Welche Lehren aus aktuellen militärischen Auseinandersetzungen und Konflikten zu ziehen sind, erklärt Generalleutnant Bruno Hofbauer, Planungschef und stellvertretender Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres.
Das in der Landesverteidigungsakademie Anfang dieser Woche präsentierte Buch „Der Vater aller Dinge belehrt uns” (Band 28 in der Schriftenreihe des Generalstabs) untersucht, wie heutige Kriege die Streitkräfte von morgen verändern.
Die einleitenden Worte bei der Präsentation in der Sala Terrena der Landesverteidigungsakadem sprach Generalstabschef Rudolf Striedinger. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion referierten danach die Autoren Oberst des Generalstabsdienstes Markus Reisner, Oberstleutnant des Generalstabsdienstes Christoph Göd, Oberstleutnant des Generalstabsdienstes Pascal Riemer sowie die beiden IFK-Forscher Christoph Bilban und Walter Posch über aktuelle Konflikte. Daran schloss ein Vortrag von Generalleutnant Bruno Hofbauer zu den wichtigsten Ableitungen aus den aktuellen Kriegen und Konflikten für die weitere Entwicklung des Bundesheeres an.
Im Folgenden eine Auflistung der 10 wichtigsten Ableitungen, die Generalleutnant Bruno Hofbauer vor Ort präsentierte und im Buchkapitel „Die Zukunft des Krieges” erklärte.
Ableitung #1: Verbindung alter und neuer Technologien
Zweifellos halte Russlands Krieg gegen die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) schon viele Erkenntnisse parat, leitet Hofbauer ein – aber auch aus der Kriegsführung im Nahen Osten (Stichwort: Eingreifen des Iran) und der Aggression der Huthi-Rebellen im Roten Meer lassen sich Ableitungen tätigen.
Der Generalleutnant: „Wir können sehr klar die rasante Herstellung der Verbindung traditioneller militärischer Mittel mit neuen Technologien erkennen, die auch eine neue Art der militärischen Einsatzführung ermöglichen.”
Hofbauer bezieht sich hier auf die hybride Kriegsführung – eine Kombination regulärer und irregulärer politischer, wirtschaftlicher, medialer, subversiver, geheimdienstlicher, cybertechnischer und militärischer Kampfformen.
Ableitung #2: Hochtechnologie in nicht-staatlichen Händen
Hochtechnologische Wehrtechnik, wie etwa Marschflugkörper, werde künftig auch nicht-staatlichen Akteuren zur Verfügung stehen, so Hofbauer.
Proliferation ist hier der Fachbegriff: die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und der dafür benötigten Trägertechnologien, des für deren Herstellung nötigen Wissens sowie der entsprechenden Produktionsmittel.
Ableitung #3: Beherrschung der zeitgemäßen Verfahren
„Aufklärung ist eine Bedingung für die richtige Vorbereitung auf den Krieg und das Bestehen im Gefecht“, so Hofbauer. Am aktuellen Beispiel des Krieges in der Ukraine habe sich das Zusammenwirken befreundeter Nationen gerade in der ersten Phase des Konflikts als „überlebenswichtig” erwiesen.
Ein zentraler Satz dieses Abschnitts: „Das Beherrschen der zeitgemäßen und auf den Feind abgestimmten militärischen Verfahren der Kampfführung ist von essenzieller Bedeutung.”
„„Aufklärung ist eine Bedingung für die richtige Vorbereitung auf den Krieg und das Bestehen im Gefecht“
Generalleutnant Bruno Hofbauer
Ableitung #4: Strategische und operative Bedeutung von Zeit
Nach einem ersten Schock habe die Ukraine diesen Wert erkannt, „Russlands Vormarsch verlangsamt und Zeit gewonnen, um die Verteidigungslinien zu stärken und westliche Hilfe zu mobilisieren”.
Solcherart konnten die Vorteile der sogenannten „inneren Linien” genutzt werden. Nach Clausewitz (Vom Kriege) genießt der Verteidiger dadurch unter anderem den Vorteil der Vertrautheit mit dem Gelände und etwa auch die Möglichkeit des Ausfalls nach mehreren Seiten.
In diesem Zusammenhang erinnert Hofbauer auch an General Emil Spannocchi (1916–1992) – als er 1963 die Führung der Stabsakademie übernahm, entwickelte er ein Verteidigungskonzept der „Raumverteidigung” („hoher Eintritts-, Durchmarsch- und Aufenthaltspreis”).

Ableitung #5: Die richtigen Partner haben
Mittels Drohnen und KI habe die Ukraine Informationen schneller verarbeiten können – und auch schneller Entscheidungen getroffen.
Von zentraler Bedeutung sei hier auch, die „richtigen Partner” auf seiner Seite zu wissen – etwa die Eigentümer von Satellitenkommunikationstechnologien. Die Parteinahme Elon Musks für die Ukraine sei zu Beginn des Krieges entscheidend für das Abblocken des russischen Gegners gewesen.
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Ableitung #6: Unterstützung der Heimatfront
Insbesondere bei Cyberangriffen – auch gegen die Infrastruktur – sowie bei feindlicher Propaganda und Desinformation sei es vonnöten, den Widerstandswillen des Volkes mobilisieren zu können.
Ableitung #7: Unterstützung durch indirekte Feuerkraft
„Indirektes Feuer wurde effektiv gegen die Konzentration feindlicher Kräfte eingesetzt”, so Hofbauer zum Krieg in der Ukraine, wo die Unterstützung seitens der vorgesetzten Ebenen nicht immer verfügbar sei. „Abstandsfähigkeit und rasches Wechseln der Stellungen ist eine Bedingung für den Einsatz.”
Stichwort Drohnen (-> Zum Militär Aktuell Drohnen-Themenschwerpunkt) auf dem modernen Gefechtsfeld: Diese werden in großer Anzahl und unterschiedlicher Verwendung im hochintensiven Gefecht eingesetzt. Die Anwendung reicht von der Aufklärung (Echtzeit-Bildaufklärung bis hinunter zur Zugsebene) über sogenannte „Kamikaze-Drohnen” bis hin zu Langstreckendrohnen für Angriffe in die Tiefe des Raumes.
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Ableitung #8: Bedeutung der (elektronischen) Luftabwehr
Im Gaza-Krieg gelang es den israelischen Streitkräften, die Herausforderungen eines urbanen Geländes auszugleichen: durch eine kombinierte Luftabwehr aus bodengestützten und fliegenden Einsatzmitteln. Solcherart konnten Verteidigungsstellungen vernichtet werden.
In des Generalleutnants sehr konzisen Worten: „Es ist somit klar abzuleiten, dass Streitkräfte dazu befähigt sein müssen, feindliche Kampfflugzeuge und andere Bedrohungen aus der Luft wirkungsvoll zu bekämpfen, um so den Kampf am Boden überhaupt zu ermöglichen.”
Ableitung #9: Kampfführung im urbanen Raum
Der Krieg verlagere sich auf urbane Zentren und kleine Städte, so Hofbauer. „Die eingesetzten Truppen müssen die Fähigkeit besitzen, rasch zwischen Defensive und Offensive zu wechseln.”
Auch Roboter oder unbemannte Bodenfahrzeuge, die über Panzerabwehrlenkwaffen beziehungsweise Granatwerfer verfügen, kommen hier zunehmend zum Einsatz.
„Streitkräfte müssen dazu befähigt sein, feindliche Kampfflugzeuge und andere Bedrohungen aus der Luft wirkungsvoll zu bekämpfen, um so den Kampf am Boden überhaupt zu ermöglichen.“
Generalleutnant Bruno Hofbauer
Ableitung #10: KI-Systeme entscheiden
Laut Hofbauer simulieren KI-Systeme unterschiedliche taktische und operative Ansätze in kürzester Zeit tausendfach – und verkürzen so den Zeitraum zwischen Vorbereitung und Umsetzung. So lasse sich auch eine wesentlich breitere Frontlinie überwachen.
Zusätzlich sei zu beachten, dass derzeit die Kosten der Verteidigung gegen Drohnenschwärme jene des Angreifers deutlich übersteigen.
Fazit
Auch im Krieg der Zukunft werden, so Generalleutnant Bruno Hofbauer, „Integrationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Geschwindigkeit und Widerstandsfähigkeit” weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
Kurzum: „Das teilstreitkräfteübergreifende Zusammenwirken ist auszubauen, und die damit in Zusammenhang stehenden Verfahren müssen vor allem wieder verstärkt geübt werden.” Die Digitalisierung bilde dafür eine unverzichtbare Bedingung.
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