Wie am 29. Dezember 2020 – in typisch nüchternen Worten – auf der Website des Schweizer Ministeriums (VBS) gemeldet wurde, hat nun auch die Schweiz ab 31. Dezember 2020 nach mehrjähriger Vorbereitung die permanente aktive Luftraumüberwachung hergestellt. 24 Stunden täglich, an jedem Tag des Jahres, sowohl passiv mittels Radarstationen als eben auch mit Überschall-Kampfflugzeugen. Seit wenigen Tagen stehen damit 24 Stunden am Tag und sieben Tage Tage die Woche zwei scharf bewaffnete Kampfflugzeuge in Payerne einsatzbereit. Als Ausweichflugplätze wurden Emmen und Meiringen vorbereitet. Damit ist das sogenannte „Projekt Luftpolizeidienst 24” (LP24) erfolgreich und termingerecht umgesetzt.
Jene Fähigkeitserweiterung herzustellen, war dort nach peinlichen Luftraumvorfällen außerhalb der sogenannten „Bürozeiten” (Stichwort Ethiopian Airlines) politischer Auftrag in Form einer Motion eines Ständerats und dem daraus folgenden Auftrag aus dem Parlament. Der ehemlige schweizerische Luftwaffenkommandant Markus Gygax – mittlerweile Berater bei RUAG – schätzte im Gespräch mit dem Autor den Personalbedarf für den Vollausbau mit rund 70 bis 100 zusätzlichen Dienstposten bei der Luftwaffe, bei der Logistikbasis der Armee und der Führungsunterstützungsbasis. Die daraus entstehenden potenziellen Mehrkosten bezifferte er mit etwa 70 Millionen Schweizer Franken im Jahr (rund 64 Millionen Euro), laut nunmehriger Aussendung findet man aber sogar mit 30 Milionen Franken (27,6 Millionen Euro) das Auslangen.
Das flächenmäßig doppelt so große und ähnlich neutrale Österreich ist damit – soweit dem Autor bekannt – nun der letzte Staat in Europa mit national kommandiertem geeignetem Potenzial, welcher ein aktives „24/7” nicht aufbieten kann, beziehungsweise mangels politischen Willens nicht aufbieten will. Mit der mit Jahresende 2020 (offiziell) ersatzlosen Aufgabe des 20 Prozent-Standbeins Saab-105 und der Inaktivität rund um die Zukunft der nur 15 einsitzigen Eurofighter entwickelt man sich im Vergleich zur Schweiz exakt in die Gegenrichtung. Wie sich das mittel- bis langfristig ressourcenmäßig alles ausgehen soll bleibt abzuwarten – die Eurofighter müssen nun jedenfalls ohne zeitem Standbein (Stichwort: Feuerwehr-Zeltweg) mehr als zuvor schultern.
An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass – sozusagen als benachbarte „Luftraum-Antipoden” – die sonst gern als Vorbild benutzten Schweizer nicht nur LP24 hergestellt haben, sondern dieses Jahr nach einem wohl sehr knapp positiven Volksentscheid eine weiter östlich – trotz vergleichbarer Volkswirtschaften – völlig undenkbare Nachbeschaffung von 36 bis 40 neuen Mehrrollen-Kampfflugzeugen um rund 5,5 Milliarden EUR entscheiden wollen (Militär Aktuell berichtete). Zur Auswahl stehen Eurofighter Typhoon (T4), Dassault Rafále (F4), Boeing F/A-18E/F Super Hornet-Advanced und Lockheed-Martin F-35A. Im November wurden Covid-19-bedingt verspätet die finalen Angebote inklusive definierter Logistik und Bewaffnung eingeholt. Zusätzlich zur aktiven Komponente wird um weitere etwa zwei Milliarden Euro zum Schutz von Bevölkerungszentren und Schlüsselzonen ein weitreichendes Boden-Luft-Lenkwaffensystem beschafft, dafür stehen noch SAMP/T (Eurosam, Frankreich) und Patriot (Raytheon, USA) zur Debatte.
Eine solche echte Verteidigungsebene – beim Peacetime-Air-Policing geht es „nur” um Identifizierung – wurde in Österreich (obwohl früher unmittelbar an der Grenze zu den Warschauer Pakt-Staaten gelegen) überhaupt nie hergestellt. Auch ein vergleichbar nüchternes Referendum und ein ähnliches Ergebnis wären hierzulande kaum denkbar, schon allein das im Vorfeld an alle Haushalte verschickte und bewusst neutral gehaltene „Abstimmungsbüchlein” mit einer objektiven Auflistung der Vor- und Nachteile einer Beschaffung hat Vorbildcharakter. Schade, dass es in Österreich etwas Ähnliches auch in den kommenden Jahrzehnten nicht geben wird.