In dieser Serie werfen wir alle zwei Wochen einen Blick auf 5 aktuelle Konflikte, Krisen und Ereignisse weltweit. Dieses Mal im Fokus: Andauernder Beschuss, verschärfte Rhetorik – droht ein neuer Libanon-Krieg? Moskau und Pjöngjang erneuern Militärpakt aus der Zeit des Kalten Krieges, Israel ruft Ultraorthodoxe zur Waffe.
Ereignis #1: Israel und Hisbollah auf Kriegskurs
Bis zum 7. Oktober 2023 galt zwischen den israelischen Streitkräften und der libanesischen Hisbollah eine Art stillschweigendes Abkommen: Beschossen wurden nur Ziele, bei denen keine großen Verluste zu erwarten waren. Doch seit dem Überfall der Hamas auf Israel stiegen die Opferzahlen drastisch an, zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze mussten wegen des Beschusses ihre Häuser und Wohnungen verlassen.
„im Falle eines neuen Krieges zwischen der Hisbollah und Israel würde sich Die Hisbollah nicht mehr nur auf die Grenzräume konzentrieren, sondern ihren Beschuss auf ganz Israel ausweiten.“
Militäranalyst Brigadier Berthold Sandtner
In den vergangenen Tagen verschärfte sich die Rhetorik zusehends; Israel und Hisbollah betonen, sie seien bereit für den Krieg. Wie The Washington Post berichtet, wachsen die Befürchtung, wonach der Grenzkonflikte zwischen Israel und der Hisbollah zu einem Krieg eskalieren könnte, der weite Teile des Nahen Ostens mit hinein zieht. Mit verheerender Wirkung auch für Israel. „Die Hisbollah würde sich nicht mehr nur auf die Grenzräume konzentrieren, sondern ihren Beschuss auf ganz Israel ausweiten”, sagt Brigadier Berthold Sandtner in unserem „5-Fragen-an”-Interview zum Thema.
Ereignis #2: Putin und Kim verstärken militärische Zusammenarbeit
Mitte Juni erneuerten der russische Präsident Wladimir Putin und der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un ein gegenseitiges Verteidigungsversprechen aus der Zeit des Kalten Krieges. Dass dies gerade jetzt geschieht, verwundert nicht: Russland braucht Munition für seinen Krieg in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg), Nordkorea ist bereit zu liefern und erhält im Gegenzug Lebensmittel, Treibstoff und Militärtechnologie.
Wie The New York Times vermutet, könnte Moskau im Zuge des Abkommens auch Kims Streben nach besser funktionierenden Atomwaffen, Raketen, U-Booten und Satelliten unterstützen – eine Entwicklung, die unter Amerikas asiatischen Verbündeten, insbesondere Südkorea, Besorgnis hervorruft.
Auch Peking ist besorgt, dass Moskaus Unterstützung für Pjöngjang – insbesondere im Bereich der Militärtechnologie – die aktuellen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel weiter befeuern könnte.
Ereignis #3: Neukaledonien erneut in Aufruhr
Nach einem unruhigen Frieden mit nächtlichen Ausgangssperren sind diese Woche in Neukaledonien erneut Unruhen ausgebrochen. Wie der Standard berichtet, wurden im französischen Überseegebiet mehrere Gebäude und Autos in Brand gesetzt.
Mitte Mai brachten gewalttätige Proteste gegen die mehr als 170 Jahre währende französische Herrschaft das Gebiet an den Rand eines Bürgerkriegs. Sieben Menschen starben, viele weitere wurden verletzt. Auslöser war eine geplante Wahlrechtsänderung, wodurch tausende von französischen Migranten in Neukaledonien das Wahlrecht erhalten würden. Gegner der Reform befürchten, dass der Zustrom neuer (französisch-stämmiger) Wähler ein zukünftiges Referendum über die Unabhängigkeit des Inselstaates verunmöglichen würde. Macron hat die Reform mittlerweile verschoben.
Wie The New York Times berichtet, ist die pazifische Insel Neukaledonien mit ihren riesigen Nickelvorkommen für Frankreich von strategischem Wert. Auch, weil China in der Region zunehmend an Einfluss gewinnt. Ein unabhängiges Neukaledonien, so argumentieren die französischen Loyalisten, könnte leicht in den Einflussbereich Pekings geraten.
Ereignis #4: Klimawandel als globale Sicherheitsgefahr
Während der diesjährigen muslimischen Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien starben mehr als 1.300 Menschen aufgrund extremer Hitze. Doch nicht nur auf der Arabischen Halbinsel, sondern weltweit sind Regionen von sengender Hitze betroffen, die auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückführen ist. „Wir haben die höchsten Treibhausgaskonzentrationen der letzten drei Millionen Jahre. Kohlendioxid speichert Wärme, so dass die Temperatur des Planeten steigt”, zitiert The Washington Post den Meereskundler Michael McPhaden. Der Trend gehe dazu, dass Hitzephasen früher im Jahr beginnen und länger andauern.
Dass der Klimawandel die Sicherheit auf regionaler wie internationaler Ebene bedroht, hat nicht zuletzt die UN in einem Bericht. Dazu zählen unter anderem die Auswirkungen auf die Nahrungsmittel-, Wasser- und Energieversorgung, der verstärkte Wettbewerb um natürliche Ressourcen, sowie Zwangsmigration und Vertreibung. Auch die NATO bezieht Überlegungen zum Klimawandel seit 2021 in ihre politische und militärische Agenda mit ein.
Ereignis #5: Historisches Urteil: Ultraorthodoxe müssen zum Militärdienst
Israels ultra-orthodoxe Gemeinschaft war bisher vom Militärdienst befreit. Am Dienstag entschied der Oberste Gerichtshof jedoch, dass auch sie zum Dienst an der Waffe verpflichtet sind, berichtet The New York Times.
In Israel müssen jüdische 18-Jährige, Männer wie auch Frauen, einen jahrelangen Militärdienst leisten. Die Frage, ob die Ultraorthodoxen davon befreit sein sollen, polarisiert Israel seit langem. Die Mehrheit der Israelis ist über den Mangel an Gleichberechtigung verärgert.
Die Ultraorthodoxen machen zwar nur 13 Prozent der Bevölkerung Israels aus. Es handelt sich jedoch um eine junge Gemeinschaft mit großen Familien. Daher stellen ihre Mitglieder einen ständig wachsenden Anteil der einberufungsfähigen Bevölkerung des Landes – potenzielle Soldaten, die nicht zuletzt aufgrund des seit neun Monaten andauernden Krieges in Gaza und des Konflikts mit der Hisbollah dringend benötigt werden.
Für die Regierungskoalition von Premierminister Benjamin Netanjahu ist die Entscheidung des Gerichts eine (weitere) Zerreissprobe. Netanjahu muss sich nun bemühen, eine gesetzliche Lösung zu finden, die für die ultraorthodoxen Parteien, die die Ausnahmeregelung unterstützen, und seine eher säkularen Verbündeten, die sie ablehnen, akzeptabel ist, oder er riskiert, seine Regierung zu verlieren.
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