andere – aber auch die Sicherheitslage Deutschlands ohne NATO wäre eine andere. Die Bedeutung Deutschlands für die NATO ist groß. Uns kommt eine besondere Verantwortung zu. Der werden wir gerecht, in dem wir als erstes NATO-Land eine ganze Brigade dauerhaft an der Ostflanke stationieren.”
Pistorius weiter: „Wir haben bedacht, dass es zu einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht kommt. Wir sind sehr, sehr schnell am Ziel der Umstrukturierung angekommen. Ich danke ausdrücklich allen Teilstreitkräften. Alle mussten zurückstecken und haben dies getan. Wir haben alle Voraussetzungen geschaffen, um die nötige Umstrukturierung umzusetzen.”
Weiterführende Informationen:
Militärhistoriker Söhnke Neitzel zur „Kriegstüchtigkeit” der Bundeswehr im ZDF und Bericht in „Die Welt”: Redakteur Thorsten Jungholt hält die Reform für überfällig, bei einigen Generälen soll sich aber Widerstand regen.
Hier geht es zu weiteren Berichten rund um die Bundeswehr.